Transformation des Stahl-Unternehmens : Neuer Thyssenkrupp-Chef: Kommt jetzt der nächste Stellenabbau?

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Der deutsche Stahlriese plant ein umfassendes Performance-Programm.

- © Thyssenkrupp

Der neue Chef von Thyssenkrupp, Miguel Lopez, will den schwächelnden deutschen Industriekonzern auf Rendite trimmen und schließt dabei auch den Abbau von Arbeitsplätzen nicht aus. "Wir haben ein zu komplexes Portfolio. Daran arbeiten wir", sagte der Manager am Donnerstag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. In den kommenden Wochen solle ein neues Performance-Programm definiert werden. Dies sei notwendig, um den Zielen, die man gegenüber dem Kapitalmarkt in Aussicht gestellt habe, gerecht zu werden.

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Auf die Frage, ob dazu auch ein weiterer Abbau von Arbeitsplätzen gehöre, antwortete er: "Diese Fragen, die Sie gerade gestellt haben, die werden wir natürlich analysieren und zu gegebener Zeit auch entsprechend kommentieren." Zum jetzigen Zeitpunkt könne er dazu noch nichts sagen.

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Miguel Lopez, neuer Chef bei Thyssenkrupp

- © Thyssenkrupp

Deutlicher Jobabbau in den letzten Jahren

Lopez war Anfang Juni an die Stelle von Martina Merz getreten. Das geplante Programm sei keine neue Strategie, sondern vielmehr die Umsetzung der bestehenden Ziele, so Lopez. Die Stahlsparte und das Marinegeschäft sollen verselbständigt werden, bekräftigte er. Darüber hinaus wolle der Konzern auch in Zukunft ein verlässlicher Dividendenzahler sein.

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Die Aussagen kamen gut an am Markt. Die Aktie baute ihre Gewinne aus. Zeitweise lag sie fast fünf Prozent im Plus. Thyssenkrupp hat in den vergangenen Jahren verschiedene Programme aufgelegt. Dazu gehörte auch der Abbau von Arbeitsplätzen. Nach Angaben von Finanzvorstand Klaus Keysberg wurden von einem Programm zum Abbau von 13.000 Stellen 11.000 umgesetzt. Aber auch durch den Verkauf von Geschäften, darunter die Aufzugssparte, hat Thyssenkrupp die Zahl der Beschäftigten deutlich reduziert.

Derzeit beschäftigt der Konzern etwas mehr als 98.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Jahr 2019 sollen es noch 162.000 sein.

Der Umbau von Thyssenkrupp hat unsere finanzielle Stabilität erheblich verbessert.
Finanzvorstand Klaus Keysberg

Umbau von Thyssenkrupp zeigt Wirkung

Lopez äußerte sich anlässlich der Zahlen für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2022/23. Der Industriekonzern verdiente wegen der Flaute im Stahl- und Werkstoffhandel deutlich weniger. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) brach um zwei Drittel auf 243 Millionen Euro ein. Thyssenkrupp präzisierte seine Prognose. Für das Gesamtjahr erwartet der Konzern nun einen operativen Gewinn im hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich statt wie bisher im mittleren bis hohen einstelligen Millionen-Euro-Bereich. Im Vorjahr hatte Thyssenkrupp allerdings noch 2,1 Milliarden Euro verdient. Der am Markt viel beachtete Free Cashflow vor M&A soll leicht positiv ausfallen.

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"Der Umbau von Thyssenkrupp hat unsere finanzielle Stabilität erheblich verbessert", sagte Keysberg. "Wir sind sehr zuversichtlich, auch unser Ziel eines leicht positiven Free Cashflow vor M&A im laufenden Geschäftsjahr zu erreichen." In den vergangenen Jahren war dies für den Konzern nicht der Fall gewesen. Thyssenkrupp erzielte hier einen Wert von 347 Millionen Euro im dritten Quartal.

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Rückläufig entwickelte sich der konjunkturanfällige Unternehmensbereich Stahl. Niedrigere Preise für das Material drückten das bereinigte Ebit auf 190 Millionen Euro nach 376 Millionen vor einem Jahr. "Thyssenkrupp verfolgt für das Stahlgeschäft weiterhin den Plan einer eigenständigen Aufstellung", betonte der Konzern.

