Bezahlbare Elektromobilität : Günstige E-Autos aus China: "Chinesen wollen keine Billigheimer sein"

Bangkok,THAILAND - March 30 2023: BYD Auto Brand sign logo "Build Your Dreams" Automotive manufacturer company from China focus in EV Car Market in Thailand.

E-Auto News: Chinesische Modelle drängen immer stärker nach Europa. Aber haben die nur unwesentlich günstigeren E-Modelle made in China bei uns eine Chance?

- © Quality Stock Arts - stock.adobe

Seit Monaten sind große chinesische Frachtschiffe auf dem Weg nach Europa: Beladen mit Elektroautos aus der Volksrepublik. Unter anderem vom chinesischen Hersteller BYD ("Build Your Dreams"), der mit aggressiven Rabatten den Markt in China aufmischt. Die Riesenschiffe machen Eindruck, doch die Chinesen stehen erst am Anfang ihrer weltweiten Expansion. So wurden 2023 in Deutschland gerade einmal 34.000 E-Modelle aus China neu zugelassen. Die Zahlen dürfte aber in naher Zukunft weiter steigen, sind sich Auto-Experten einig.

>>> Die Krise der Elektromobilität: Sieger und Gewinner im Kampf um Absatzmärkte und Kunden

Fest steht: Bei vielen Autokäuferinnen und -käufern sitzt der Gürtel aufgrund der wirtschaftlichen Lage sehr eng. Und für den kleinen Geldbeutel haben die europäischen Hersteller nur wenig im Angebot. Der deutsche Automobilclub, ADAC, hat zu Jahresbeginn die 30 günstigsten Elektroautos aufgelistet. Dabei wurden Anschaffungs- und Betriebskosten berücksichtigt. Auf Platz 9 landete mit dem Opel Astra Electric der erste deutsche Vertreter: 41.990 Euro Grundpreis ohne Rabatte. Rechnet man noch die ausländischen VW-Töchter Cupra (Seat) und Skoda hinzu, stammen nur 8 der 30 Autos von deutschen Konzernen. Aber: Die Autos aus China sind waren in der Auswertung des ADAC noch nicht enthalten.

Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in Ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!

Folgen Sie uns doch für mehr News aus Österreichs Industrie auf unserem neuen WhatsApp-Kanal: einfach Code scannen und auf "abonnieren" klicken!

- © Industriemagazin

Heimvorteil für deutsche Auto-Bauer?

"Die deutschen Autobauer müssen sich im Heimatmarkt keine allzu großen Sorgen machen", glaubt Philipp Kupferschmidt, der bei der Unternehmensberatung Accenture im deutschsprachigen Raum für die Automobilindustrie verantwortlich ist. Denn wirklich billig sind die chinesischen Autos nicht. "Es ist der große Nachteil der chinesischen Autobauer, dass sie sehr selbstbewusst mit hohen Preisen in den Markt gegangen sind. Da haben sie sich massiv verschätzt", so der Branchenkenner. "Daher gibt es bei BYD inzwischen auch erhebliche Preisnachlässe." BYD hat beispielsweise den Dolphin als Konkurrenz zum VW ID.3 im Programm. Das Modell Atto ist eine Konkurrenz zum VW ID.4. Dabei sind die chinesischen Modelle nur wenige Tausend Euro günstiger als die von Volkswagen.

>>> EU will Voraussetzungen für Zölle auf chinesische E-Autos schaffen

Die schwierige Situation auf dem Elektroautomarkt habe den deutschen Anbietern eine Atempause verschafft, um Entwicklungsrückstände bei E-Mobilität, Software und Infotainment aufzuholen, so Kupferschmidt. Neben dem Wegfall der staatlichen Förderung haben auch die deutlichen Preissenkungen des Elektroauto-Platzhirsches Tesla für Verunsicherung im Markt gesorgt. Viele Käuferinnen und Käufer stellen sich die Frage: Was ist mein teures Elektroauto in ein paar Jahren noch wert?

