Autoindustrie China : Huawei übernimmt: BMW und Audi verlieren im wichtigsten Markt an Kontrolle

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Huawei, bekannt für Smartphones und Tablets, übernimmt immer mehr das Steuer in der Autoindustrie – mit Software und Technik für den chinesischen Markt.

- © BMW

Weltweit steht kaum ein chinesisches Unternehmen so unter Beobachtung wie Huawei. Immer wieder werden dem Konzern Sicherheitslücken und mögliche Einfallstore für chinesische Staatsspionage vorgeworfen. 2019 machte der damalige und heutige US-Präsident Donald Trump Huawei offiziell zur Zielscheibe seiner China-Strategie: Per Dekret untersagte er amerikanischen Firmen, Technologie an das Unternehmen zu liefern. Praktisch über Nacht wurde der chinesische Tech-Gigant von der Nutzung des Google-Betriebssystems Android und US-amerikanischer 5G-Chips ausgeschlossen.

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Die US-Sanktionen zwangen Huawei zum Umbau seines Geschäftsmodells – Diversifikation lautete das Zauberwort. Die erst 2018 gegründete Sparte als Automobilzulieferer bot sich als Wachstumsmarkt und Kompensation für den erodierenden Export im Smartphone-Sektor an. Die automobile Zukunft ist softwaregetrieben, und genau dort liegt die Kernkompetenz des Unternehmens. Mit Displays, Chips und Softwarelösungen mischt Huawei in einem Bereich mit, der längst nicht mehr allein von klassischen Zulieferern wie Bosch oder Continental dominiert wird. 

Huawei bezeichnet sich offiziell noch als reiner Zulieferer – ein bewusst gewählter Titel, um Partnern nicht als direkter Konkurrent zu erscheinen und die Offenheit für vielfältige Kooperationen zu betonen. Doch diese Unterscheidung wird zunehmend zur Fassade. Denn wer das Betriebssystem liefert, die Sensorik steuert, das Nutzererlebnis gestaltet und eigene Verkaufsplattformen direkt im Fahrzeug verfügbar macht, überschreitet längst die klassische Rolle eines Zulieferers. Die Grenze zum Autohersteller wird immer durchlässiger – und stellt die gewohnte Rollenverteilung in der Branche grundlegend infrage.

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Huawei-Offensive im E-Auto: Wie der Tech-Konzern zum digitalen Herz moderner Fahrzeuge wird

Vom Elektromotor bis zum Fahrzeug-Radar, von der Bordsoftware bis zur Ladeinfrastruktur: Huawei liefert inzwischen fast alles, was ein modernes E-Auto braucht. Einst weltgrößter Smartphone-Anbieter, hat sich das Unternehmen in rasantem Tempo zu einem zentralen Spieler der Autoindustrie entwickelt. Selbst Ladesäulen stammen von Huawei – Energiemanagement zählt zur Kernkompetenz des Konzerns, ursprünglich entwickelt, um Mobilfunkantennen effizienter zu betreiben.

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Nicht aus Huaweis Hand stammen Batterien, Reifen, Sitze oder Karosserieteile – also all jene klassischen, nicht-digitalen Komponenten, die weiterhin aus der traditionellen Autoindustrie kommen. Bei allem Digitalen dagegen mischt Huawei mit – und setzt dabei auf drei Kooperationsmodelle.

Zum einen liefert der Konzern als Zulieferer einzelne IT-Hardwarekomponenten: etwa Lidar-Sensoren zur Abstandsmessung, Fahrassistenzsysteme oder Displays mit Augmented-Reality-Funktion, bei denen Warnhinweise und Navigationsdaten direkt ins Sichtfeld projiziert werden.

Darüber hinaus bietet Huawei mit dem „Huawei Inside“-Modell (HI) eine umfassendere Lösung an: Autohersteller, denen es an digitalem Know-how fehlt, können hier auf Komponenten und komplette Softwarepakete für autonomes Fahren, Datenmanagement und Cloudanbindung zurückgreifen – alles basierend auf Huaweis eigenem Betriebssystem HarmonyOS. Marken wie BAIC, Changan oder Dongfeng nutzen HI-Technik für ihre Premium-Modelle unter Namen wie Arcfox, Avatr oder Voyah.

