Deindustrialisierung wegen Öl und Gas Knappheit : Warnruf aus Kärnten: "Gaslücke bedroht die Industrie"

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WK-Präsident Jürgen Mandl fordert klare politische Entscheidungen.

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75% der Unternehmen sehen Deindustrialisierung als Gefahr

Eine Studie von Deloitte zu „Österreichs Industrie im Wandel“ in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Wirtschaftspolitik der WKO habe besorgniserregende Ergebnisse zutage gefördert: Drei von vier Unternehmen sehen die Gefahr der Deindustrialisierung in Österreich. Der Studie zufolge haben mehr als 40 Prozent der Unternehmen in den vergangenen drei Jahren bereits Maßnahmen ergriffen, um ihre Wertschöpfungskette an die verschlechterten Rahmenbedingungen in Europa und Österreich anzupassen.

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WK-Präsident Jürgen Mandl: „Wir müssen uns als Lebens- und Wirtschaftsstandort, dessen Wohlstand in hohem Maße vom weltweiten Export abhängt, bewusst sein, wie dünn das Eis ist, auf dem wir alle stehen: Die Unternehmen, die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter und der Staat mit allen seinen Aufgaben von der sozialen Absicherung über Gesundheit und Bildung bis zum erhöhten Sicherheitsbedürfnis – all das wird von unser aller Steuern und Abgaben finanziert, die wir großteils außerhalb von Österreich verdienen. Stockt der Export, stirbt das Land.“

Gefährdete Versorgungssicherheit: Herausforderung bei Gasinfrastrukturprojekten

Eines der Bedrohungspotentiale für die Wirtschaft ist für Mandl die Ankündigung der Ukraine, die mit Ende 2024 auslaufenden Gasdurchleitungsverträge mit Russland nicht zu verlängern. Dies stelle für Österreich, das trotz der offensichtlichen Gefährdung der Versorgungssicherheit durch den Krieg bisher keine Anstalten unternommen habe, die enorme Abhängigkeit rasch zu verringern, eine ernsthafte Herausforderung dar. "Denn während große Teile Europas die vergangenen beiden Jahre zum Aufbau von alter-nativen Energieinfrastrukturen genutzt haben, hat Österreich diese Umstellungsphase verschlafen."

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Die West-Austria-Gasleitung (WAG) verläuft seit 1980 auf 245 Kilometer Länge vom Gasknotenpunkt Baumgarten im Marchfeld bis nach Oberkappel an der deutschen Grenze. Ursprünglich war sie für den Gastransport von Ost nach West gedacht. Auf den letzten 40 Kilometern vor Deutschland, zwischen Oberkappel und Bad Leonfelden im oberösterreichischen Mühlviertel, soll die Leitung nun „geloopt“, also um ein Rohr in die Gegenrichtung ergänzt werden, um auch Gas von Nordeuropa in den Osten Österreichs transportieren zu können.

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Nachdem aber erst vor wenigen Wochen die Entscheidung für eine Unterstützung durch den Bund erfolgte, wird der Loop erst frühestens 2027 einsatz-bereit sein – Jahre zu spät, falls die Ukraine tatsächlich mit Anfang 2025 die Gasdurchleitung einstellt. Weiters verlangt Mandl die umgehende Aufnahme von Planungsarbeiten, wie die bestehende Trans Austria Gaspipeline, die ebenfalls von Baumgarten durch die Steiermark und Kärnten nach Italien führt, an die LNG-Terminals vor Venedig und der kroatischen Insel Krk angebunden werden kann.

Energieversorgung als Grundvoraussetzung

Eine der Herausforderungen der Energiewende ist Mandl zufolge der Umstand, dass die aktuellen Netzkapazitäten mit dem Zuwachs von erneuerbaren Energiequellen sowie der Elektrifizierung der Gesellschaft nicht Schritt gehalten haben. Ein leistungsstarkes Strom-netz mit ausreichender Kapazität sowie entsprechender Speicherkapazitäten in allen Ebenen würden die Kosten erheblich verringern, weshalb die Wirtschaftskammer entsprechende Netzinvestitionen seit langer Zeit einfordert. Mandl: „Das darf aber nicht wieder zehn Jahre dauern wie bei der Netzabstützung Villach. Land und Bund sind gefordert, entsprechende gesetzliche Vereinfachungen zu schaffen, damit solche Infrastrukturinvestitionen auch in überschaubaren Zeiträumen umgesetzt werden können, sonst wird die Energiewende in einer Flut von Beschwerden steckenbleiben.“

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So sei die Energiewende nicht zu schaffen. So machten Öl und Gas im Jahr 2022 mehr als 10.000 Gigawatt-stunden aus, Photovoltaik und Windkraft hingegen nur knapp 300. Herwig Draxler, Leiter der Wirtschaftspolitik: „Das ist der berühmte Tropfen auf den heißen Stein: Selbst eine Steigerung der Erneuerbaren Energie um 100 GWh pro Jahr würde bedeuten, dass Kärnten noch fast 100 Jahre für die Energiewende braucht.“

Der angestrebte ganzjährige Energiemix benötigt einen schnellen Ausbau der Windkraft für die Wintermonate. Die Wirtschaft fordert daher, in ähnlicher Geschwindigkeit wie im Bereich der Photovoltaik die Windkraft zu forcieren und die entsprechenden Verordnungen und Gesetze demensprechend zu adaptieren. "Die Energiewende ist ein Investitionsturbo, der Kapital, Tempo durch Entbürokratisierung und Mut für klare politische Entscheidungen braucht. Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ist die Grundlage unseres Wohlstandes – und dafür ist eine sichere, günstige Energieversorgung die Grundvoraussetzung", so Mandl.