>>> Bidirektionales Laden: Werden Autohersteller und Energiekonzerne nun Konkurrenten?

Bei den Deutschen sehen andere Experten allerdings noch eine offene Flanke: "Für viele Kunden ist es wichtig, dass man ein Auto für 15.000 bis 20.000 Euro kaufen kann", sagt Branchenexperte Frank Schwope, der Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Köln und Hannover lehrt. "Das bezahlbare Elektroauto aus China ist ja so etwas wie die große Hoffnung des deutschen Bürgers." Es sind zwar Autos zum Beispiel von VW geplant, die 25.000 oder irgendwann sogar nur 20.000 Euro kosten sollen. "Aber ob sie angesichts der Inflation jemals diese Marken knacken werden, ist fraglich", so Schwope.

Hoher Absatz mit erschwinglichen Modellen

Auch die Internationale Energie-Agentur (IEA) sieht in der Erschwinglichkeit einen wichtigen Faktor für die weitere Verbreitung von Elektroautos. Wie die IEA am Dienstag in Paris mitteilte, könnten steigende Exporte chinesischer Hersteller, die 2023 mehr als die Hälfte der weltweiten Verkäufe ausmachten, den Druck auf die Autopreise weiter erhöhen. Chinesische Unternehmen mit Produktionsstätten im Ausland hätten in Überseemärkten einen starken Absatz erzielt mit erschwinglicheren Modellen, die 2022 und 2023 auf den Markt gekommen seien.

>>> Auto-Experte Dudenhöffer: „Der Verbrenner ist für die nächsten hundert Jahre gesichert.“

In China waren nach Angaben der IEA im Jahr 2023 mehr als 60 Prozent der verkauften Elektroautos günstiger in der Anschaffung als die entsprechenden Modelle mit Verbrennungsmotor. Dagegen blieben die durchschnittlichen Kaufpreise für Autos mit Verbrennungsmotor in Europa und den USA günstiger. In den kommenden Jahren dürften die Preise der E-Modelle jedoch aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs und verbesserter Batterietechnologien sinken.

Laut Schwope könnte es sinnvoll sein, Kompaktfahrzeuge zu "vernünftigen Preisen" anzubieten. "Vor allem, da die chinesischen Hersteller hier angreifen werden und ihre Software und Batterietechnologie ausgereift ist." Nicht nur die Start-Ups, sondern auch die Massenhersteller sind dabei, den Sprung zu wagen.

Von den Chinesen wird auch in Europa nicht jede Marke überleben, aber fünf bis zehn dürften es schon bleiben.
Frank Schwope, Branchenexperte

"Chinesen wollen keine Billigheimer sein"

Chinas größter Autoexporteur Chery will noch in diesem Jahr Elektro- und Mittelklasse-SUVs in Europa über etablierte Händler anbieten. Die Frage, ob Elektroautos deutlich erschwinglicher werden, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Unter anderem wegen der Ladeprobleme könnte die Nachfrage nach Billigautos insgesamt zu gering sein, um durch Massenproduktion über Skaleneffekte günstige Preise zu erzielen, zeigt sich Accenture-Experte Kupferschmidt skeptisch.

>>> Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer: "Die Zeit der Chinesen ist gekommen"

"Chinesen werden in Westeuropa absehbar in den nächsten Jahren nicht der Retter für den kleinen Geldbeutel sein, sie wollen keine Billigheimer sein", sagt Kupferschmidt. Transportkosten, Marketing und Zölle würden ohnehin einen großen Teil des Vorteils niedrigerer Produktionskosten aufzehren. "Das könnte sich mit eigener Produktion in Europa aber etwas ändern", gibt Kupferschmidt allerdings zu bedenken. Chery hat vor Kurzem den Aufbau einer eigenen Produktion in Spanien bekannt gegeben. Zu diesem Zweck werden die Chinesen im Rahmen eines Joint Ventures ein ehemaliges Nissan-Werk in Barcelona beziehen. BYD wiederum plant, die Produktion in einem eigenen Werk in Ungarn aufzunehmen. Eigene Werke würden unterstreichen, dass man es ernst meine. "Von den Chinesen wird auch in Europa nicht jede Marke überleben, aber fünf bis zehn dürften es schon bleiben", sagt Schwope. "Mittel- bis langfristig könnten die 10 bis 15 Prozent der Marktanteile ergattern."