Am engsten ist die Verzahnung bei der Harmony Intelligent Mobility Alliance (HIMA): Hier entwickelt Huawei gemeinsam mit Herstellern wie BAIC, Chery, JAC und Sokon komplette Elektroautos. Die Seres-Modelle der Sokon-Gruppe, die unter dem Markennamen Aito laufen, werden sogar direkt in Huawei-Stores verkauft – inklusive Präsentation und Kundenberatung durch den Konzern selbst.

Avatr 12: Das Elektroauto nutzt Huaweis „Huawei Inside“-Technologie (HI) für digitale Steuerung und Konnektivität. Produziert wird es von Changan in enger Zusammenarbeit mit Huawei.

- © Huawei

Aito-Erfolg: Wie Huawei die Machtverhältnisse in der Autoindustrie verschiebt

Aito gilt bislang als das erfolgreichste Kapitel in Huaweis Vorstoß in die Elektromobilität. 2024 lieferte die Marke fast 387.000 Fahrzeuge aus – nahezu eine Verdreifachung im Vergleich zum Vorjahr. Zeitweise überflügelte Aito damit sogar Li Auto und setzte sich an die Spitze der chinesischen E-Auto-Start-ups.

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Die neueste Variante, der Aito M8, feierte Ende April auf der Auto Shanghai Premiere – jedoch nicht am Stand des Herstellers Sokon, sondern auf dem von Huawei. „Wir designen die Autos, digitalisieren und automatisieren die Fabriken und betreiben Marketing und Vertrieb gemeinsam“, sagte dazu Carsten Senz, Vice President Corporate Communications bei Huawei Deutschland.

Am Beispiel von Aito wird deutlich, wie tief Huawei im Rahmen der Harmony Intelligent Mobility Alliance bereits in Planung, Produktion und Vermarktung eingreift. Die Rolle der Autohersteller reduziert sich dabei zunehmend – vorausgesetzt, die Fertigungsqualität stimmt, erscheinen klassische Autohersteller für Huawei austauschbar. Die gestalterische Hoheit wandert vom Autobauer zum Tech-Konzern – das wirtschaftliche Risiko für Fertigung und Verkauf jedoch liegt weiterhin bei den traditionellen Partnern.

Aito M9 auf der Automesse Shanghai: Das Modell entstand im Rahmen der Harmony Intelligent Mobility Alliance und wird von der Sokon-Gruppe in Zusammenarbeit mit Huawei produziert.

- © Huawei

Huawei-Deal mit BMW & Audi: Warum deutsche Autobauer auf Chinas Tech-Riese setzen

Zu Huaweis Partnern zählen längst nicht mehr nur chinesische Volumenhersteller wie BYD und Chery oder Staatskonzerne wie BAIC, Dongfeng und Changan. Auch Start-ups wie Sokon setzen auf Technologie aus Shenzhen. Inzwischen öffnen sich aber auch deutsche Autobauer der Zusammenarbeit mit dem Tech-Giganten.

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Auf der Automesse in Shanghai präsentierte Audi eine Langversion der Mittelklasselimousine A5 – exklusiv für den chinesischen Markt und erstmals ausgestattet mit Huaweis intelligentem Fahrerassistenzsystem. Schon 2018 hatten beide Unternehmen eine Absichtserklärung für eine strategische Kooperation im Bereich intelligent vernetzter Fahrzeuge unterzeichnet.

Auch BMW ging eine Partnerschaft mit Huawei ein. Mitte März kündigte der Münchner Konzern an, das Betriebssystem HarmonyOS in seine neue Elektroauto-Generation der sogenannten „Neuen Klasse“ zu integrieren – zumindest auf dem chinesischen Markt. Die Zusammenarbeit unterstreiche die zunehmende Ausrichtung von BMW auf das chinesische Technologie-Ökosystem, erklärte China-Chef Sean Green.

