Elektromobilität : BMW Steyr: Milliarden-Investition für E-Autos

Seit 40 Jahren werden im BMW-Werk in Steyr Verbrennungsmotoren hergestellt. Ihren 50er werden sie hier wohl nicht mehr erleben.

Seit 40 Jahren werden im BMW-Werk in Steyr Verbrennungsmotoren hergestellt. Ihren 50er werden sie hier wohl nicht mehr erleben.

- © BMW-Group

Das BMW-Werk in Steyr soll bis 2025 groß in die Fertigung von Elektromotoren einsteigen. 600.000 E-Motoren sollen jährlich vom Band rollen. Die BMW-Gruppe investiert bis 2030 eine Mrd. Euro in den Standort, an dem auch ein neuer E-Motor entwickelt werden soll. Freilich werden weiterhin in großem Stil Verbrennungsmotoren produziert - denn auch wenn die EU ein Verbot ab 2035 auf den Weg bringt, so sind andere Weltregionen langsamer.

Im BMW-Werk in Steyr werden seit 40 Jahren Verbrennungsmotoren für Autos der Marken BMW und Mini entwickelt und gebaut. Derzeit hat laut Unternehmen jedes zweite BMW-Fahrzeug einen Motor made in Steyr. Im Vorjahr wurden 1,1 Mio. Stück gefertigt, rechnete BMW-Steyr-Geschäftsführer Alexander Susanek vor, davon 350.000 Diesel, der Rest Benziner, von denen einige auch in Plug-in-Fahrzeugen Verwendung finden.

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Elektromobilität ist längst in unserem Arbeitsalltag angekommen.
Fritz Steinparzer, Leiter des Entwicklungsstandorts Steyr

High-Performance-Antrieb von BMW

Für E-Autos wurden in Steyr bisher nur Gehäuse produziert. Das soll sich nun ändern: Ab 2025 sollen hier Elektromotoren entwickelt und gebaut werden. Mitte 2024 will man mit einer Vorserie beginnen, der Produktionsstart ist 2025 vorgesehen. Sukzessive sollen dann 600.000 Elektromotoren jährlich gefertigt werden. Zu den bisher vier Montagelinien, auf denen Benzin- und Dieselmotoren gebaut werden und die vorerst auch erhalten bleiben, kommen zwei weitere für Elektro-Antriebe dazu.

In Steyr will man eine neue E-Motor-Generation entwickeln. Technische Details des "High-Performance-Antriebs" werden noch nicht verraten, nur die Investitionen: "Allein für den Bereich Entwicklung werden wir in den kommenden Jahren 230 Mio. Euro in die Hand nehmen", so Susanek, zudem werden 730 Mio. in den Ausbau des Standorts fließen. Bis 2030 soll etwa die Hälfte der 4.400 Beschäftigten im Bereich E-Mobilität tätig sein, von den rund 700 Entwicklern sogar der Löwenanteil von 90 Prozent. Die Mitarbeiterzahl soll mittelfristig stabil bleiben, es werde aber zu Umschichtungen in Richtung Elektro kommen. Der Schritt "von einem reinen Verbrennerstandort in Richtung E-Mobilität zu gehen", werde Produktion und Standort langfristig absichern, ist Susanek überzeugt.

Auch wenn sich die Elektromobilität rasch entwickle, gehe er davon aus, "dass wir in den kommenden Jahren noch auf hohem Niveau auch den Verbrenner produzieren werden". Denn nicht auf der ganzen Welt werde die Transformation gleich schnell vonstattengehen. Es würden auch nach 2035 noch Verbrennungsmotoren gebraucht werden "und wir haben dann zwei solide Standbeine".

"Programm 25"

Aufgrund der weltweit steigenden Nachfrage nach Elektro-Antrieben setzt das BMW-Werk in Steyr ab sofort konsequent auf Transformation. Mit dem Zukunftsplan „Programm 25“ werden bis zum Jahr 2025 wichtige Maßnahmen gesetzt, um den Standort und die Beschäftigung langfristig abzusichern. Wesentlich dabei: Parallel zur anhaltend hohen Auslastung bei den klassischen Verbrennungsmotoren, werden auch neue Projekte im Bereich der Elektromobilität am Standort umgesetzt.