Die Zuversicht, mit eigenen Elektroautos in Deutschland mithalten zu können, ist in China groß. Und das nicht nur preisbedingt. "Ich glaube, dass chinesische Autos durchaus eine Chance haben, auf dem deutschen Markt erfolgreich zu sein", sagt Cui Dongshu, Generalsekretär des chinesischen Automobilverbands CPCA. Schließlich seien Modelle aus anderen Ländern in Deutschland schon lange auf dem Markt. Zudem sei für deutsche Autokäuferinnen und Autokäufer eine Gewöhnung an chinesische Fahrzeuge kaum erforderlich. Schließlich habe China die "automobilen Grundlagen" von Deutschland gelernt. Es gebe eine Verwandtschaft bei Produkt- und Designkonzepten. Und hinzu kämen auch die Vorteile Chinas bei der Innovation.

2024 jedes vierte verkaufte Fahrzeug in Europa mit E-Antrieb

Der Markt für Elektroautos wird sich auch im Jahr 2024 auf der ganzen Welt weiter positiv entwickeln. Das geht aus einem Bericht der Internationalen Energie-Agentur (IEA) hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Demnach sollen in diesem Jahr weltweit 17 Millionen Elektroautos verkauft werden, 20 Prozent mehr als 2023. Allein auf China entfallen davon 10 Millionen E-Autos - fast jedes zweite neu verkaufte Auto wird dort in diesem Jahr mit Strom fahren. In Europa wird 2024 immerhin jedes vierte verkaufte Auto mit Strom fahren.

>>> BYD überholt Tesla: Wie die günstigen chinesischen E-Autos bald auch Europa erobern könnten

Im ersten Quartal 2024 wurden weltweit bereits 3 Millionen E-Autos verkauft, 25 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Hier zeigt sich das Wachstum des globalen E-Automarktes: In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden etwa so viele Elektroautos verkauft wie im gesamten Jahr 2020, wobei der Großteil des Wachstums auf den chinesischen Markt entfällt. Auch abseits der großen E-Auto-Märkte (China, Europa, USA) sind die E-Auto-Verkäufe deutlich gestiegen, der Übergang zur Elektromobilität gewinnt laut IEA in immer mehr Ländern weltweit an Fahrt. So auch in Vietnam und Thailand, wo der Anteil von Elektroautos an allen verkauften Autos im vergangenen Jahr bei 15 Prozent bzw. 10 Prozent lag.

Mit den Zuwächsen im ersten Quartal knüpft die IEA an die Rekordwerte aus dem Vorjahr 2023 an. Für Europa rechnet die IEA damit, dass in diesem Jahr rund 3,5 Millionen Elektroautos verkauft werden und damit rund 10 Prozent mehr als 2023. Das vergleichsweise moderate Wachstum führt die Energieagentur auf eine allgemeine Abkühlung des europäischen Automarktes und das Auslaufen von Förderungen für Elektroautos in einigen europäischen Ländern zurück. Dennoch soll 2024 jedes vierte neu verkaufte Auto in Europa mit Strom fahren. In China soll bereits fast jeder zweite Neuwagen ein Elektroauto sein, in den USA jedes neunte.