Rund ein Viertel der Nutzer mobiler Anwendungen in China verwendet laut Green Geräte von Huawei. Ziel der Kooperation sei es daher, die digitale Konnektivität im Fahrzeug zu verbessern – und insbesondere eine nahtlose Integration zwischen Huawei-Smartphones und BMW-Modellen zu ermöglichen. Denn für viele chinesische Kunden ist genau diese reibungslose Verbindung inzwischen ein zentrales Kaufargument.

Audi A5 auf dem chinesischen Markt: Ausgestattet mit Huaweis intelligentem Fahrerassistenzsystem.

- © AUDI

Huawei unter Druck – und trotzdem unverzichtbar: Warum deutsche Autobauer keine Wahl mehr haben

Dass deutsche Hersteller zunehmend auf Huawei-Technologie setzen, ist vor dem Hintergrund des eskalierenden Handelskonflikts zwischen China und den USA besonders bemerkenswert. Noch vor zwei Jahren hatte Richard Yu, damaliger Chef von Huaweis Automobilsparte, betont, dass westliche Unternehmen aufgrund der US-Sanktionen kaum mit Huawei kooperieren könnten.

Immer wieder wird dem Konzern vorgeworfen, technologische Hintertüren und Abschalteinrichtungen in kritische Infrastrukturen eingebaut zu haben. Grundlage dieser Bedenken ist auch das chinesische Nationale Sicherheitsgesetz von 2015, das inländische Unternehmen verpflichtet, mit staatlichen Stellen bei sicherheitsrelevanten Belangen zusammenzuarbeiten. Huawei weist die Vorwürfe regelmäßig zurück. Zuletzt geriet der Konzern jedoch erneut in die Kritik, als die belgische Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen versuchter Bestechung von EU-Parlamentariern aufnahm.

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Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass deutsche Hersteller ihre Partnerschaften mit Huawei bislang auf den chinesischen Markt beschränken. Eine Ausweitung auf andere Regionen wäre angesichts der geopolitischen Lage politisch brisant und wirtschaftlich riskant – zumindest vorerst.

Zudem haben deutsche Autobauer den Wandel zu E-Mobilität und digitaler Fahrzeugtechnologie lange vernachlässigt. Während in China längst Software, Konnektivität und Nutzererlebnis im Fokus stehen, hielten sie zu lange am Verbrenner und am klassischen Ingenieursverständnis fest. Heute zwingt der technologische Rückstand sie zur Kooperation mit Tech-Konzernen wie Huawei – nicht aus Überzeugung, sondern aus Notwendigkeit.

China dominiert: Warum deutsche Autobauer im wichtigsten Markt massiv unter Druck geraten

Denn mit rund 31 Millionen verkauften Fahrzeugen ist China unangefochten der größte Automarkt der Welt – weit vor den USA und der EU, die jeweils bei etwa 11 Millionen Fahrzeugen lagen. Jahrzehntelang profitierten deutsche Autobauer von dem Boom – China war ihre wichtigste Ertragsquelle. Doch der rasante Aufstieg der Elektromobilität hat das Kräfteverhältnis grundlegend verschoben: Volkswagen, BMW und Mercedes spielen plötzlich nur noch eine Nebenrolle.

2021 war Volkswagen noch Marktführer mit einem Anteil von 14,4 Prozent. Anfang 2025 liegt der Konzern bei nur noch 12,1 Prozent – während BYD mit 16,2 Prozent die neue Nummer eins ist. Auch BMW und Mercedes verlieren deutlich: BMW fällt von 3,8 auf 3,0 Prozent, Mercedes von 3,9 auf 2,7 Prozent. Und dennoch bleibt der Markt zentral: VW erwirtschaftet rund 40 Prozent seines weltweiten Umsatzes in China, Mercedes rund 33 Prozent, BMW knapp 29 Prozent. Kein anderer Markt ist für die deutschen Hersteller so wichtig – und zugleich so schwierig.

