Öl und Gas aus Russland : Verträge bis 2040: Gewessler will raus aus Gazprom-OMV-Deal

ABD0012_20240212 - WIEN - ?STERREICH: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Gr?ne) am Montag, 12. Februar 2024, w?hrend eines Medienstatements zum Thema "Entwicklung der Abh?ngigkeit von russischem Erdgas" in Wien. - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) will den Ausstieg aus den Gaslieferverträgen zwischen dem teilstaatlichen Öl- und Gaskonzern OMV und der russischen Gazprom vorbereiten.

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Der Ausstieg aus den Gaslieferverträgen zwischen dem teilstaatlichen Öl- und Gaskonzern OMV und der russischen Gazprom wird von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) vorbereitet. Zu diesem Zweck soll das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) im Auftrag des Energieministeriums bis zum Sommer die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Kündigung der Verträge untersuchen und die Gefahren einer längeren Abhängigkeit von russischem Gas analysieren, kündigte Gewessler bei einer Pressekonferenz an.

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Die Verträge zwischen der OMV und Gazprom laufen noch bis zum Jahr 2040 und sehen laut Gewessler eine fixe Abnahmeverpflichtung ("take or pay") für große Mengen an Erdgas vor. Bezahlt werden müsse also auch für den Fall, dass kein russisches Erdgas in Anspruch genommen werde. Dies führe zu einem höheren Anteil russischen Erdgases bei insgesamt sinkendem Gasverbrauch und gleichbleibenden Importmengen. Diese Gaslieferverträge "zementierten" die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas. Problem nur: Die Verträge können von der Regierung nicht eingesehen werden.

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Ziel: Kein Russland-Gas ab 2028

Nach Angaben des Energieministeriums sank der Gasverbrauch in Österreich zwar um ein Viertel von 100,3 Terawattstunden im Jahr 2021 auf 75,6 Terawattstunden im Jahr 2023. Der Anteil von russischem Erdgas bleibt aber hoch. Während er ab Sommer 2022 über einen längeren Zeitraum deutlich gesunken ist, begann er in den letzten Monaten wieder zu steigen. Im Dezember 2023 lag der Anteil an russischem Erdgas sogar bei einem Wert von 98 Prozent.

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Ob und auf welcher Basis ein Ausstieg aus den Verträgen überhaupt möglich ist, ist bis dato unklar. Von Wolfgang Urbantschitsch, dem Chef der E-Control, war im November des Vorjahres zu hören: "Solange sie (Gazprom, Anm.) liefern und der Vertrag aufrecht ist, muss die OMV wahrscheinlich auch diesen Vertrag erfüllen." Die Frage, ob Gewessler notfalls auch einen Vertragsbruch gegenüber Gazprom riskieren würde, beantwortete sie nicht direkt - man müsse "alle Handlungsmöglichkeiten ausloten", so die Ministerin.

Um die Abhängigkeit von Russland weiter zu reduzieren, will Gewessler auch eine gesetzliche Verpflichtung der österreichischen Energieunternehmen zur Diversifizierung ihrer Gasbezüge. "Wenn die Gasversorger am liberalisierten Gasmarkt nicht aus eigenen Stücken tätig werden, dann braucht es gesetzliche Verpflichtungen", so die Ministerin, die hier ein Marktversagen sieht. Dass es genügend nicht-russisches Erdgas in Europa gebe, hätten die vergangenen Monate gezeigt. Trotzdem kauften die heimischen Energieversorger zu wenig nicht-russisches Erdgas ein, kritisierte Gewessler. Allerdings sei eine verfassungsmäßige Mehrheit, also eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, für eine gesetzliche Verpflichtung notwendig. In den "nächsten Wochen" sollen die entsprechenden Gesetzesvorschläge ausgearbeitet werden.

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Weiters plädierte Gewessler für eine neue Sicherheitsstrategie. Diese müsse auch eine unabhängige Energieversorgung berücksichtigen. Dies betreffe sowohl die Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen als auch die Vermeidung einseitiger Abhängigkeiten von anderen Ländern in der Zukunft. Ziel sei es jedenfalls - wie von der EU angedacht - ab 2028 ohne russisches Gas auszukommen.

