EU-Lieferkettengesetz in Österreich : EU-Lieferkettengesetz: Wie betrifft es österreichische Unternehmen?

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Das EU-Lieferkettengesetz trat am 1. Januar 2023 in Kraft (CSDD-Richtlinie).

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Das Europäische Parlament hat am Mittwoch in Straßburg das neue EU-Gesetz über die Lieferketten von Unternehmen trotz einiger Widerstände - insbesondere aus der Wirtschaft - endgültig verabschiedet. Es sieht vor, dass große Unternehmen haften müssen, wenn sie außerhalb der EU beispielsweise von Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Einige österreichische Abgeordnete des Europäischen Parlaments hatten sich im Vorfeld sehr kritisch zu dem neuen Gesetz geäußert. Die endgültige Zustimmung des Rates (der Mitgliedstaaten) steht nach dem Parlament noch aus.

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Mit 374 Ja- und 235 Nein-Stimmen fand das Lieferkettengesetz am Mittwoch keine überwältigende Mehrheit. Es gab 19 Enthaltungen. Von den in Straßburg anwesenden österreichischen Abgeordneten lehnten die ÖVP (ausgenommen Othmar Karas, der sich enthielt) und die FPÖ ab. Die Abgeordneten der SPÖ und der Grünen stimmten zu. Die NEOS-Abgeordnete enthielt sich der Stimme.

Erst nach mehreren Anläufen konnten sich die EU-Staaten - gegen den Widerstand einiger Länder, darunter Österreich - im März auf einen gemeinsamen Kompromiss einigen. Das Ergebnis war jedoch eine deutliche Einschränkung des Geltungsbereichs der Richtlinie. Sah die Einigung zwischen den EU-Staaten und dem EU-Parlament noch vor, dass die Richtlinie für Unternehmen ab einer Größe von 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von 150 Millionen Euro gelten soll, so soll sie nun erst ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 450 Millionen Euro gelten.

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- © Industriemagazin

"Unternehmen haben eine Verantwortung"

Darüber hinaus sind ein risikobasierter Ansatz und die Erstellung von Übergangsplänen vorgesehen. Sanktionen können z.B. die namentliche Anprangerung oder die Verhängung von Bußgeldern in Höhe von bis zu 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens sein. Großunternehmen müssen zudem einen Plan aufstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele vereinbar ist.

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ÖVP-Mandatar Lukas Mandl begründete seine Ablehnung vor Journalisten in Straßburg damit, dass das Lieferkettengesetz "große Mengen an Verboten, Geboten und Berichtspflichten" enthalte. Betroffen seien "mitnichten nur große Unternehmen, da in die Lieferkette auch kleinere und mittlere integriert" seien. "Wir stehen ganz klar hinter dem Ziel, dass Menschenrechte und Umweltstandards entlang der Lieferkette eingehalten werden müssen. Grundsätzlich muss das die Aufgabe jedes Staates sein. Diese Verantwortung wird nun auf die Unternehmen abgewälzt. Dieses Lieferkettengesetz schafft vor allem eines: Bürokratie. Es besteht vor allem die große Gefahr, dass die formell von der Richtlinie erfassten Großunternehmen die Verpflichtungen auf ihre Zulieferer abwälzen und damit ein großer Teil unserer Klein- und Mittelbetriebe auch voll erfasst wird", kritisiert ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig.

EU-Parlaments Vize-Präsidentin Evelyn Regner, die das Dossier für den Sozialausschuss verhandelt hat, sagt hingegen: "Mit dem EU-Lieferkettengesetz leiten wir einen Paradigmenwechsel ein. In Zukunft müssen Unternehmen den Konsument:innen garantieren, dass Produkte unter fairen Arbeitsbedingungen und in Einklang mit Umweltschutz hergestellt werden. Wir machen klar: Unternehmen haben eine Verantwortung, so wie jede Privatperson auch."

