Elektromobilität : BYD überholt Tesla: Wie die günstigen chinesischen E-Autos bald auch Europa erobern könnten
Als Wang Chuanfu 1995 seine kleine Batteriefabrik in Shenzhen gründet, sind Chinas Straßen noch von dreckigen CO2-Schleudern dominiert. Fast 30 Jahre später ist das Land zum weltweit größten Markt für Elektroautos geworden. Und BYD ist dabei der große Gewinner.
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Anfangs produziert BYD nur Handyakkus. Doch schon bald erkennt Wang das Potenzial von Elektroautos. 2003 beginnt der chinesische Unternehmer mit der Entwicklung eigener Elektrofahrzeuge. Mit mehr als 520.000 verkauften Elektroautos im vierten Quartal 2023 hat Wangs Konzern mittlerweile sogar den US-Primus Tesla von der Spitze der weltweiten Verkaufszahlen verdrängt - eine Nachricht, die in der Branche für Erstaunen gesorgt hat. Über das Jahr gesehen hatten die Amerikaner allerdings noch die Nase vorn: Der US-Elektroautopionier um Elon Musk verkaufte im gleichen Zeitraum 484.507 Fahrzeuge an Endkunden. Tesla bleibt die Nummer eins bei Elektroautos auf dem Heimatmarkt USA, wo BYD nicht vertreten ist und mit hohen Importzöllen zu kämpfen hätte.
Was steckt hinter dem Erfolg von BYD?
BYD - Build your Dreams - stellt viele Teile selbst her und verkauft die eigenen Modelle zu einem günstigen Preis in verschiedenen Segmenten, wodurch sie eine große Anzahl von Kunden erreicht. Im Gegensatz dazu haben Tesla und andere Hersteller von Elektroautos versucht, Kunden über das teure Premiumsegment zu gewinnen. Laut Branchenexperte Zhong Shi wollten diese Marken nicht in das mittlere und untere Segment vordringen, da dort der Preiswettbewerb sehr stark sei. BYD ist laut dem Analysten die einzige Marke, die diese Segmente komplett abdecken kann. In China bietet BYD zum Beispiel Neuwagen zu einem Preis von umgerechnet rund 10.000 Euro an.
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Ein wichtiger Vorteil sind die Batterien. Sie sind die teuerste Einzelkomponente eines E-Autos. Wie Zhong erklärt, behalten die Shenzhener die Kostenkontrolle, weil sie diese selbst herstellen, während andere Unternehmen dafür auf Zulieferer zurückgreifen müssen. "BYDs eigene Batterien sind besser als die aller Wettbewerber, die Kosten sind niedriger und die Qualität ist nicht schlecht", sagt er. Andere versuchen auch, Batterien selbst zu bauen, aber BYD hat einen Wissensvorsprung. Zu den Kunden von BYD-Batterien gehören unter anderem Tesla und Toyota. Pekings Subventionen für die Industrie haben BYD auch Steuererleichterungen, den Kauf von billigem Land und die Einstellung billiger Arbeitskräfte ermöglicht.
BYDs eigene Batterien sind besser als die aller Wettbewerber, die Kosten sind niedriger und die Qualität ist nicht schlecht.Branchenexperte Zhong Shi
Volkswagen in China abgehängt
Neue Konkurrenten sind Technologiekonzerne. Xiaomi und Huawei haben durch Kooperationen mit anderen Unternehmen eigene Elektroautomodelle bzw. im Fall von Huawei eine Marke aufgebaut. Nach Einschätzung des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer könnten die bisherigen Autokonzerne dadurch zu reinen Fahrzeugherstellern werden, die nur noch Autos zusammenbauen, während die für das Auto wichtige Software von den Tech-Konzernen kommt. "Es sieht so aus, als würden wir Zeuge der größten Transformation der Branche", erklärte Dudenhöffer.
Der Autoexperte erwartet einen Rollentausch in der Branche. Er erklärte, dass ein Großteil der heutigen Autokonzerne die Autos nur noch zusammenbaue und zum Zulieferer für die Tech-Giganten werde. Diese wiederum stellten das Ökosystem und die Intelligenz des Autos bereit. "Blech biegen wird langweilig", schrieb Dudenhöffer.
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Auch Europas größter Autobauer Volkswagen bekommt zu spüren, dass BYD mit Billigpreisen den chinesischen Markt aufmischt. Über Jahrzehnte hinweg hatten die Deutschen in China die Nase vorn. In diesem Jahr hat BYD mit seinem rasanten Wachstum die Deutschen überholt. Auch weil ihre Elektroautos wie der ID.3 in China zunächst nicht gut ankamen. Die Folge: Um den Absatz anzukurbeln, musste VW die Preise für den ID.3 zwischenzeitlich deutlich senken.
"BYD wird in rund zehn Jahren Toyota ablösen", erwartet Dudenhöffer. Der japanische Konzern ist aktuell größter Autobauer der Welt.
Es sieht so aus, als würden wir Zeuge der größten Transformation der Branche.Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer
Eigentlich hatte VW-Konzernchef Oliver Blume zu Gunsten der Rendite auf Rabatte im großen Stil verzichten wollen. Doch die wählerischen chinesischen Käufer griffen schon vor den Preissenkungen lieber zu den heimischen Marken - nicht zuletzt, weil sie ihnen in Sachen Internetanbindung im Auto mehr zu bieten hatten. Für knapp 163.000 Renminbi, umgerechnet rund 20.800 Euro, ist der ID.3 derzeit in China zu haben. Rund 40.000 Euro kostet das Auto in Deutschland in der Grundausstattung.
Türöffner Europa: Ungarn
Doch China allein genügt BYD nicht mehr: Die Chinesen versuchen schon seit geraumer Zeit, auch im Ausland - und dazu gehört auch Europa - einen Fuß in die Tür zu bekommen. Einfach ist das jedoch nicht. In Nordamerika, dem zweitgrößten Automarkt der Welt, verhindern hohe Zölle von 25 Prozent und die Regelungen des Inflation Reduction Act der US-Regierung, dass die Chinesen den US-Marken Konkurrenz machen können.
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Erst letzte Woche ist die "BYD Explorer No. 1" in See gestochen. Das von BYD gecharterte Frachtschiff soll in Shenzhen anlegen. 7000 Autos sollten geladen und nach Europa gebracht werden. Aber auch in der EU drohen nun Strafen: Die EU-Kommission droht mit einer Anti-Subventions-Untersuchung, die den chinesischen Herstellern von Elektroautos das Geschäft vermiesen könnte. Lokalisierung heißt das Zauberwort. Experte Zhong sagt, BYD müsse seine Produktion nach Europa verlagern, ähnlich wie Volkswagen in China. Als Türöffner zum EU-Markt bauen die Chinesen derzeit eine Fabrik in Ungarn.
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Es könnte also durchaus sein, dass man schon bald mit BYD auf dem europäischen Markt rechnen muss. Die Chinesen hätten aber auch noch Hausaufgaben zu erledigen, so Zhong: Die Produkte von BYD seien gut, aber dem Unternehmen fehle das Know-how, um Autos für den internationalen Markt zu produzieren. Das Markenmanagement und die Fähigkeit, sich auf eine fremde Kultur einzulassen, seien schon immer mangelhaft gewesen, sagt Zhong.