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Noch in diesem Jahr erfolgen die inhaltliche Neuausrichtung des Entwicklungszentrums und die Erweiterung der Produktion von E-Antriebsgehäusen. Im Zuge des Transformationsprogramms werden zudem wichtige Meilensteine in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit gesetzt und gleichzeitig auch die Kernkompetenzen im Bereich der klassischen Antriebe weiter gestärkt.

„Trotz der veränderten Rahmenbedingungen haben wir das klare Ziel im Werk Steyr auch in Zukunft der führende Antriebs-Standort der BMW Group zu bleiben. Aktuell können wir aus einer Position der Stärke agieren. Gerade deshalb ist es wichtig, in den nächsten Jahren die entscheidenden Weichen zu stellen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig abzusichern“, so Dr. Alexander Susanek, Geschäftsführer der BMW Motoren GmbH.

Im Beisein von Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer wurde das Programm 25 am Montag auf der Baustelle der neuen Produktionshalle der Öffentlichkeit vorgestellt. „Die Pläne des BMW Group Werk Steyr sind ein wichtiges Signal, dass Welt-Konzerne auf den Standort Oberösterreich vertrauen – und das zu Recht. Dass ein Schwerpunkt auf den Zukunftsbereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit liegt, ist doppelt erfreulich. Damit werden Arbeitsplätze und Beschäftigung im Land langfristig abgesichert“, betont Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer.

Die Pläne des BMW Group Werk Steyr sind ein wichtiges Signal, dass Welt-Konzerne auf den Standort Oberösterreich vertrauen – und das zu Recht.
Thomas Stelzer, Landeshauptmann Oberösterreich.

Bekenntnis zum Standort Oberösterreich

Ein Hauptaugenmerkt des "Programm 25" liegt darauf, zusätzliche Aufträge der BMW Group nach Steyr zu holen. Im Bereich der Diesel- und Benzin-Motoren wird künftig auch die bereits Ende 2020 angekündigte Verlegung der Produktion von München nach Steyr für eine hohe Auslastung sorgen. „Zusätzlich dazu wollen wir in Zukunft verstärkt Produktions- und Entwicklungssaufträge im Bereich der Elektromobilität übernehmen. Dafür bewerben wir uns intensiv innerhalb unseres Unternehmens“, erklärt Susanek. Außerdem wird das Werk die Digitalisierung in Produktion, Entwicklung und Verwaltung massiv vorantreiben. So werden Prozesse beschleunigt und dadurch die internationale Wettbewerbsfähigkeit gesichert.

Für den verstärkten Fokus auf das Thema Elektromobilität arbeitet das Entwicklungszentrum aktuell an einer Neuausrichtung. Damit einher geht auch eine Umbenennung: vom „Dieselmotoren-Entwicklungszentrum“ zum „Entwicklungsstandort Steyr“. „Einerseits verfolgen wir weiterhin eine konsequente Optimierung des Verbrennungsmotors. Insbesondere die Euro-7 Abgasnorm fordert dazu intensiven Entwicklungsaufwand. Gleichzeitig haben wir in unserer Organisation den Bereich Elektromobilität neu verankert. Und das ist auch notwendig, denn Elektromobilität ist längst in unserem Arbeitsalltag angekommen“, erklärt Fritz Steinparzer, Leiter des Entwicklungsstandorts Steyr. Mit Ende letzten Jahres waren rund 700 Mitarbeiter im Entwicklungszentrum tätig, davon etwa 15 % für Elektromobilität. Dieser Anteil wird in den kommenden Jahren deutlich steigen.

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Im Beisein von Karl Nehammer bauen Auszubildende des BMW-Werkes in Steyr einen Rotor in den E-Motor ein.

