Energie : EU: Österreich noch immer zu stark von russischem Gas abhängig

ABD0092_20220701 - HAIDACH - ?STERREICH: ++ THEMENBILD ++ ZU APA0091 VOM 1.7.2022 - Ein Teil der Gasspeicherstation Haidach bei Stra?walchen in Salzburg am Freitag, 01. Juli 2022. Russlands Staatskonzern Gazprom steht kurz davor, seine Nutzungsrechte f?r den Gasspeicher in Haidach (Salzburg) zu verlieren. - FOTO: APA/BARBARA GINDL

Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas liegt noch über dem EU-Durchschnitt

- © APA/BARBARA GINDL

Österreich hat keinen "klar definierten kurzfristigen Plan", um sich vollständig von russischen Gasimporten abzukoppeln, so die EU-Kommission. Der russische Einmarsch in die Ukraine habe gezeigt, wie anfällig die Energiesicherheit des Landes sei. Das erklärte die Brüsseler Behörde in einem Bericht zum Europäischen Semester. Österreich habe seine Abhängigkeit zwar verringern können. Sie liege aber immer noch deutlich über dem EU-Durchschnitt.

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Positiv hob die EU-Kommission hervor, dass der Anteil von russischem Gas an den Gesamtimporten in Österreich 2022 bei 57 Prozent lag - im Jahr davor waren es noch 80 Prozent. Dennoch stehe das Land noch vor "großen Herausforderungen" bei der Gewährleistung der Energiesicherheit, auch wenn die Bundesregierung etwa mit dem Aufbau einer strategischen Gasreserve gegengesteuert habe.

Die EU-Behörde kritisierte zudem, dass "das Potenzial für die Produktion und den Transport von erneuerbaren Gasen wie Wasserstoff noch nicht ausreichend genutzt" wird.

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Das Europäische Semester

Die EU-Kommission empfiehlt daher unter anderem, den Ausbau erneuerbarer Energien und der dafür notwendigen Infrastruktur zu beschleunigen, insbesondere durch eine Vereinfachung der Genehmigungsverfahren. Außerdem sollen die Energieeffizienz verbessert, die Emissionen vor allem im Verkehrssektor reduziert und der "grünen Übergang" in der künftigen Ausbildung stärker berücksichtigt werden.

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Darüber hinaus rät die EU-Kommission Österreich, die Energiebeihilfen bis Ende 2023 auslaufen zu lassen und die damit verbundenen Einsparungen für den Abbau des Staatsdefizits zu verwenden. Sollten neue Förderungen notwendig sein, müsse sichergestellt werden, dass diese auf besonders betroffene Haushalte und Unternehmen abzielen.

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Zu den Herausforderungen Österreichs zählen auch die ungenutzten Potenziale von Frauen, Geringqualifizierten, Älteren und Personen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels problematisch.

Energieministerin weist Kritik der EU-Kommission zurück

Beim Ausstieg aus der russischen Gasversorgung bis 2027 sieht Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) die Energiekonzerne in der Pflicht. "Mein nächster Schritt ist die Energieversorger an den Tisch zu holen", sagte Gewessler am Donnerstag bei einer Pressekonferenz zur Sanierungsprämie auf Journalistenfragen. Die Versorger müssten "einen Beitrag leisten" und ihre Ausstiegspläne vorlegen. Es könne nicht sein, dass die Politik das Risiko übernehme, wenn es schwierig werde.

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Der Anteil der Gasimporte aus Russland sei von März 2022 bis Dezember 2022 von 80 auf 50 Prozent gesunken, wies Gewessler die Kritik der EU-Kommission zurück. Im März 2023 seien aber wieder 79 Prozent der Gasimporte aus Russland gekommen. Der Anteil schwanke "monatlich ziemlich stark", sagte die Energieministerin. "Wir sind noch nicht am Ziel, wir sind noch nicht über den Berg."

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Gewessler hat von Ex-OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss und Ex-E-Control-Chef Walter Boltze ein Konzept für den Ausstieg aus dem russischen Gas ausarbeiten lassen und Ende April präsentiert. Die Ministerin will die Energieversorger bei der Speicherung von nicht-russischem Gas stärker in die Pflicht nehmen und Teile des OMV-Gasgeschäfts in die Staatsholding ÖBAG ausgliedern. Außerdem soll sich Österreich Gasmengen der OMV in Norwegen und Rumänien samt Transportkapazitäten sichern. Dies ist allerdings noch nicht regierungsintern abgestimmt.

Energieministerin Leonore Gewessler: "Wir sind noch nicht am Ziel, wir sind noch nicht über den Berg."

