Supply Chain Management : Die Industrie bekommt ein Lieferketten-Forschungsinstitut

ASCII WIFO-Chef Gabriel Felbermayr, Infineon-Vorstandsvorsitzende Sabine Herlitschka, Arbeitsminister Martin Kocher Präsentation eines neuen Lieferketteninstituts Lieferketten Forschung

WIFO-Chef Gabriel Felbermayr, Infineon-Vorstandsvorsitzende Sabine Herlitschka, Arbeitsminister Martin Kocher präsentieren das neue Lieferketten-Forschungsinstitut.

- © APA/ROLAND SCHLAGER

Österreichs Industrie bekommt ein Forschungsinstitut für die Verlässlichkeit und Sicherheit ihrer Lieferketten: Mit insgesamt zehn Millionen Euro über fünf Jahre hinweg dotiert soll das "Supply Chain Intelligence Institute Austria" (ASCII) unter der Leitung des während der Corona-Pandemie zu Bekanntheit gelangten Komplexitätsforschers Peter Klimek drohende Engpässe frühzeitig erkennen. Auch wenn sich die Lieferketten der heimischen Industrie für global spurende Unternehmen wieder entspannt haben: Dass es um die Belastbarkeit von Produktions- und Logistiknetzwerken vielfach nicht so gut bestellt ist, wie oft vermutet, haben die Krisen der vergangenen Jahren eindrücklich gezeigt.

"Wenn man sich heutzutage ansieht, wie groß das Netzwerk zur Produktion eines Müsliriegels ist, befindet man sich schon tief im Bereich der Komplexitätsforschung" sagt Sabine Herlitschka, Infineon-Vorstandsvorsitzende und Vorsitzende des Beirats des neuen Instituts bei der Präsentation in Wien. Getragen wird die Einrichtung von den Gründungsorganisationen Complexity Science Hub (CSH) Vienna, dem Logistikum der Fachhochschule (FH) OÖ, dem Verein Netzwerk Logistik (VNL) und dem Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO).

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ASCII: Standorte in Steyr und Wien

Infolge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges war und ist die Verfügbarkeit von Rohstoffen, Verpackungsmaterial, Computerchips, wichtigen Einzelteilen für Autos, aber zuletzt auch von Medikamenten zurückgegangen. Die wirtschaftlichen Folgeschäden waren zum Teil weithin spürbar. Wie rasch sich das auf das konkrete Angebot in Supermärkten auswirken kann, zeige auch die aktuelle Knappheit bei Obst und Gemüse in Großbritannien, sagt Wirtschaftsminister Martin Kocher bei der Präsentation des neuen Institutes. "Wir haben hier tatsächlich ein Problem", so Kocher.

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Mit dem Fokus auf die Verbindung von Komplexitätsforschung, Ökonomie oder Logistik habe man die Voraussetzungen für ein "Vorzeigeinstitut" geschaffen. Europaweit gebe es derzeit nichts Vergleichbares, konstatierte auch WIFO-Direktor und ASCII-Präsident Gabriel Felbermayr. Österreich habe es hier geschafft, "schon vor der Kurve zu reagieren". Eine Biegung für das Wirtschaftssystem stelle nämlich auch der immer deutlichere Klimawandel dar, der die Lieferketten und Netzwerke weiter unter Druck setze und grundlegend verändern könne.

Mit der neuen Struktur - das ASCII wird vom CSH aus geleitet und erhält einen zweiten zentralen Standort im oberösterreichischen Steyr - wolle man auch Forscher aus dem Ausland anziehen. Auf europäischer Ebene gelte es, sich mit einem "stetigen Strom an Studien" Gehör zu verschaffen, in dem auch politische Maßnahmen, wie Lieferkettengesetze auf ihre tatsächlichen, möglicherweise auch unerwünschten Auswirkungen auf die Wirtschaft abgeklopft werden.

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Erster ASCII-Forschungsschwerpunkt: Halbleiter und Medikamente

Als erste Themen werde man die Abläufe rund um die weitreichenden Verknüpfungen bei Produktions- und Verteilungsprozessen von Mikrochips oder Medikamenten angehen, sagte Felbermayr. So habe sich in letzterem Bereich auch gezeigt, dass Flaschenhälse an ganz unerwarteten Stellen auftreten können, wenn etwa das Verpackungsmaterial für Medikamente fehlt, erklärte ASCII-Leiter Klimek. Er wird sich nun hauptsächlich um den Aufbau und Betrieb des neuen Instituts kümmern, bleibt aber auch weiter in reduziertem Ausmaß an der Medizinischen Universität Wien und am CSH tätig, wie er gegenüber der APA erklärte. Im Vollausbau soll die Einrichtung rund 15 Vollzeit beschäftigte Forscher umfassen, die in enger Kooperation mit den Gründungsmitgliedern arbeiten werden.

In der Pharmabranche seien die vergangenen Jahrzehnte der Globalisierung eigentlich eine starke Phase der "Konzentrierung" gewesen. Hier stelle sich die Frage, wo nun die Abhängigkeiten liegen, und wie ihnen mit dem Zurückholen von Produktion, mit Bevorratung, Veränderungen bei Medikamentenzulassungen, anderer Preisgestaltung und breiter aufgestellter Beschaffung begegnet werden kann. Es stehe nun auch viel Kleinarbeit, was die Aufbereitung und Beschaffung von Daten betrifft, an. Trotzdem möchte man bereits in den kommenden Wochen mit einer Studie zum Pharma-Sektor aufwarten, sagte Klimek, der die Analysen des ASCII öffentlich zugänglich machen wird.

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