Lieferketten : Lieferkettengesetz: Industrie gegen zu strenge Regeln

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IV-Präsident Knill: "Ein Gesetz, das nicht einhaltbar ist, ist kontraproduktiv"

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Beim umstrittenen Lieferkettengesetz der EU wird es schön langsam ernst. Gestern hat Lara Wolters, Chefverhandlerin des EU-Parlaments, den Berichtsentwurf dafür vorgelegt, heute, Freitag, sollen die Botschafter der EU-Länder ihre Positionen abstimmen. Wirtschaftsvertreter haben dies einmal mehr zum Anlass genommen, um vor einer zu strengen Umsetzung der Regeln gegen die Ausbeutung von Menschen und Umwelt zu warnen, denn dies wäre praxisfremd und kontraproduktiv.

"Es muss dabei sichergestellt werden, dass internationale Lieferketten nicht durch überschießende und realitätsferne Regelungen beeinträchtigt werden und so das unternehmerische Handeln nachhaltig beeinträchtigt wird, ", so die Industriellenvereinigung (IV) heute in einer Stellungnahme. Andreas Gerstenmayer, Chef des steirischen Leiterplattenhersteller AT&S, wird in der heutigen "Kleinen Zeitung" mit den Worten zitiert: "Mit dem derzeitigen Entwurf kommt eine realitätsferne Überregulierung auf uns zu, die die Gefahr birgt, das zugrunde liegende Ziel zu verfehlen. (...) Sublieferanten oder gar Kunden weiter zu kontrollieren, ist nicht machbar."

Und auch die IV betont, dass sichergestellt werden müsse, dass Unternehmen nur dort in die Pflicht genommen würden, wo sie auch einen direkten Einfluss auf ihre Lieferanten hätten. Außerdem müsse gewährleistet sein, dass die wesentlichen Elemente der Richtlinie in allen Mitgliedstaaten gleich umgesetzt würden.

IV-Präsident Georg Knill stellte heute klar: "Wir nehmen unsere Sorgfaltspflichten und Verantwortung entlang der Lieferketten als Industrie selbstverständlich wahr. Jedoch müssen auch die Rahmenbedingungen so ausgestaltet sein, dass sie praktikabel und im unternehmerischen Alltag für alle Unternehmen entlang der Lieferkette umsetzbar sind." Sein Resümee: "Ein Gesetz, das nicht einhaltbar ist, ist kontraproduktiv. Leider ist gut gemeint nicht immer gut gemacht."

In das gleiche Horn stößt auch Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf: "Es darf nicht passieren, dass unsere - im weltweiten Vergleich vorbildlichen - Unternehmen verantwortlich gemacht werden für Verfehlungen, die weit außerhalb ihres Einflussbereiches passieren. Ein österreichischer Betrieb kann gar nicht die ganze Wertschöpfungskette kontrollieren, das wäre absurd."

"Klimaschutz aktiv einfordern"

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 sieht das naturgemäß anders. Sprecherin Anna Leitner meinte heute: "Die Herausforderungen in Lieferketten und die Bekämpfung der Klimakrise machen eine neue Art des Wirtschaftens notwendig. Viele Konzerne übernehmen bereits Verantwortung in ihrer Lieferkette. Aber die Politik kann - auch im Sinne eines fairen Wettbewerbs - nicht länger auf freiwillige Beiträge der Unternehmen zum Klimaschutz hoffen, sondern muss Klimaschutz aktiv einfordern."

Laut einer Studie der FH Wien im Auftrag des Wirtschaftsministeriums wären nur etwa 0,06 Prozent der Unternehmen direkt von dem Gesetzesvorhaben in seiner jetzigen Form betroffen - nach Angaben der Statistik Austria wären es 1.044 Firmen. Viele mehr könnten aber als Lieferanten größerer Konzerne vertragliche Sorgfaltspflichten auferlegt bekommen.

Mit solchen Forderungen könnten sich österreichische Unternehmen bereits verstärkt ab dem kommenden Jahr konfrontiert sehen - auch ohne EU-Richtlinie. Dann tritt nämlich in Deutschland, dem größten Handelspartner Österreichs, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft. Betroffene Unternehmen sowie ihre direkten Zulieferer müssen dann mit Bezug auf menschenrechtliche und umweltbezogene Fragen "ein Risikomanagement und eine Risikoanalyse implementieren, eine Grundsatzerklärung machen, Präventionsmaßnahmen setzen, ein Beschwerdeverfahren entlang der gesamten Lieferkette garantieren und darüber Bericht erstatten", wie es in der Studie vom September 2022 zusammengefasst wird.

13.000 Firmen in EU betroffen

Mit dem geplanten EU-Lieferkettengesetz soll der Auslagerung von Arbeit an Billiglohnländer Rechnung getragen werden. Neben den Menschenrechten ist der Umweltschutz der zweite wichtige Aspekt - denn nur allzu oft landen die unter fragwürdigen Bedingungen hergestellten Produkte am Ende ihres Produktzyklus als Sondermüll in armen Ländern.

Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, die Einhaltung bestimmter Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen, im Umweltschutz und in der Korruptionsbekämpfung entlang ihrer gesamten Lieferkette zu überprüfen. Verstöße sollen sanktioniert und Produkte, die mit Zwangs- oder Kinderarbeit in Verbindung gebracht werden, sollen verboten werden. Das EU-Parlament hat bereits im März 2021 ein entsprechendes EU-Gesetz gefordert.

Geplant sind Regelungen, die dann für etwa 13.000 Firmen in der EU gelten würden. Erfasst sind Firmen mit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Nettojahresumsatz von mehr als 150 Mio. Euro. In Bereichen mit einem hohen Risiko für Verstöße gegen Arbeits- und Umweltstandards, etwa Textilindustrie, Bergbau oder Landwirtschaft, sollen die Vorschriften schon für kleinere Firmen gelten. Zudem könnte das Vorhaben rund 4.000 Unternehmen einbeziehen, die in der EU tätig sind, aber ihren Sitz nicht dort haben.