Milliardeninvestition in neues Chipwerk : AT&S Chef Gerstenmayer zu TSMC-Chipfabrik in Dresden: Subventionen sind keine Geschenke

Industriekongress 2022; Credit: Matthias Heschl

Andreas Gerstenmayer: Förderungen notwendig für eigene Halbleiter-Industrie in Europa

- © Industriekongress 2022; Credit: Matthias Heschl

Das Chipunternehmen TSMC wird sich für mehrere Milliarden Euro in Dresden ansiedeln. Am Dienstag wurde die Entscheidung für den Standort Dresden getroffen. Gemeinsam mit den Partnern Bosch, Infineon und NXP wird TSMC das Werk in einem Joint Venture betreiben. An dem Joint Venture sollen die Partner mit jeweils zehn Prozent beteiligt sein, berichtet das Manager Magazin.

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Nach Informationen aus Regierungskreisen ist auch die Förderung durch die Bundesregierung in trockenen Tüchern. Die Bundesregierung habe zugesagt, den Bau der Anlage mit fünf Milliarden Euro zu unterstützen, hieß es. Die Mittel werden aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung bereitgestellt. Parallel dazu stockt TSMC seine Investitionen auf.

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Im deutschen Dresden wird TSMC ein neues Werk errichten

- © Wikipedia

Zwei weitere Ansiedlungen in Deutschland

Von Seiten der deutschen Bundesregierung wurde die Ansiedlung von TSMC als enorm wichtiges Signal gewertet. Das Unternehmen sei Markt- und Technologieführer und ein „wichtiger Puzzlestein“, um in Deutschland ein Halbleiter-Ökosystem entstehen zu lassen. Auch für den Investitionsstandort Deutschland sei dies ein gutes Zeichen.

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Der taiwanesische Chipkonzern investiert nach eigenen Angaben knapp 3,5 Milliarden Euro aus eigenen Mitteln. Jeweils rund 500 Millionen Euro entfallen demnach auf die drei anderen Partner. Zusammen mit der Bundesförderung beläuft sich das Gesamtvolumen dann auf rund zehn Milliarden Euro.

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Mit üppigen Subventionen ist es der Bundesregierung zuletzt gelungen, zwei US-Hersteller ins Land zu locken: Intel investiert in Magdeburg und kassiert dafür 9,9 Milliarden Euro vom Staat. Für eine halbe Milliarde Euro baut Wolfspeed eine deutlich kleinere Fabrik im Saarland. TSMC will in Dresden vor allem Chips für die Automobilindustrie produzieren. Das Unternehmen hat dort bereits ein entsprechendes Grundstück erworben.

Unabhängigkeit von China

In den vergangenen Monaten hatte sich vor allem das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) verstärkt um TSMC bemüht. Habecks Ziel ist es, Europa und Deutschland unabhängiger von China zu machen. Der deutsche Vizekanzler befürchtet einen möglichen Angriff Chinas auf Taiwan, bei dem die Volksrepublik die Lieferung von Mikrochips als Erpressungsmittel einsetzen könnte - ähnlich wie es Russland mit Erdgas gemacht hat.

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Eine Weiterentwicklung der Fabrik zur Herstellung von Chips mit noch kleineren Strukturgrößen habe der Konzern bereits in Aussicht gestellt, hieß es in Regierungskreisen. Bislang haben die Taiwaner ihre Chips vor allem in der eigenen Heimat und in China produzieren lassen. Derzeit sind sie dabei, große Fabriken in Arizona zu bauen. Erstmals investiert TSMC auch in Japan. Auch hier gibt es massive staatliche Unterstützung.

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Ein stärkeres Engagement der EU fordert derweil AT&S-Chef Andreas Gerstenmayer. Denn es hat nicht nur mit dem Chipcluster Dresden zu tun, dass sich TSMC ausgerechnet in Deutschland ansiedelt. Es hat auch damit zu tun, dass kleinere EU-Länder wie Österreich nicht in der Lage sind, ausreichend Fördermittel zur Verfügung zu stellen. Die Förderungen kommen zu einem großen Teil aus den nationalen Budgets. Gerstenmayer: „Wichtig wäre ein europäischer Fonds, um die Chipbranche zu unterstützen. Denn derzeit können sich nur große EU-Länder wirklich Subventionen in Milliardenhöhe leisten.“

Eines der wichtigsten Unternehmen weltweit

In technologischer Hinsicht gilt TSMC als Vorreiter. In der Gruppe werden die weltweit fortschrittlichsten Fertigungstechnologien beherrscht. Die Chips mit den kleinsten Strukturen entstehen in den Fabriken der Taiwanesen. Mehr als 12.000 verschiedene Produkte stellt der Konzern in fast 300 unterschiedlichen Prozessen her. Mehrere hundert Kunden werden beliefert. An den Finanzmärkten - auch von Starinvestor Warren Buffett - wird die Bedeutung von TSMC längst anerkannt. „In der Chipindustrie spielt niemand in ihrer Liga“, lobte der US-Milliardär kürzlich das Unternehmen. TSMC sei eines der wichtigsten Unternehmen der Welt.

