Halbleiter : Warum AT&S die Kostensenkungs-Programme "deutlich intensiviert und beschleunigt"

Mitarbeiter AT&S in Fehring

AT&S muss sparen. Was beutetet das für die neue Forschungseinrichtung in Leoben?

- © YouTube/ Vulkan TV

Der steirische Leiterplattenhersteller AT&S hat im Geschäftsjahr 2022/2023 Umsatz und Gewinn deutlich gesteigert, obwohl das Wachstumssegment IC-Substrate in der zweiten Geschäftsjahreshälfte schwächelte. Der Umsatz stieg im Vergleich zur Vorjahresperiode um 13 Prozent auf 1,79 Mrd. Euro. Das Konzernergebnis legte um 32 Prozent auf 137 Mio. Euro zu. Eine schwächere Nachfrage und höhere Kosten führten allerdings zu einem Verlust von 85 Millionen Euro im vierten Quartal.

>>> AT&S: Serienaufträge für das neue Werk in Leoben.

Im gleichen Quartal des Vorjahres hatte das Unternehmen noch einen Gewinn von 42 Millionen Euro erzielt. Auch der Umsatz ging im letzten Quartal des Jahres um rund ein Drittel auf 302 Mio. Euro zurück. AT&S-Chef Andreas Gerstenmayer sagte am Dienstag in einer Aussendung, um den Auswirkungen des aktuell schwierigen Marktumfeldes wie Preisdruck und Inflation entgegenzuwirken, habe man die Kostensenkungsprogramme "deutlich intensiviert und beschleunigt".

Nie mehr eine wichtige News aus der Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in Ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!

AT&S-Chef Andreas Gerstenmayer

- © AT&S

Kosteneinsparungen und "Anpassungsbedarf"

Deutlich geringer soll die Dividende für die Aktionäre ausfallen. Der Vorstand der AT&S wird der am 6. Juli stattfindenden Hauptversammlung vorschlagen, für das Geschäftsjahr 2022/23 eine Dividende in Höhe von 0,40 Euro je Aktie an die Aktionäre auszuschütten. Im Vorjahr wurde eine Dividende von 0,78 Euro je Aktie sowie eine Sonderdividende von 0,12 Euro je Aktie ausgeschüttet.

>>> AT&S: Einbruch im dritten Quartal.

Für die Geschäftsjahre 2023/24 und 2024/25 hat AT&S Kosteneinsparungen im Volumen von 440 Millionen Euro geplant, die auch den Personalbereich betreffen. "Anpassungsbedarf" räumte CEO Gesternmayer im chinesischen Werk in Chongqing und generell in der Verwaltung ein, bezifferte den konkreten Personalabbau bei der Bilanzpressekonferenz auf Nachfrage aber nicht. In Leoben werde hingegen Personal aufgebaut. Weltweit beschäftigt der Konzern rund 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

>>> AT&S sucht weltweit 10.000 Mitarbeiter.

Neben den Kosteneinsparungen wird AT&S auch bei den Investitionen auf die Bremse treten und das geplante Werk in Kulim in Nordmalaysia später als bisher geplant errichten.

AT&S-Werk in Leoben

- © AT&S

Wie blickt das Unternehmen in die Zukunft?

Für das Jahr 2023 wird mit einem Rückgang der Nachfrage nach Notebooks gerechnet. Laut AT&S werden hohe Lagerbestände den negativen Effekt verstärken. Vor allem das erste Halbjahr werde davon betroffen sein. Gegen Ende des Jahres sei mit einer Erholung zu rechnen. Im Bereich der mobilen Endgeräte werde der Mobilfunkstandard 5G nach wie vor ein positiver Treiber sein.

Im Bereich Automotive sollte sich die Verknappung bei Halbleitern weiter entspannen. Der Wachstumstrend sollte sich aufgrund des steigenden Elektronikanteils pro Fahrzeug verstärken. In den Bereichen Industrial und Medical erwartet AT&S eine positive Entwicklung.

>>> KI: Das lernen wir von den AI-Pionieren der österreichischen Industrie.

Für 2023/24 rechnet AT&S mit einem Umsatz zwischen EUR 1,7 Mrd. und EUR 1,9 Mrd. Die bereinigte EBITDA-Marge wird - bereinigt um die Anlaufeffekte der neuen Produktionskapazitäten in Kulim und Leoben in Höhe von rund 100 Mio. Euro - voraussichtlich zwischen 25 und 29 Prozent liegen. Das Management zeigt sich überzeugt, dass die großen Trends - Digitalisierung und Elektrifizierung - intakt sind und hält daher an den mittelfristigen Zielen fest: Bis 2026/27 soll der Umsatz auf 3,5 Mrd. Euro steigen und die operative Marge bei 27 bis 32 Prozent liegen.

>>> Das sind die besten AI-Projekte der Industrie.