Niemand möchte Produkte erwerben, die durch Kinder- oder Zwangsarbeit entstanden sind.
Wolfgang Katzian, Präsident von ÖGB und EGB

Wichtiges Signal vor den EU-Wahlen

"Gerade vor den Wahlen zum EU-Parlament im Juni ist das ein wichtiges Signal an die Bürgerinnen und Bürger der EU, dass ihre Forderungen ernst genommen werden. Die Menschen wollen, dass Menschen-, Arbeits- und Gewerkschaftsrechte nicht nur bei uns zuhause, sondern auch entlang unserer globalen Wertschöpfungsketten geschützt werden", sagt Wolfgang Katzian, Präsident von ÖGB und EGB, in einer Aussendung: "Niemand möchte Produkte erwerben, die durch Kinder- oder Zwangsarbeit entstanden sind."

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"Das Lieferkettengesetz ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer Wirtschaft, die allen Menschen ein gutes Leben ermöglicht - innerhalb der planetaren Grenzen. Am Jahrestag der Katastrophe von Rana Plaza haben wir nun endlich einen Schritt in Richtung mehr globaler Gerechtigkeit gesetzt", so auch Anna Leitner, Expertin für Ressourcen und Lieferketten bei GLOBAL 2000. Das Ja zum EU-Lieferkettengesetz wird auch von der Menschenrechtsorganisation Südwind und dem Netzwerk Soziale Verantwortung als wichtiger Grundstein für unternehmerische Sorgfaltspflichten und ausbeutungsfreie Lieferketten begrüßt.

Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer Österreich warnen vor einem "Bürokratiemonster, der durch das neue Gesetz entstehen könnte" und hoffen auf eine ressourcenschonende Umsetzung in Österreich. Dass KMU von den Pflichten ausgenommen werden sollen, sei "in der Praxis irrelevant", da sie als Zulieferer großer Firmen erst wieder verpflichtet würden, so die WKÖ in einer Aussendung. "Besonders für KMU sind die Bürokratie und Dokumentationspflichten schon jetzt schwer verkraftbar. Der administrative Aufwand und die Kosten für Verwaltungsvorschriften müssen bei der nationalen Umsetzung des Lieferkettengesetzes in Österreich so gering wie möglich gehalten werden", forderte Rosemarie Schön, Leiterin der Abteilung Rechtspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Die IV sieht in der heutigen Entscheidung "eine Bedrohung für den europäischen Standort im internationalen Wettbewerb". IV-Präsident Georg Knill warnt: "Was gut gemeint ist, ist nunmehr das Gegenteil von gut gemacht. Europa verliert damit erneut an Glaubwürdigkeit." Das Gesetz "zwingt Unternehmen, sich durch einen Dschungel an Bürokratie und Vorschriften zu kämpfen, was letztendlich dem Ziel der Nachhaltigkeit entgegenwirkt und lediglich europäische Unternehmen benachteiligt".

Europa verliert damit erneut an Glaubwürdigkeit.
IV-Präsident Georg Knill

Was regelt das EU-Lieferkettengesetz?

Das LKSG legt fest, wie Unternehmen die Einhaltung der menschenrechtlichen Pflichten überprüfen müssen. Dazu gehören die Analyse von Menschenrechtsrisiken, die Umsetzung von Präventiv- und Abhilfemaßnahmen und die Einrichtung von Beschwerdemechanismen. Darüber hinaus müssen die Unternehmen über ihre Aktivitäten Bericht erstatten, was zu mehr Transparenz beitragen soll.

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Wie viele österreichischen Unternehmen sind von LKSG betroffen?

In Österreich wären laut den Studienautorinnen nur etwa 0,06 Prozent der Unternehmen direkt von dem Vorhaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes in seiner jetzigen Form betroffen - laut Statistik Austria wären es genau 1.044 Firmen. Viele mehr könnten aber als Lieferanten größerer Konzerne vertragliche Sorgfaltspflichten auferlegt bekommen.