- © APA/ROLAND SCHLAGER

Konkret sehen die Pläne der Ministerin vor, dass österreichische Energieunternehmen die Verpflichtung übernehmen, nicht-russisches Gas für die Stromversorgung in Speichern vorzuhalten. Dafür erhalten sie staatliche Unterstützung, allerdings keine volle Kostendeckung. Schon heute sind die Energieunternehmen zur Bevorratung von Gas für ihre geschützten Kunden verpflichtet, dies soll nun auch für das für die Stromerzeugung benötigte Gas der Fall sein.

Laut Boltz müssten die Unternehmen rund zehn Terawattstunden speichern, unterm Strich müsste Österreich 60 Prozent des Jahresgasbedarfs gespeichert haben. Allerdings könne das Gas nicht zur Gänze in Österreich gespeichert werden. Dafür seien die Speicherkapazitäten zu gering. Der Gasvorrat sollte jedenfalls für sechs Monate ausreichen.

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Um Gas aus Rumänien und Norwegen zu sichern, müssten entsprechende Transportkapazitäten gebucht werden. Dies soll durch eine Gesellschaft erfolgen, die von der Bundesregierung beauftragt wird.

Beim Gas aus Rumänien geht es um das Schwarzmeerprojekt "Neptun". OMV-Chef Alfred Stern will bis zu zwei Milliarden Euro in das Projekt investieren, sagte er im Mai. Eine Entscheidung solle spätestens 2023 fallen, kündigte Stern damals an. Vier Jahre später könnte das erste Gas fließen.

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Bei der Übertragung des OMV-Gasgeschäfts an die ÖBAG sollen die bestehenden Verträge mit dem russischen Energiekonzern Gazprom ausgenommen werden. Doch das dürfte nicht der einzige Haken an der Rückverstaatlichung sein. Denn bei der OMV hat nicht nur der Staat das Sagen, der über die ÖBAG nur einen Anteil von 31,5 Prozent hält. 24,9 Prozent gehören der MPPH (Mubadala Petroleum and Petrochemicals Holding Company) mit Sitz in Abu Dhabi, der Rest ist Streubesitz.

Die Idee einer Verstaatlichung der OMV-Gashandelstochter OGMT ist nicht neu und wurde bereits im Dezember des Vorjahres von Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss und dem jetzigen OMV-Chef Alfred Stern ventiliert. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) als Eigentümervertreter der ÖBAG reagierte damals zurückhaltend. Er werde sich nicht in das operative Geschäft der OMV einmischen, sagte Brunner Ende des Vorjahres.

Südöstlich der Schlangeninsel im Schwarzen Meer liegt das Gasfeld Neptun

- © Google Maps

Erdgas so billig wie seit Sommer 2021 nicht mehr

Die Gaspreise in Europa sind auf dem niedrigsten Stand seit fast zwei Jahren. Am Donnerstag notierte der richtungsweisende Terminkontrakt TTF zur Lieferung in einem Monat an der Amsterdamer Börse bei 25,80 Euro pro Megawattstunde (MWh). So billig war Erdgas zuletzt im Juni 2021. Experten begründeten die Entwicklung unter anderem mit einem Überangebot und wollten nicht ausschließen, dass der Preis weiter sinkt.

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Der europäische Erdgaspreis befindet sich seit Ende des vergangenen Jahres in einem Abwärtstrend. In der Spitze wurde im vergangenen Sommer ein Rekordpreis von über 300 Euro pro MWh gezahlt. Der Lieferstopp für russisches Gas hatte Ängste vor einer Energiekrise geschürt.

Lob für Wirtschaftsdaten

Österreichs gesamtstaatliches Defizit sank von 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2021 auf 3,2 Prozent im Jahr 2022, die Staatsverschuldung von 82,3 Prozent des BIP Ende 2021 auf 78,4 Prozent Ende 2022. Die EU-Kommission ist nun zu dem Schluss gekommen, dass das Defizitkriterium "nahe am Referenzwert erfüllt ist. Ziel sei eine Neuverschuldung von 1,6 Prozent und eine Schuldenquote in Richtung 70 Prozent der Wirtschaftsleistung bis 2026, erklärte Finanzminister Brunner zuletzt.

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Die EU-Kommission überprüft regelmäßig die Wirtschafts-, Haushalts- und Sozialpolitik der Regierungen und gibt gezielte Hinweise für Korrekturen. Dieses so genannte Europäische Semester soll dazu beitragen, die Politik der EU-Staaten zu koordinieren. Ziel ist die Vermeidung von zu großen Haushaltsdefiziten und Schuldenbergen, aber auch von Reformstaus.

Die Maastricht-Grenzen von maximal drei Prozent Defizit und 60 Prozent Gesamtverschuldung sollen eingehalten werden.