AT&S produziert neben Leiterplatten für Smartphones, Tablets, Spielekonsolen und Medizinprodukte auch sogenannte IC-Substrate, die beispielsweise in Notebooks zum Einsatz kommen und als Verbindungselement zwischen Leiterplatte und Chip dienen. Zu den Kunden zählen Apple, Intel, aber auch die großen europäischen Automobilzulieferer.

AT&S setzt mit KI auf smarte Qualitätskontrolle

- © AT&S

Neues Forschungszentrum für IC-Substrate

Der steirische Hightech-Konzern errichtet derzeit in Leoben ein neues Forschungs- und Produktionszentrum für IC-Substrate. IC-Substrate sind ein wesentlicher Bestandteil leistungsfähiger Computerchips. Bereits im kommenden Jahr soll das Werk in Betrieb genommen werden und damit einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Produktion von Mikrochips leisten.

Mikroelektronik treibt Laptops, Elektrofahrzeuge und Satelliten an, ist die Basis für Digitalisierung, Elektrifizierung und grüne Technologien und die Schlüsseltechnologie für effiziente Netzwerke in Verkehr, Kommunikation und Energie.

>>> EU-Chips Act: Wie können Investitionen nach Österreich geholt werden?

"Keine Region der Welt kann es sich leisten, hier den Anschluss zu verlieren“, sagte AT&S-CEO Andreas Gerstenmayer, „denn überall, wo digitale Daten und Informationen verarbeitet, übermittelt oder gespeichert werden, kommen Schaltungen aus Mikrochips und Leiterplatten zum Einsatz. Das macht die Mikroelektronik zum Schlüssel für Energie- und Kosteneffizienz sowie Leistungsfähigkeit praktisch sämtlicher Lebensbereiche und Industrien.“

>>> F&E-Förderung: Noch 2023 Millionen für Automotive und Halbleiter.

Ein einzigartiges Forschungszentrum für Mikroelektronik entsteht derzeit in Leoben. AT&S investiert mehr als eine halbe Milliarde Euro in das neue Forschungs- und Entwicklungszentrum, in dem auch die Serienproduktion angesiedelt sein wird. Die ersten Anlagen zur Produktion und Erforschung von IC-Substraten, die Halbleiterelemente zu leistungsfähigen Mikrochips bündeln, werden noch heuer in Betrieb genommen.

Damit entstehen in einem Schlüsselbereich der Mikrochip-Herstellung, der bisher fast ausschließlich in Asien angesiedelt war, erstmals nennenswerte Forschungs- und Produktionskapazitäten in Europa. Substrat- und Packaging-Lösungen für die Mikroelektronik, wie sie AT&S anbietet, sind für die weitere Miniaturisierung der Chips von entscheidender Bedeutung.

>>> Stefan Pierer: "Ein einzelner Chiphersteller hat die ganze Industrie in Mitleidenschaft gezogen."

Der Strom für die Produktion wird ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen, der Einsatz fossiler Brennstoffe zur Beheizung wird durch die Nutzung von Abwärme auf das absolute Minimum beschränkt und die Einführung kreislaufbasierter Recyclingsysteme erlaubt eine fast vollständige Wiederverwertung von wichtigen Ressourcen.

Substrate verbinden die winzigen Ein- und Ausgänge leistungsfähiger Mikrochips mit den viel größeren Strukturen der Leiterplatte und bilden so die Brücke zwischen der Nanowelt der Halbleiterindustrie und der Mikrowelt der Leiterplatten.

- © AT&S

EU will Halbleiter-Produktion nach Europa holen

Europa wird in Zukunft die modernsten Halbleiter produzieren. Das hat EU-Industriekommissar Thierry Breton angekündigt. Er sagte, es reiche nicht aus, nur in der Forschung gut zu sein. Man müsse auch Fabriken bauen und in Europa produzieren, sagte Breton am Dienstag bei einer Branchenkonferenz in Antwerpen, um industriell relevant zu sein.

>>> Der weltweite Kampf um die Chip-Industrie.

Die EU hatte kürzlich angekündigt, die Abhängigkeit von den USA und Asien in diesem Bereich zu verringern und mit dem Chips Act 43 Milliarden Euro für die Branche bereitzustellen. Damit werde ein starkes Signal an Unternehmen und Investoren gesendet, sagte Breton. Ziel der EU ist mit Hilfe der staatlichen Förderung eine Verdoppelung des Weltmarktanteils auf 20 Prozent. Experten weisen allerdings darauf hin, dass vergleichbare Förderungen in China und den USA noch aggressiver sind. Auch in Taiwan, Südkorea und Japan sei der Wettbewerb um die Gunst der Industrie groß.

Breton fügte hinzu, dass neue Fabriken in Europa gebaut werden müssten, um in diesem Industriezweig relevant zu sein. Die Maßnahmen der EU hätten in jüngster Zeit bereits Projekte von Intel, Infineon, STMicroelectronics und Global Foundries angestoßen. Auch TSMC aus Taiwan, der Hersteller der modernsten Halbleiter, erwägt Investitionen in Deutschland.

EU-Industriekommissar Thierry Breton

- © Wikipedia