Anteil aus Russland und Anteil aus anderen L?ndern seit Februar 2022; Quelle: energie.gv.at/ENTSO-G/E-Control; Die Auslieferung der APA-Grafiken als Embed-Code ist ausschlie?lich Kunden mit einer g?ltigen Vereinbarung f?r Grafik-Pauschalierung vorbehalten. Dabei inkludiert sind automatisierte Schrift- und Farbanpassungen an die jeweilige CI. F?r weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Grafik-Team unter grafik@apa.at. GRAFIK 0194-24, 88 x 104 mm
Anteil russischer Gasimporte gestiegen: Anteil aus Russland und Anteil aus anderen Ländern seit Februar 2022 - © APA

Wer hat Einblick in die Verträge zwischen OMV und Gazprom?

Der Rechnungshof darf einen Teil der umstrittenen Verträge zwischen der OMV und der russischen Gazprom prüfen, wie die Präsidentin des Rechnungshofes, Margit Kraker, in der ZIB2 mitteilte. Man habe über den Weg der Aufsichtsbehörde die Möglichkeit, Teile der Verträge zu bekommen und könne damit in Aspekte der Verträge Einsicht nehmen. Eine Prüfung sei im Gange. Dieser wolle sie nicht vorgreifen. Damit sei der Rechnungshof der Regierung offenbar einen Schritt voraus: Noch im Februar hatte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) im ORF betont, dass die OMV eine Aktiengesellschaft sei, die weder im Allein- noch im Mehrheitseigentum der Republik stehe: "Das heißt, wir haben nur über den Regulator, die E-Control, Zugang zu den relevanten Teilen, aber der ist mir gegenüber zu Verschwiegenheit verpflichtet."

Präsidentin des Rechnungshofes, Margit Kraker
Präsidentin des Rechnungshofes, Margit Kraker - © Rechnungshof

Wie reagiert die OMV?

"Russisches Erdgas unterliegt in Europa keinen Sanktionen und wird von mehreren Ländern importiert", teilte die OMV in einer Stellungnahme mit. "Sofern der Gesetzgeber einen Ausstieg aus russischem Gas vornehmen möchte, müssen zuerst die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen werden." Weiter hieß es: "Die OMV ist jederzeit sanktions- und rechtskonform und hat ihre Bezugsquellen von Erdgas für sämtliche ihrer Vertragskunden bereits konsequent diversifiziert. Die OMV kann im Bedarfsfall ihre Kunden in Österreich zu 100 Prozent mit nicht-russischem Gas beliefern." So könne die OMV auf Gas aus Norwegen und Österreich zurückgreifen. Zusätzlich hätte man Kapazitäten bei den Gas-Terminals in den Niederlanden. Generell, so die OMV, habe man Zugang zu allen wichtigen Gasmärkten in Europa und ausreichend Pipeline-Volumen zur Verfügung. Zudem dürfte der genaue Vertragsinhalt der Regierung nicht bekannt sein. "Die Gaslieferverträge der OMV unterliegen der Vertraulichkeit beider Vertragsparteien", hieß es am Montagabend vom Unternehmen.

Headoffice Wien OMV
© OMV Solutions GmbH

Was sagen Juristen dazu?

Der Ausstieg der OMV aus den Gaslieferverträgen mit der russischen Gazprom wird mit zunehmender Dauer immer schwieriger. Vor einem Jahr, so der Energierechtsexperte Florian Stangl, hätte es noch gute Chancen für eine außerordentliche Kündigung gegeben. Die Drosselung der Liefermengen und die Tatsache, dass die Einnahmen aus dem Gasgeschäft indirekt zur Finanzierung des Krieges beitrugen, hätten zu einem "erschütterten Vertrauensverhältnis" geführt und einen Ausstieg aus dem Vertrag wohl gerechtfertigt.

