CSDDD : Wird Lieferkettengesetz die Wettbewerbsfähigkeit bedrohen?

Europäisches Lieferkettengesetz steht unter Kritik

Das EU-Lieferkettengesetz stellt die Wirtschaft vor schier unlösbare Herausforderungen. „Gut gemeint nicht immer gut gemacht“, so die Kritiker des Gesetzes.

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Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), auch als EU-Lieferkettengesetz bekannt, steht plötzlich in der Kritik. Plötzlich deshalb, weil die Vorbereitungen für den EU-Beschluss dafür eigentlich schon länger laufen, das Thema bislang aber relativ wenig öffentliche Beachtung fand.

Nun aber, kurz vor dem Finale, mehrten sich die skeptischen Stimmen. Einige EU-Mitgliedsstaaten, einschließlich Österreich, sorgen sich, dass die Umsetzung mit erheblichem Aufwand verbunden sein könnte, was potenziell ihre Wettbewerbsfähigkeit bedrohen würde. Angesichts der gegenwärtigen Flut an Regulierungen ist dies zumindest das am häufigsten ins Treffen geführte Gegenargument, zumal die Skeptiker immer wieder darauf verweisen, dass ihnen soziale und ökologische Aspekte entlang der Lieferketten durchaus ein Anliegen seien. So bekennt sich etwa auch die Industriellenvereinigung (IV) zu nachhaltigem, verantwortungsvollem und zukunftsfähigem Wirtschaften.

Ein europäisches Gesetz müsse für die Unternehmen grundsätzlich aber anwendbar und umsetzbar sein: „Überschießende Anforderungen und ein Weiterreichen der Verantwortung von einer Lieferstufe auf die nächste ist ein wenig effektives Mittel, um Menschenrechte wirkungsvoll zu schützen und Umweltschäden zu vermeiden. Die Politik wälzt mit der aktuellen Ausgestaltung ihre bisherigen Versäumnisse auf die Unternehmerinnen und Unternehmer ab – sie sollen nun lösen, was internationale Institutionen über Jahre nicht erreicht haben“, so die Kritik von Christoph Neumayer, IV-Generalsekretär.

Der bürokratische Aufwand wäre den Unternehmen also in der aktuell beabsichtigten Form nicht zumutbar. So wird in der Diskussion auch häufig der sogenannte „Hausverstand“ bemüht, der eben diese Fülle an Aufgaben nicht mehr verstehen würde.

WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf
Vor allem für kleinere Unternehmen seien die Lieferketten nicht kontrollierbar, so WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf. - © Marek Knopp

Was ist zumutbar?

Jene, die sich darauf spezialisiert haben, die Lieferketten digital abzubilden sehen das naturgemäß etwas anders: „Es gibt bereits eine Technologie zur Darstellung und Evaluierung von globalen Lieferketten. CRIF hat diese seit 2020 weltweit erfolgreich im Einsatz. Der befürchtete Bürokratie-Aufwand ist mit der richtigen Technologie mehr als bewältigbar. Die Angst davor darf dieses wichtige Gesetz nicht gefährden“, erklärt Boris Recsey, Geschäftsführer von CRIF Austria.


Ob ein Aufwand nun zu bewältigen ist oder nicht, das hängt zumeist auch von der Perspektive derer ab, die ihn letztlich tatsächlich zu managen haben. Und hier sind es kleinere und mittlere Unternehmen, die sehr wohl damit überfordert sein könnten und die vielleicht auch wenig Lust darauf haben, wieder eine neue IT-Anwendung einzukaufen und zu implementieren. So ist es für den Generalsekretär der Wirtschaftskammer, Karlheinz Kopf, unverantwortlich, heimische KMU mit internationalen Risikoanalysen zu beauftragen: „Es ist für kleine Betriebe nicht kontrollierbar, ob entlang der Lieferkette möglicherweise der Zulieferer eines Zulieferers gegen Auflagen aus der Richtlinie verstößt“, so Kopf.