Mit solchen Forderungen könnten sich österreichische Unternehmen bereits verstärkt ab dem kommenden Jahr konfrontiert sehen - auch ohne EU-Richtlinie. Dann tritt nämlich in Deutschland, dem größten Handelspartner Österreichs, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft. Betroffene Unternehmen sowie ihre direkten Zulieferer müssen dann mit Bezug auf menschenrechtliche und umweltbezogene Fragen "ein Risikomanagement und eine Risikoanalyse implementieren, eine Grundsatzerklärung machen, Präventionsmaßnahmen setzen, ein Beschwerdeverfahren entlang der gesamten Lieferkette garantieren und darüber Bericht erstatten", wie es in der Studie zusammengefasst wird.

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Lieferkettengesetz 2023 wird sich auf KMUs auswirken

Das EU-Lieferkettengesetz 2023 verpflichtet alle Unternehmen zur Einhaltung umfangreicher Sorgfaltspflichten in Bezug auf Mensch und Umwelt in ihrer Wertschöpfungskette. Auf den ersten Blick scheint es, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und seiner Umsetzung als Unternehmen nicht betroffen sein werden.

Bereits jetzt seien heimische Firmen auf indirekte Art betroffen, wenn sie zum Beispiel dauerhafte ("etablierte") Beziehungen zu großen französischen Unternehmen haben, oder ihre Produkte in den Niederlande verkaufen wollen (hier allerdings nur mit Bezug auf Kinderarbeit). Zudem würden auch in Belgien, Dänemark, Finnland und Luxemburg entsprechende Lieferkettengesetz diskutiert. Auch in Österreich hat die aktuelle Regierung in ihrem Koalitionsprogramm eine "Prüfung zusätzlicher Maßnahmen zur Stärkung der unternehmerischen Verantwortung für Menschenrechte im Sinne der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen" angekündigt. Es gibt aber noch keines Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Österreich.

Solche Lieferkettengesetze können kleine und mittlere Unternehmen besonders stark treffen, auch wenn die meisten existierenden oder geplanten Gesetze in erster Linie größere Unternehmen anvisieren. "Zu den wichtigsten Auswirkungen von Sorgfaltspflichten für KMU zählt der relativ hohe Verwaltungsaufwand", schreiben die Studienautorinnen, "schließlich sind die Kosten pro Einheit für die Einhaltung der Vorschriften im Allgemeinen höher als für größere Unternehmen." Der EU-Vorschlag gehe bereits auf solche Bedenken ein und sehe Maßnahmen vor, um indirekt betroffene Unternehmen zu unterstützen.

Lesen Sie hier: EU-Parlament legt Position zu Lieferkettengesetz fest.

CSDD-Richtlinie
Das Europäische Lieferkettengesetz, das ab dem 1. Januar 2023 in Kraft tritt, verpflichtet die Unternehmen zum Schutz von Mensch und Umwelt entlang der gesamten Wertschöpfungskette. - © Adobe Stock

EU-Lieferkettengesetz: Aktueller Stand

Das neue Lieferketten-Richtlinie, die auch als CSDD-Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence) bezeichnet wird, ist bereits in Kraft getreten und das EU-Parlament legt seinen Standpunkt zum Gesetz über die Lieferkette fest.

Um Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards zur Profitmaximierung zu verhindern, müssen große europäische Unternehmen künftig die Produktionsbedingungen ihrer globalen Lieferanten einhalten. Ein wichtiger Faktor ist dabei die Unternehmensgröße. Die neuen Vorschriften sollen für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten sowie für den Finanzsektor gelten.

Was sind Lieferketten? Warum sind Lieferketten für die Globalisierung so wichtig? Welche Modelle könnten Lieferketten zukünftig ersetzen?
EU-Lieferketten-Richtlinien
EU-Lieferkettengesetz 2024: aktueller Stand in Österreich. - © aerial-drone - stock.adobe.com