Ein "unwiederbringlich erschüttertes" Vertrauensverhältnis zwischen dem österreichischen Öl- und Gaskonzern OMV und dem russischen Staatskonzern Gazprom sei nun aber immer schwieriger zu argumentieren, sagte der Jurist. Da sich die OMV bisher an den Vertrag gehalten habe, könne man überspitzt sagen: "So schlimm kann es nicht gewesen sein". Es sei aber nicht auszuschließen, dass die Gründe auch aus heutiger Sicht für eine außerordentliche Kündigung ausreichen - das Risiko, dass sich die OMV nicht erfolgreich darauf berufen könne, sei aber "wesentlich höher".

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Sieben europäische Staaten haben laut einem Bericht des britischen Forschungsinstituts Oxford Institute for Energy bereits ihre langfristigen Verträge mit der russischen Gazprom gekündigt. So hätten der polnische Energieversorger PGNiG und der finnische Staatskonzern Gasum gekündigt, nachdem Russland Gaszahlungen in Rubel verlangt hatte. Eine Reihe von Ländern, darunter Deutschland, hätten ihre Gasverträge mit Russland ausgesetzt, um sie juristisch überprüfen zu lassen - auch hier geht es vor allem um die Forderung, in Rubel zu bezahlen, was etwa die OMV akzeptiert hat.

Der Vertrag zwischen OMV und Gazprom war 2018 im Beisein des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) und des russischen Präsidenten Wladimir Putin bis 2040 verlängert worden. Die genauen Vertragsinhalte sind offenbar nur der teilstaatlichen OMV, nicht aber der Regierung und der Regulierungsbehörde bekannt, wie E-Control-Chef Wolfgang Urbantschitsch im November des Vorjahres sagte. Bekannt ist neben der Laufzeit bis 2040, dass eine Take-or-Pay-Klausel vereinbart wurde. Gazprom liefert, die OMV muss zahlen, auch wenn sie das Gas nicht braucht.

Wie könnte die OMV aus den Verträgen aussteigen?

Es ist nicht klar, aus welchen Gründen und unter welchen Bedingungen die OMV von dem Vertrag zurücktreten kann. Unklar ist auch, welches Recht - das österreichische, das russische oder das UN-Kaufrecht - im Streitfall zur Anwendung kommen soll. Laut Stangl gibt es aber bestimmte Rechtsgrundsätze, die sowohl in Russland als auch in Österreich anerkannt sind und vertraglich nicht ausgeschlossen werden können. Dass langfristige Lieferverträge aus wichtigem Grund, etwa wenn das Vertrauensverhältnis irreparabel gestört ist, gekündigt werden können, gehöre dazu.

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Die OMV könnte gegenüber Gazprom auch höhere Gewalt" geltend machen und kündigen, wenn etwa in Österreich ein Gesetz erlassen würde, das den Bezug russischen Erdgases verbietet. Der Energierechtsexperte gab aber zu bedenken, dass solche staatlichen Eingriffe als Grund vertraglich ausgeschlossen sein könnten.

Sollte die OMV aus dem Vertrag aussteigen oder die Zahlungen einseitig einstellen, könnte Gazprom wohl ein privates Schiedsgericht anrufen, wie es bei internationalen Verträgen üblich ist. Vor Gericht würde dann geklärt, ob die von der OMV angeführten Gründe für die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sind, erklärte Stangl. Sollte die OMV unterliegen, gehe es um die Frage der Einbringlichkeit. Für Russland könnte es schwierig werden, Vermögenswerte der OMV, die sich nicht in Russland befinden, zu vollstrecken. Eventuell könne im Vertrag auch eine Bankgarantie hinterlegt werden, die in solchen Fällen abgerufen werden könne.