Insidern zufolge gab es zuletzt wenig Bewegung in den Gesprächen mit Investoren über einen Einstieg. Kein Interesse mehr an einem Einstieg in die Stahlsparte habe Emirates Steel Arkan aus Abu Dhabi, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Auch das Interesse von JSW Steel aus Indien soll sich abgekühlt haben. Bei Marine Systems verfolge das Unternehmen nach eigenen Angaben ebenfalls weiter den Weg, das Geschäft zu verselbständigen.

Grünes Licht von der EU für grünen Stahl

Der Weg für ein Klimaschutz-Vorzeigeprojekt der deutschen Stahlindustrie ist von der EU-Kommission freigemacht worden: Der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen dürfen Thyssenkrupp beim Aufbau einer klimafreundlicheren Grünstahl-Produktion in Duisburg mit insgesamt bis zu zwei Milliarden Euro unterstützen. Der größte deutsche Stahlkocher will dort einen klassischen Hochofen, bei dem viel klimaschädliches Kohlendioxid entsteht, durch eine so genannte Direktreduktionsanlage ersetzen.

Später soll erneuerbarer Wasserstoff in der Anlage eingesetzt werden. Die Kommission veröffentlichte die monatelang erwartete Beihilfegenehmigung Ende Juli in Brüssel.

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Das Bundeswirtschaftsministerium betonte, es handele sich um das bislang größte Dekarbonisierungsprojekt in Deutschland. "Es ist ein richtig guter Tag, der zeigt, dass das Industrieland Deutschland eine grüne Zukunft hat", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Rande seiner Indienreise in Neu Delhi. Das Projekt zeige auch "die Standorttreue der energieintensiven Industrien, die sagen, wir wollen in Deutschland bleiben, wir wollen hier transformieren". Habeck betonte, das Projekt gebe auch der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland und Europa "einen weiteren Push".

Die neue Anlage soll Ende 2026 in Betrieb gehen. Zunächst wird sie mit Erdgas befeuert. Ab dem Jahr 2029 soll sie dann mit Wasserstoff betrieben werden und so den Ausstoß von Treibhausgasen bei der Herstellung von Stahl deutlich reduzieren. Das Baufeld ist bereits vorbereitet, mit dem Bau selbst wurde noch nicht begonnen. Er wird vom nordrhein-westfälischen Anlagenbauer SMS Group durchgeführt - für 1,8 Milliarden Euro. Spätestens 2045 soll die komplette Stahlproduktion von Thyssenkrupp klimaneutral sein.

Thyssenkrupp-Standort Duisburg

- © Thyssenkrupp

Dafür werden die Fördermittel verwendet

Sehr große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid entstehen bei der klassischen Stahlproduktion im kohlebefeuerten Hochofen. Thyssenkrupp Steel ist nach früheren Angaben für rund 2,5 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Die deutsche Stahlindustrie insgesamt verursacht rund sieben Prozent der CO2-Emissionen. Bis zu 3,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid können nach Angaben des Unternehmens mit der neuen Anlage jährlich eingespart werden. Auch andere Stahlhersteller planen den Bau von Direktreduktionsanlagen in Deutschland, so zum Beispiel Salzgitter und Arcelormittal.

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Nach Angaben der EU-Kommission ist die Beihilfe für Thyssenkrupp zweigeteilt. Zum einen sollen Bau und Montage der Anlage mit bis zu 550 Millionen Euro gefördert werden. Für den Betrieb soll zunächst Erdgas verwendet werden, das aber bis 2037 vollständig durch erneuerbaren und damit klimafreundlicheren Wasserstoff ersetzt werden soll.

Die verbleibenden Fördermittel in Höhe von bis zu 1,45 Milliarden Euro sollen in einen Mechanismus fließen, der die Mehrkosten in den ersten zehn Betriebsjahren der neuen Anlage abdecken soll. Konkret handelt es sich dabei um die Kosten, die bei der Beschaffung und Nutzung von erneuerbarem Wasserstoff anstelle von CO2-arm erzeugtem Wasserstoff entstehen würden.