Unternehmen ab 2024 verpflichtet zu entwaldungsfreien Lieferketten

Ab dem 31. Dezember 2024 müssen Unternehmen neue Sorgfaltspflichten im Hinblick auf entwaldungsfreie Lieferketten beachten, wie sie in der EU-Verordnung Nr. 2023/115 vom 31. Mai 2023 festgelegt sind. Diese Vorschriften wurden eingeführt, um dem fortschreitenden Waldverlust zugunsten landwirtschaftlicher Flächen entgegenzuwirken. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gehen bis zu 90 Prozent der weltweiten Entwaldung auf Rodungen für landwirtschaftliche Zwecke zurück. Besonders stark wird dieser Trend durch die steigende Nachfrage nach Produkten wie Palmöl, Soja und Kakao in den Verbraucherländern, einschließlich Europa, angetrieben. Die Verordnung trat am 29. Juni 2023 in Kraft und wird - nach einer Übergangszeit von 18 Monaten - ab dem 30. Dezember 2024 wirksam sein. Kleinere und mittlere Unternehmen haben bis zum 30. Juni 2025 Zeit, um die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen.

Sollten Unternehmen die Lieferkettenverantwortung übernehmen?

Österreichische Zulieferbetriebe sollten sich jedenfalls mit der Thematik der Lieferkettenverantwortung auseinandersetzen. Andernfalls würden sie riskieren als Lieferanten ausgelistet zu werden. Derzeit müssten sich die heimischen Betriebe allerdings teilweise an die Lieferkettengesetze mehrerer Länder gleichzeitig halten. Eine EU-weite Harmonisierung sei demnach aus österreichischer Sicht vorteilhaft.

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Verantwortung für die eigene Lieferkette zu übernehmen, könne für Unternehmen aber auch wirtschaftliche Vorteile haben. Neben einer besseren Reputation (mit entsprechenden Vorteilen bei der Personalakquisition und -motivation) könnten auch die Kapitalkosten sinken, weil Investorinnen und Investoren zunehmend auf Umwelt- und Menschenrechtsaspekte achten würden. Zudem könne ein stärkerer Fokus auf Sozial- und Umweltkriterien zu einem effizierten Ressourcenverbrauch führen und die Produkt- und Prozessinnovation fördern.

Das soll das Lieferkettengesetz künftig regeln. Das Lieferkettengesetz ist in Deutschland seit dem 1. Januar 2023 in Kraft. Auf EU-Ebene ist eine Richtlinie in Vorbereitung, die die Sorgfaltspflichten von Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit in der gesamten Lieferkette regeln wird. Die Rechtsanwältin und ESG-Expertin Lisa Urbas von PHH Rechtsanwält:innen erzählt über die Bedeutung von neuen Regeln für heimische Unternehmen in Zukunft.

Was genau ist in der neuen EU-Lieferketten-Richtlinie?

Im Detail sieht der Text des neuen Lieferkettengesetzes des EU-Parlaments vor, dass Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Gesamtumsatz von mehr als 40 Millionen Euro sowie Muttergesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Gesamtumsatz von mehr als 150 Millionen Euro unabhängig von ihrer Branche unter das Gesetz fallen, so die Pressemitteilung. Für Unternehmen mit einem Hauptsitz im Ausland gilt ein Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro, wenn mindestens 40 Millionen Euro in der EU erzielt werden.

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Nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz werden diese Unternehmen verpflichtet sein, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Menschenrechte und die Umwelt zu ermitteln und gegebenenfalls zu verhindern, zu verhindern oder abzumildern, so das EU-Parlament. Außerdem werden sie verpflichtet sein, die Partner in der Wertschöpfungskette zu überwachen und zu bewerten, wozu nicht nur die Lieferanten, sondern auch der Verkauf, der Vertrieb und der Transport gehören.

Strafen bei Verstößen gegen die EU-Richtlinien zur Lieferkette

Führungskräfte sind verpflichtet, das Geschäftsmodell und die Strategie ihres Unternehmens auf das Ziel auszurichten, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Das EU Parlament hält es für notwendig, Beschwerdemechanismen einzurichten und Informationen zur Sorgfaltspflicht auf der Unternehmenswebsite bereitzustellen.

Bei Verstößen der Vorschriften des Lieferkettengesetzes sollten Unternehmen mit Sanktionen der nationalen Aufsichtsbehörden rechnen können, beispielsweise mit Geldstrafen von bis zu fünf Prozent ihres weltweiten Nettoumsatzes. Nicht-EU-Unternehmen könnten von öffentlichen Aufträgen in der EU ausgeschlossen werden.