Versorgungssicherheit hat immer seinen Preis

Der Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur, Franz Angerer, sagte am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal", ein Ausstieg der OMV aus den Verträgen mit Russland würde zwar Geld kosten und das Gas wieder teurer machen. Die von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) vorgeschlagene Diversifizierung der Gasversorgung, um die Abhängigkeit von Russland zu verringern, sei aber "unbedingt notwendig", betonte Angerer. Versorgungssicherheit koste immer, so Angerer, der mit einer Kostensteigerung im einstelligen Prozentbereich rechnet, etwa durch eine Speicherumlage und Lieferkosten. Angerer erinnerte daran, dass seit den 1970er Jahren über eine Diversifizierung der Versorgung diskutiert werde. Vor zehn Jahren sei das Pipelineprojekt "Nabucco" gestoppt und schließlich 2018 die Verträge mit Russland verlängert und damit "zementiert" worden, was nicht gut und auch nicht notwendig gewesen sei.

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"Prinzipiell ist es natürlich das gemeinsame Ziel der Bundesregierung, die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern", sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz auf die Frage, ob er wie Gewessler befürworten würde, dass die OMV aus den Gaslieferverträgen mit Gazprom aussteigt. Um den Ausstieg umsetzen zu können, brauche es aus seiner Sicht aber die nötige Infrastruktur, um andere Gasquellen ins Land zu bringen, sowie einen forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien.

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Sollten sich die Koalitionspartner intern auf einen Gesetzesentwurf einigen, der den heimischen Gasversorgern den Verzicht auf russisches Erdgas vorschreibt, bräuchte es für die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament noch die Stimmen von SPÖ oder FPÖ. Die Freiheitlichen lehnen den Vorschlag ab, sie befürchten "eine Vervielfachung des Gaspreises", hieß es in einer Aussendung. Die SPÖ forderte am Montag einen konkreten und zwischen den Regierungspartnern abgestimmten Vorschlag, um "seriös darüber reden" zu können.

OMV stoppt Schwechat-Bratislava-Pipeline

Die OMV und die slowakische Transpetrol haben ein lang gehegtes Projekt endgültig zu Grabe getragen: Bereits 2003 plante die OMV den Bau einer Ölpipeline von Bratislava nach Schwechat, um die Versorgung Österreichs mit Erdöl langfristig zu sichern. Wie der NÖ Wirtschaftspressedienst mitteilte, wurde das Projekt aufgrund der Energiewende und des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gestoppt.

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"Die Entscheidung den Bau zu stoppen wurde im März 2022 gemeinsam mit Transpetrol getroffen. Nachdem wir mehr als 20 Jahre ohne Erfolg versucht haben, alle erforderlichen Genehmigungen in der Slowakischen Republik zu erhalten, und angesichts der vor uns liegenden Energiewende sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass Investitionen in eine zusätzliche Ölpipeline nicht mehr gebraucht werden", hieß es von der OMV am Montag auf APA-Anfrage.

Ursprünglich sollte die 62 Kilometer lange Pipeline Österreich direkt an das "Druschba"-Netz ("Freundschaft") anschließen. Derzeit wird die OMV-Raffinerie in Schwechat über die Adria-Wien-Pipeline und die Transalpine Pipeline versorgt. Da Österreich ab Februar 2023 kein Erdöl mehr aus Russland importieren werde, sei auch die Pipeline obsolet geworden, kommentierte das Lebensministerium laut ORF Niederösterreich den Stopp des Projekts. Die Betreibergesellschaft sei bereits aufgelöst worden. Die Versorgung der Raffinerie mit Rohöl sei aber über die beiden bestehenden Pipelines gesichert, teilte die OMV weiter mit.

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Wie der Wirtschaftspressedienst weiter berichtete, verzögerte sich die Realisierung des Projekts auch durch Unklarheiten über die Eigentümerstruktur der Transpetrol. Demnach hielt der russische Konzern Yukos lange Zeit 49 Prozent an der Transpetrol, erst 2009 konnte die Slowakei diese Anteile übernehmen. Zudem sei der Verlauf der Pipeline in der Slowakei umstritten gewesen. Denn die Pipeline hätte eines der größten Trinkwasserreservoirs der Slowakei durchquert.