Elektromobilität : PowerCo: VWs Batterie-Offensive

Batteriezellfertigung im deutschen Salzgitter: VW möchte tiefer in seine eigenen Wertschöpfungsketten einsteigen.
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Batteriezellfertigung im deutschen Salzgitter: VW möchte tiefer in seine eigenen Wertschöpfungsketten einsteigen.
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Das Ziel ist gesteckt: Volkswagen möchte mit seiner eigenen Batterie-Sparte PowerCo zum wichtigsten europäischen Hersteller von Batteriezellen aufsteigen. Bis 2030 plant der Autobauer sechs "Gigafactories" am europäischen Kontinent - für bis zu fünf Millionen Elektrofahrzeuge pro Jahr. Mehr als 20 Milliarden Euro investiert VW dabei in PowerCo. Auch in Nordamerika schauen sich die Wolfsburger nach möglichen Ansiedlungsflächen um.
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Der Volkswagen-Konzern möchte in seiner neu gegründeten Batteriefirma europaweit in Zukunft bis zu 20.000 Mitarbeiter beschäftigen. Das PowerCo genannte Unternehmen soll in der Zeit bis 2030 über 20 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr erzielen, wie VW in Salzgitter zum Baubeginn der ersten konzerninternen Fabrik für Elektroauto-Akkuzellen in Deutschland ankündigte. Etwa die selbe Summe wird an Gesamtinvestitionen eingeplant.
Nach Angaben des Betriebsrats entstehen in der niedersächsischen Stadt 5.000 neue Jobs, derzeit arbeiten dort im bestehenden Motorenwerk knapp 7.000 Menschen. Zu der Grundsteinlegung für die neuen Hallen kamen auch der deutsche Kanzler Olaf Scholz und Ministerpräsident Stephan Weil (beide SPD).

Strategie: "Einheitszelle"
Die Verbrenner-Fertigung wird weiter abnehmen und langfristig auslaufen. Zukünftig soll die PowerCo von Salzgitter aus den Großteil des Batteriegeschäfts des Konzerns steuern. Es geht um die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohstoffeinkauf über die Produktion bis zum Recycling. Ein Forschungszentrum ist ebenfalls angegliedert.
Ab 2025 will VW in dem neuen Werk, das neben der Motorenproduktion entsteht, die sogenannte Einheitszelle herstellen. Sie soll in vier von fünf Konzernfahrzeugen eingesetzt werden und die Fertigungskosten für die zentralen Akku-Elemente halbieren. Gedacht ist sie also für die Modelle im Massengeschäft, nicht aber für Oberklasse-Fahrzeuge des Konzerns. Gerade die leistungsstarken Boliden von Audi und Porsche werden wohl weiterhin auf andere Batterien angewiesen sein.
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Ausgehend von einer elektrischen Gesamtenergie von 20 Gigawattstunden (GWh) peilt man in Salzgitter über mehrere Schritte eine Jahresmenge von 40 GWh an. Das soll für die Ausrüstung von gut einer halben Million E-Autos reichen. Diese Größenordnung ist auch das Ziel bei fünf weiteren Zellwerken in Europa. Das nordschwedische Skellefteå und Valencia in Spanien stehen dafür neben Salzgitter bereits fest.
Für die übrigen drei Standorte soll es Bewerbungen unter anderem aus Deutschland und Osteuropa geben. Auch mögliche "Gigafabriken" in Nordamerika sind in der Vorbereitung. In China arbeitet VW mit dem Zellhersteller Gotion zusammen, in Europa mit Northvolt aus Schweden.
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Verringerung von Abhängigkeiten
Mehr Vereinheitlichung erhofft sich Volkswagen auch von seinen Plänen zu "Standardfabriken" für die Zellfertigung - nach dem Vorbild der verschiedenen Fahrzeugbaukästen und -plattformen. Gemeinsam mit dem Großlieferanten Bosch prüft man die Ausstattung kompletter Werke. "So entstehen Fabriken, die sich schnell auf weitere Produkt- und Produktionsinnovationen umstellen lassen", erklärt der Konzern dazu.
Volkswagen will den Aufbau der eigenen Zellfertigung, die in der neuen Konzerntochter PowerCo zusammengefasst wird, nicht allein finanzieren. "Vom nächsten Jahr an könnten Finanzinvestoren dazukommen", sagt Volkswagen-Finanzvorstand Arno Antlitz dem Handelsblatt einem Zeitungsbericht zufolge. Erste Anfragen potenzieller Investoren gebe es bereits. In einem weiteren Schritt könnte die Batterietochter des VW-Konzerns zumindest teilweise auch an die Börse gebracht werden.
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Volkswagen hat sich - im Gegensatz zu den meisten anderen Autobauern - für eine eigene Batteriefertigung entschieden, um Abhängigkeiten insbesondere vom asiatischen Markt zu verringern. Aktuell bezieht Volkswagen seine Batterien für E-Fahrzeuge von den großen Zellherstellern in China, Japan und Südkorea. Noch bis 2025 wird VW ausschließlich asiatische Zellen beziehen müssen, danach sollen die Eigenfertigungen verwendet werden. Sobald die VW-eigenen Batteriefabriken ausreichend Zellen für die Marken des VW-Konzerns herstellen, sei zudem auch eine Fertigung für andere Automobilhersteller angemacht.
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Mit den sechs anfänglich geplanten Werken sei ausschließlich die PKW-Produktion mit Batterien zu bedienen. Ab 2030 sollen aber auch die VW-Töchter MAN und Scania rein elektrisch unterwegs sein. Auch deswegen setzt Volkswagen auf die eigenen Werke und plant langfristig über die sechs bestätigten Werke hinaus. PKW- und LKW-Zellen sollen das gleiche Format bekommen. Branchenkenner befürworten diesen Schritt des Unternehmens: „Angesichts der strukturellen Knappheit auf dem Batteriemarkt und der geopolitischen Unsicherheiten sind eigene Gigafactories eine entscheidende Voraussetzung dafür, um bei Elektroautos eine global führende Rolle spielen zu können“, so Patrick Hummel, Automobilanalyst bei der UBS gegenüber dem Handelsblatt.