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2025 setzt sich der Trend ungebremst fort. Der chinesische Fahrzeugabsatz stieg im ersten Quartal um 12,5 Prozent – vor allem durch starke Verkäufe von BYD und Geely. Für die deutschen Marken hingegen ging es weiter abwärts: VW verlor sieben Prozent, Mercedes zehn, BMW sogar 17 Prozent. Bei Porsche fiel der Rückgang mit einem Minus von 42 Prozent besonders drastisch aus.

Um den technologischen Rückstand bei Software, Konnektivität und Elektromobilität aufzuholen, setzen deutsche Autobauer zunehmend auf Partnerschaften mit chinesischen Technologiekonzernen – allen voran Huawei. Trotz geopolitischer Spannungen, Sicherheitsbedenken und politischer Vorbehalte ist diese Zusammenarbeit längst keine strategische Option mehr, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Wer im größten Automarkt der Welt bestehen will, arbeitet notfalls auch mit sanktionierten Unternehmen zusammen – ob er will oder nicht.

Systemwechsel in der Autoindustrie: Wie Huawei zur treibenden Kraft der Mobilität wird

Huawei steht heute beispielhaft für eine tiefgreifende Transformation der globalen Automobilindustrie. Das Unternehmen ist längst nicht mehr nur ein Zulieferer von Komponenten und Software, sondern agiert als Systemanbieter und Ideengeber für die digitale Mobilität von morgen. Mit seinen umfassenden Technologien – von intelligenten Betriebssystemen über Sensorik bis hin zu Ladeinfrastruktur – verschiebt Huawei die Machtbalance in der Branche spürbar.

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Die Entwicklung führt dazu, dass die traditionellen Rollen innerhalb der Automobilwertschöpfung verschwimmen. Klassische Autobauer verlieren zunehmend die alleinige Kontrolle über die Fahrzeuggestaltung und digitale Funktionen. Stattdessen übernehmen Tech-Konzerne wie Huawei zentrale Steuerungsfunktionen – sie designen die Nutzererfahrung, entwickeln die Softwareplattformen und steuern wichtige Produktionsprozesse mit. Dadurch entsteht eine neue Form der Zusammenarbeit, bei der die Hersteller eher als Fertigungspartner fungieren, während Technologieunternehmen immer mehr die Innovationsführerschaft übernehmen.

Während Huawei vom digitalen Wandel profitiert, gerät insbesondere die Rolle deutscher Autobauer zunehmend unter Druck. Es stellt sich die unbequeme Frage, ob die Kooperation mit chinesischen Tech-Giganten wie Huawei tatsächlich zu einem Know-how-Transfer führen kann – diesmal nicht von Europa nach China, sondern in umgekehrter Richtung.

Huawei auf einen Blick

  • Gründung: 1987
  • Firmensitz: Shenzhen, China
  • Branche: Telekommunikation, Informations- und Kommunikationstechnologie, Elektronik, Automobilzulieferung
  • Mitarbeiter: Rund 210.000 weltweit (Stand 2024)
  • Umsatz: Ca. 125 Milliarden US-Dollar (Stand 2023)
  • Anteil Automobilgeschäft: Rund 10 % des Gesamtumsatzes (hauptsächlich durch Hardware- und Softwarelösungen für vernetzte Fahrzeuge)
  • Automobilgeschäft gestartet: 2018 mit Fokus auf Elektronik, Software und vernetzte Mobilitätslösungen
  • Kernprodukte im Automobilbereich:
    • Fahrerassistenzsysteme (Lidar-Sensoren, Kameras)
    • Infotainment-Displays mit Augmented Reality
    • Betriebssystem HarmonyOS für Fahrzeuge
    • Ladeinfrastruktur und Energiemanagementsysteme
  • Kooperationspartner: Zahlreiche chinesische Autohersteller (z.B. BYD, BAIC, Changan, Sokon), sowie deutsche Premium-Marken wie Audi und BMW.