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Chipfabriken sind mit enormen Fix- und Energiekosten verbunden. Aus diesem Grund waren Ansiedlungen in Europa in der Vergangenheit eher selten, weil sie sich als nicht rentabel erwiesen haben. Doch mit der geopolitischen Wende hat sich die Sicht der Politik geändert, so dass immer öfter staatliches Geld zur Schließung der Investitionslücke in die Hand genommen wird.

Eine mögliche Ansiedlung in Dresden hatte der Chiphersteller bereits vor Monaten angekündigt. Regierungsinsider berichten, dass der Konzern daraufhin im Vergleich zu anderen Unternehmen ungewöhnlich intensiv alle Faktoren geprüft habe. Anders als bei den Subventionsverhandlungen mit Intel für das Werk in Magdeburg sei TSMC zurückhaltend gewesen, sowohl mit Forderungen an die Politik als auch mit Vorfestlegungen zur Ansiedlung.

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Es sei bereits im Frühsommer absehbar gewesen, dass TSMC einen Bedarf von rund fünf Milliarden Euro von der Bundesregierung haben würde. Vor allem aus der Investitionslücke ergibt sich die Höhe der Subventionen.

Das Unternehmen sei Markt- und Technologieführer
TSMC: Eines der wichtigsten Unternehmen der Welt. - © TSMC

Endgültige Prüfung in Brüssel

Sobald der TSMC-Vorstand grünes Licht gibt, könnte das Unternehmen eine Absichtserklärung mit der Bundesregierung unterzeichnen. Auf diese Weise ist die Bundesregierung bereits mit Intel verfahren.

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Die EU-Kommission müsste dann endgültig über die Förderung entscheiden. Die Förderung von TSMC soll im Rahmen des europäischen Chips Act erfolgen, der es den Nationalstaaten erlaubt, deutlich höhere Subventionen zu gewähren, als dies nach EU-Recht normalerweise der Fall ist. Die endgültige Entscheidung über die Förderung liegt dann aber doch in Brüssel. Es wird erwartet, dass diese Prüfung mehrere Monate in Anspruch nehmen wird.

Die 43 Milliarden aus dem Chips Act können nur der Anfang sein.
Andreas Gerstenmayer, AT&S

Die EU hat sich viel vorgenommen. Bis zum Ende des Jahrzehnts will die Brüsseler Kommission den Anteil Europas an der weltweiten Chipproduktion mehr als verdoppeln. Derzeit liegt er unter zehn Prozent, soll aber auf 20 Prozent steigen. Um dies zu erreichen, hat sie mit dem "Chips Act" Subventionen in Höhe von 43 Milliarden Euro möglich gemacht.

Doch nach Ansicht von Branchenvertretern reichen die staatlichen Zuschüsse bei weitem nicht aus. „Die 43 Milliarden aus dem Chips Act können nur der Anfang sein“, sagte der CEO des Chipzulieferers AT&S, Andreas Gerstenmayer, dem Handelsblatt. „Wir müssen noch eine Null hinten dranhängen, damit wir mit dem Rest der Welt mithalten können.“ Der börsenotierte Konzern aus Österreich ist unter anderem Zulieferer von Apple.

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Vorstandsvorsitzender Gerstenmayer verteidigt die Förderungen in Milliarden-Höhe: „Die Subventionen sind keine Geschenke an unsere Branche. Vielmehr werden damit Wettbewerbsnachteile ausgeglichen, die wir in Europa bei Löhnen, Energie und Steuern haben.“ Die Industrie würde also über kurz oder lang Europa verlassen, wenn es keine staatlichen Subventionen gäbe.

Tatsächlich ist es unrealistisch, dass sich Europa eines Tages selbst mit Chips versorgen kann. Ondrej Burkacky, Halbleiterexperte bei McKinsey, sagt dazu: „Europa ist aktuell sehr weit weg davon, bei Chips autark zu werden. Dafür wären 60 zusätzliche Halbleiterfabriken allein für die Front-End-Fertigung notwendig.“ Bei dem Front-End handelt es sich um das Herzstück der Chipproduktion. Zumindest aber kann Europa mit den geplanten Fabriken Schlüsselindustrien wie die Autoindustrie zuverlässiger beliefern, so die Hoffnung der Politik.

Für AT&S-Chef Gerstenmayer ist Europa - abgesehen von den Subventionen - übrigens kein so schlechter Standort, wie oft behauptet wird. „In den USA zu investieren ist nicht unbedingt die bessere Wahl. Denn der Fachkräftemangel ist dort mindestens so schlimm wie bei uns.“