„Die Politik wälzt mit der aktuellen Ausgestaltung ihre bisherigen Versäumnisse auf die Unternehmerinnen und Unternehmer ab“, kritisiert Christoph Neumayer, IV-Generalsekretär.

- © IV/Philipp Horak

Was ist der Sinn der Zumutung?

Abgesehen von der Frage der Umsetzbarkeit gibt es auch noch die Sinnfrage, die kaum offen diskutiert wird, weil man sich natürlich nicht dem Vorwurf aussetzen möchte, dass man im Kongo Kinder in Kobaltminen der Ausbeutung preisgeben würde. Hier ist die Wirtschaft mit einer Gesinnungsethik konfrontiert, die den Konsumenten in Europa aber gerne vorenthält, dass es zwar schön und gut ist, Verstöße gegen die Menschenrechte und gegen die Umwelt aufzuzeigen und zu ahnden, diese Praxis aber unweigerlich dazu führen wird, dass wir dadurch noch fragilere Lieferketten haben werden und sich dies auch deutlich auf die Preise und schließlich die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen auswirken wird.


Dieser starken Gesinnungsethik steht eine Verantwortungsethik gegenüber, die jene Konsumenten überfordern könnte, die jetzt schon unter der hohen Inflation und den hohen Energiepreisen leiden. Niemand kann seriös voraussagen, in welchem Ausmaß die anstehenden Teuerungen von diesen Menschen noch mitgetragen werden.

So kann beispielsweise auch niemand sagen, ob in Zukunft noch viele aus solchen ethischen Erwägungen davon abzuhalten sind, sich ein billigeres chinesisches Elektroauto zu kaufen. Warum auch, waren es doch deutsche Automobilkonzerne, die mit Abgasmanipulationen wenig Engagement für die Umwelt gezeigt und den Durchbruch der Elektromobilität möglichst hinausgezögert haben.

Heute werden von deutschen Premiumherstellern hauptsächlich hochpreisige Elektro-SUVs produziert, die schon bei der Fertigung so energieaufwändig sind, dass sie ökologisch gegenüber dem fossilen Verbrenner kaum Vorteile bringen und eigentlich nur dazu dienen, um wie ein Nutzfahrzeug schwere Akkus durch die Gegend zu transportieren.

Mehr Demut statt Zumutung

Weshalb sollen die Konsumenten also nicht gleich auf die leistbare Ware aus Fernost umsteigen? Dann stellen sich die Fragen zum Lieferkettengesetz eines Tages von selbst nicht mehr. Denn auch hinsichtlich ethischer Standards am Arbeitsplatz wird man schwer argumentieren können, wenn etwa BMW die größte Fertigung in China hat und die Batterien der Elektrofahrzeuge ohnehin zum Großteil in China gefertigt werden. Die europäischen Hersteller haben sich mit ihren Lieferketten in eine Situation manövriert, die ihnen selbst beim besten Willen kaum Alternativen offen lässt, während die Konsumenten immer mehr Alternativen aus China, aus Indien, Vietnam etc. haben und haben werden.


Und womit sollen die europäischen Unternehmen letztlich ihre Lieferketten aufrechterhalten, wenn es für die Zulieferer der südlichen Halbkugel mit der Zeit ohnehin immer attraktiver wird, eben an Unternehmen außerhalb Europas zu exportieren, wo keine lästigen Fragen gestellt werden? Warum sollen sich diese Länder den Gängelungen und Maßregelungen der EU noch länger aussetzen? Noch dazu, wo die EU immer wieder selbst hinter ihren vollmundigen Ankündigungen zurückgeblieben ist und etwa hinsichtlich des Klimaschutzes nichts anderes als heiße Luft produziert hat. Die Europäer werden es spüren: Anders als damals bei den Ketten der Sklaverei lassen sich Lieferketten heute angesichts eurozentristischer Maßstäbe sehr einfach abschütteln.