- © WEKA Industriemedien

Elektro-Herz aus Steyr

Die BMW Group forscht an verschiedenen elektrischen Antriebseinheiten für unterschiedliche Fahrzeug-Baureihen. Bereits 2020 hat das Entwicklungszentrum in Steyr damit begonnen, die Entwicklung von elektrischen Antriebseinheiten zu übernehmen. Der Fokus liegt aktuell auf den Elektro-Antrieben für volumenstarke, kleinere Fahrzeug-Baureihen. Damit wird Entwicklungsarbeit aus Steyr in eine besonders hohe Stückzahl an Fahrzeugen einfließen. Die Tätigkeiten werden in diesem Bereich heuer sukzessive ausgebaut und umfassen ein breites Feld: Die hochintegrierten Antriebseinheiten der BMW Group bestehen unter anderem aus dem Elektromotor, dem Getriebe und dem Gehäuse.

In Sachen Kühlung für vollelektrische Fahrzeuge ist der Entwicklungsstandort Steyr bereits länger aktiv: „Alle vollelektrischen Fahrzeuge der BMW Group, die ab jetzt auf den Markt kommen, sind mit einer Gesamtfahrzeugkühlung ausgestattet, die in Steyr entwickelt worden ist“, so Steinparzer. Die Aufgaben in diesem Bereich sind umfassend: Sie beinhalten unter anderem die Konzeption und Simulation des Kühlkreislaufs, die Konstruktion der Komponenten und die Entwicklung von Softwarefunktionen zur Regelung des Kühlsystems. Die Herausforderung liegt dabei darin, dass die Batterie viel Hitze abgibt, aber nur in einer sehr schmalen Temperaturspanne optimal betrieben werden kann. Der Kühlkreis muss also punktegenau und zuverlässig regulieren. Doch auch der Elektro-Antrieb und die Steuergeräte müssen gekühlt werden. In all dem steckt Innovationskraft und Know-how aus Steyr.

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CO2-frei bis 2025

„Nachhaltigkeit ist für uns im BMW Group Werk Steyr nicht nur produktseitig der größte Treiber des aktuellen Transformationsprozesses, sondern auch ein wichtiger Anspruch an die Produktionsbedingungen“, zeigt Susanek ein weiteres Handlungsfeld des Programm 25 auf. Bereits heute bezieht der Standort seine Energie zu 80 % aus regenerativen Quellen. Beim Strom sind es sogar 100 %. Alexander Susanek: „Doch das ist uns nicht genug: Als Leitbetrieb wollen wir hier voran gehen und unseren gesamten Energiebedarf bereits 2025 zu 100 % aus regenerativen Quellen beziehen!“

Damit folgt das Werk in Steyr den Klimazielen der BMW-Group: Bis 2030 sollen die CO2-Emmisionen bei BMW um mindestens 40 Prozent sinken - von den Rohstoffen der die Lieferketten, die Produktion, die Nutzung bis hin zum Recycling. Bereits im Vorfeld der UN Klimakonferenz 2021 hatte die BMW Group die „Business Ambition for 1.5°C“ unterzeichnet. Das Unternehmen bekennt sich zudem zu den Pariser Klimazielen und der vollständigen Klimaneutralität bis 2050.

Letztes Jahr hat die BMW-Group weltweit über 2,5 Mio. Fahrzeuge verkauft, rund acht Prozent mehr als 2020. 103.855 der verkauften BMW und Mini entfielen auf batteriebetriebene Modelle. Damit konnte sich der Anteil gegenüber 2020 um mehr als 133 Prozent steigern. Der Anteil an allen verkauften E-Modellen lag 2021 bei 4,1 Prozent.

Fachkräfte aus Linz?

Schon heute arbeiten rund 700 Ingenieure im Werk in Steyr - hauptsächlich in der Entwicklung von Verbrennern. Bis 2030 sollen 90 Prozent der Ingenieure im Segment der E-Antriebe tätig sein. Um- und Ausbildungen sind entsprechend notwendig. Liefern könnte diese Fachkräfte in Zukunft die neue Technische Universität in Linz - die TU für Digitalisierung und digitale Transformation. Ab 2023/2024 sollen 5.000 Studierende am Standort der Keppler-Universität ihre Lehre beginnen können.