Weltweite Verk?ufe 2026-2024: China, Europa, USA, Rest, Quelle: IEA; Die Auslieferung der APA-Grafiken als Embed-Code ist ausschlie?lich Kunden mit einer g?ltigen Vereinbarung f?r Grafik-Pauschalierung vorbehalten. Dabei inkludiert sind automatisierte Schrift- und Farbanpassungen an die jeweilige CI. F?r weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Grafik-Team unter grafik@apa.at. GRAFIK 0541-24, 88 x 100 mm
Weltweite E-Auto-Verkäufe zwischen 2016-2024: China, Europa, USA, Rest - © APA

Versechsfachung der Ladeinfrastruktur bis 2035 notwendig

Der Anteil von Elektroautos wird in den kommenden Jahren weltweit weiter steigen. Die IEA erwartet, dass hohe Investitionen in Produktion und Lieferketten, unterstützende regulatorische Maßnahmen und sinkende Kosten für Elektroautos und Batterieproduktion das Wachstum weiter vorantreiben werden. Die Energieagentur geht davon aus, dass bis zum Jahr 2035 jedes zweite weltweit verkaufte Auto elektrisch angetrieben wird, wenn die derzeitigen politischen Rahmenbedingungen beibehalten werden. Im Jahr 2035 könnten sogar zwei von drei verkauften Autos mit Strom fahren, wenn die bisher von den Regierungen weltweit angekündigten Klimaziele tatsächlich umgesetzt würden. In diesem Szenario könnten bis 2035 täglich 12 Millionen Barrel (je 159 Liter) Erdöl durch den Umstieg auf elektrisch betriebene Autos, Busse und Lastwagen eingespart werden, so die IEA.

>>> Wie der Super-Akku Elektro-Autos mehr Reichweite bringen soll

"Diese Verlagerung hat enorme Auswirkungen auf die Autoindustrie und den Energiesektor", sagte IEA-Direktor Fatih Birol. Aus dem Bericht der IEA geht hervor, dass die Auto- und Batteriehersteller bereits große Investitionen getätigt haben und dass die Produktionskapazitäten in den kommenden Jahren voraussichtlich ausreichen werden, um die steigende Nachfrage zu decken. In Europa und den USA bestehe noch Nachholbedarf, während Elektroautos in China oft schon günstiger seien als Verbrenner. Auch in Europa und den USA dürften die Preise in den kommenden Jahren durch steigende Exporte chinesischer Hersteller sinken. Entscheidend für den Umstieg auf Elektromobilität ist auch die Verfügbarkeit von öffentlichen Ladestationen. Um mit dem Wachstum der E-Autos Schritt zu halten, müsste sich laut IEA das Ladenetz bis 2035 weltweit versechsfachen. Zur Realisierung dieses Ausbaus ist auch ein entsprechender Ausbau der Stromnetze notwendig.

Der Markt für Elektroautos stagniert und das hat wohl einen Grund: Die Akzeptanz von Stromern am Markt wurde überschätzt – die tatsächliche Nachfrage nach E-Autos dürfte geringer sein, als selbst Experten in der allgemeinen Euphorie zu Beginn des Jahrzehnts angenommen haben. Oder anders ausgedrückt: Die Neugier am Markt ist befriedigt, die „Early Adopter“ haben zugegriffen, in der breiten Masse ist Elektromobilität noch nicht Mehrheitsfähig. Die schwache Nachfrage und die sinkenden Margen sind eine willkommene Verschnaufpause für Traditionshersteller, die mitten in der Transformation vom Verbrenner zu Elektro stehen. Mit ihren dicken Finanzpolstern können Sie auch jetzt noch den Hochlauf der E-Autoproduktion finanzieren, während hochverschuldete Startups dies unter hoher Zinsenlast stemmen müssen. Mit rentablen Verkäufen aus von Verbrennern und Hybriden können Sie die Milliarden, die derzeit in Forschung und Entwicklung der Batterietechnologie investiert werden, querfinanzieren. Das auf Skalierung setzende Geschäftsmodell der Elektro-Startups droht hingegen schon mit gleichbleibender Nachfrage in sich zusammenzufallen.