VW investiert in kanadische Mine
Zur Sicherung von Elektroauto-Batterierohstoffen setzt Volkswagen künftig auf Minen in Kanada: "Wir eröffnen keine eigenen Minen, wir wollen uns aber an kanadischen Minen und Minenbetreibern beteiligen", sagte der für Technik und Batterien zuständige Konzernvorstand Thomas Schmall dem Handelsblatt. Volkswagen will über langfristige Lieferverträge Mengen und Preise für die eigene Batterieproduktion sichern.
Im Zuge des Besuchs des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) sowie des Vizekanzlers (Grüne) wurde eine erste Absichtserklärung unterzeichnet. Teil der deutschen Delegation ist der Noch-Vorstandschef Herbert Diess. VW arbeite beim Ausbau der eigenen Batteriegeschäfte derzeit insbesondere an zuverlässigen und nachhaltigen Lieferketten, hieß es vom Konzern. Das gelte auch für den vielversprechenden nordamerikanischen Markt.
"Kanada verfügt über praktisch alle Rohstoffe, die wir für die Batterieproduktion brauchen", sagte Schmall. "Es gibt große Nickelvolumen der höchsten Güteklasse, dazu Kupfer, Kobalt. Und es gibt viele Minenaktivitäten." 20 bis 30 Prozent der Jahresproduktion einer Mine könnten beispielsweise zu einem festen Preis von der PowerCo abgenommen werden, den Rest könne der Minenbetreiber dann am Weltmarkt verkaufen.
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80 Prozent der Kosten für Batteriezellen seien Rohmaterialkosten, sagte Schmall. "Früher dachten die großen Autohersteller, es reicht, wenn man Zellfabriken kauft. Heute wissen wir, dass wir viel tiefer in die Wertschöpfungskette reingehen müssen." Bei den Minenbetreibern wolle VW maximal mit einer Handvoll Schnittstellenpartner zusammenarbeiten.
Die Vereinbarung mit Volkswagen dreht sich insbesondere um die Produktion von Batterievorläufer- und Kathodenmaterialien. Unter anderem wird das neu gegründete VW-Batterieunternehmen PowerCo eine kanadische Niederlassung eröffnen.
Mit Regierungen auf der ganzen Welt "Hand in Hand" zu arbeiten, sei "eine absolute Voraussetzung, um unsere Klimaziele zu erreichen", erklärte Volkswagen-Chef Herbert Diess in einer Pressemitteilung. Die Lieferung von Batterierohstoffen und die Produktion von Vorläufer- und Kathodenmaterialien mit einem geringen CO2-Fußabdruck würden einen "schnellen und nachhaltigen Ausbau von Batteriekapazitäten" ermöglichen. Dies sei ein "wichtiger Hebel für unsere Wachstumsstrategie in Nordamerika", ergänzte der VW-Chef.
Insgesamt will die PowerCo gemeinsam mit Partnern einen zweistelligen Milliardenbetrag in den Aufbau der globalen Batterie-Wertschöpfungskette investieren. In Kanada könnte es ein einstelliger Milliarden-Betrag werden, hieß es weiter.
Was macht VWs Konkurrenz?
Die Vereinbarungen würden "helfen, die wachsende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen" zu decken, schrieb der kanadische Regierungschef Justin Trudeau auf Twitter. Dem deutschen Bundeskanzler Scholz zufolge könnte das Abkommen andere Unternehmen zu ähnlichen Vereinbarungen ermutigen. Die deutsche Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner hatte kurz vor dem Besuch der Delegation in Kanada die Chancen für die Autoindustrie und die Entwicklung der E-Mobilität betont. Kanada habe fast alle Rohstoffe, die auch Russland biete. "Aber es geht nicht nur um Import von Rohstoffen", sagte die Grünen-Politikerin zu Reuters. Die deutsche Autoindustrie könnte in Kanada investieren, um Lithium dort gleich zu verarbeiten. Lithium ist ein wichtiger Rohstoff für Batterien in E-Autos, die Verarbeitung gilt als energieintensiv. Kanada hat umfangreiche Pläne für den Ausbau Erneuerbarer Energien.
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Mercedes-Benz kündigte derweil an, mit kanadischen Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette für Elektrofahrzeuge und Batterien zusammenarbeiten zu wollen. So plant der deutsche Autohersteller, vom kanadischen Unternehmen Rock Tech Lithium ab 2026 bis zu 10.000 Tonnen Lithiumhydroxid zu beziehen - eines wichtigen Bestandteils in Batterien für Elektrofahrzeuge. Mercedes hatte vor gut einem Jahr bekannt gegeben, wie auch Volkswagen selbst, in die Batteriezellfertigung einzusteigen. Das Unternehmen will so bis Ende des Jahrzehnts mit acht Werken weltweit auf eine jährliche Produktionskapazität von 200 Gigawattstunden (GWh) an Batteriespeicher kommen, um ihre Elektroautos zu bestücken. Bereits beteiligt hat sich Mercedes an der Batteriezell-Allianz ACC des Autokonzerns Stellantis mit dem französischen Energiekonzern Totalenergies.