Konjunktur : IWF-Gipfel: Düstere Aussichten
In nahezu allen großen Ländern muss der Währungsfonds seine bisherigen Erwartungen deutlich nach unten korrigieren. Noch im Januar ging der IWF davon aus, dass die Weltwirtschaft 2022 um 4,4 Prozent wachsen werde. Nun rechnet er anlässlich seiner Früjahrstagung, die bis Sonntag dauert, bloß noch mit einem Plus von 3,6 Prozent.
Österreichs Wirtschaftswachstum könnte sich heuer durch den Ukraine-Krieg ebenfalls viel stärker als bisher gedacht einbremsen. Während Wifo und IHS Ende März noch mit 3,9 bzw. 3,6 Prozent realem BIP-Anstieg gerechnet haben, halten die Berater von PwC laut mehreren Szenarien eine Abschwächung auf bis zu 2,3 oder sogar 2,0 Prozent für möglich. Anfang des Jahres sind von den meisten Forschungsinstituten noch über 4 Prozent prognostiziert worden.
Am stärksten bricht die Wirtschaft wegen der Sanktionen in Russland selbst ein. Statt einem Wachstum erwartet der IWF dort einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 8,5 Prozent im laufenden Jahr. Aber auch in anderen Staaten sehe man deutliche Auswirkungen. In Europa, China, Indien, den USA – überall korrigiert der IWF seine Erwartungen nach unten.
Besonders betroffen ist Europa. In der Euro-Zone werde das Wachstum im laufenden Jahr nur noch 2,8 Prozent betragen. Noch deutlicher fällt das Minus in Deutschland aus: Um 1,7 Prozentpunkte auf 2,1 Prozent korrigiert der Währungsfonds seine Schätzung für das deutsche BIP nach unten.
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Gas-Boykott weiter Thema
Es wird erwartet, dass auch russische Regierungsvertreter an der Führungsjahrtagung und den parallel stattfindenden Treffen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) teilnehmen werden.
Im Vorfeld war überlegt worden, ob westliche Regierungen deshalb die Treffen boykottieren. Doch man hat sich dagegen entschieden. Eine gemeinsame Abschlusserklärung der G20-Finanzminister wird es aber nicht geben. Eine Einigung mit Russland ist nicht möglich. Ob der IWF ein Kommuniqué nach dem Treffen veröffentlichen wird, ist noch offen. Die Finanzminister der westlichen Staaten wollen in Washington jedenfalls Moskau scharf kritisieren und auf die globalen Folgen des Krieges hinweisen.
Was allerdings noch unter den westlichen Regierungsvertretern diskutiert werden dürfte, ist die Frage nach einem Öl- und Gasembargo gegen Russland. Einen Lieferstopp für Erdöl haben die USA bereits verhängt. Auch die EU arbeitet daran, hat aber noch nicht alle Mitgliedstaaten überzeugt.
Ein Gasembargo scheitert hingegen vor allem am Widerstand Deutschlands, dem sich auch Österreich anschließt.
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Europa von Sanktionen besonders betroffen
Dabei geht allerdings mehr als die Hälfte des Schadens auf Russland selbst zurück. Dort würde das BIP neben der ohnehin scharfen Rezession bis 2027 noch einmal um 15 Prozent niedriger ausfallen. Für die EU läge das Minus in diesem Jahr bei minus drei Prozent gegenüber dem Szenario ohne Embargo. Es gebe daher „sehr bedeutsame Abwärtsrisiken“ für die Euro-Zone, sagte IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas.
Neben Produktionsausfällen durch fehlendes Öl und Gas würde der Schaden aus höheren Preisen resultieren. Die weltweite Inflationsrate würde laut IWF in den nächsten zwei Jahren durch ein Embargo um einen Prozentpunkt höher ausfallen. Durch die wirtschaftlichen Schäden würde die Teuerung allerdings schon 2024 unter der prognostizierten Rate ohne Lieferstopp liegen.
Für das Szenario ohne Embargos hat der IWF seine Inflationsprognose bereits erhöht. Für die Industrieländer sagt der IWF eine Teuerung von 5,7 Prozent im laufenden Jahr voraus, das sind 1,8 Prozent mehr als noch im Januar erwartet.
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Baustelle Corona bleibt
Die konjunkturellen Auswirkungen des Kriegs sind erst ansatzweise abzusehen, da baut sich bereits die nächste Gefahr auf. Chinas Null-Toleranz-Politik in der Coronapandemie bedroht erneut die Weltwirtschaft.
Das asiatische Land kämpft im Moment mit einer Infektionswelle, die es bislang noch nicht gesehen hat. Die Staatsführung setzt dabei darauf, bei einzelnen Coronafällen ganze Viertel abzuriegeln. In der Vergangenheit hatte das schon zahlreiche globale Lieferketten einbrechen lassen, weil Rohstoffe und Vorprodukte aus China nicht produziert wurden und nicht geliefert werden konnten. Aktuell ist vor allem Schanghai betroffen. Die Metropole ist seit Ende März abgeriegelt. Etwa 25 Millionen Menschen wurden angewiesen, zu Hause zu bleiben.
Auswertungen des IfW der Schiffsbewegungen an den chinesischen Häfen zeigen, dass das erneut erhebliche Auswirkungen auf die Lieferketten haben dürfte. Die Exporte aus dem Hafen von Schanghai sind in den vergangenen Tagen eingebrochen und liegen etwa 30 Prozent unter der Entwicklung anderer Häfen Chinas. Sollten wieder diverse Lieferketten aufgrund von Chinas Covid-Politik zusammenbrechen, wäre der Schaden für die Weltwirtschaft erheblich.
2021 war der Schiffsverkehr durch die Pandemie erheblich belastet, insbesondere durch das Gebaren in China. Viele Schiffe konnten nicht an ihren Zielorten anlanden, weil sich an den Häfen die Lieferungen stauten. Geschlossene Häfen in China sorgten für Überlastungen an anderen Orten. Weltweit stauten sich die Frachter vor den Containerhäfen.
Laut den IfW-Daten gibt es nun wieder allen Grund zur Sorge. Der Anteil der Güter, der sich auf stehenden Schiffen und nicht direkt in den Häfen befindet, liegt mit knapp zwölf Prozent schon jetzt fast so hoch wie zu Spitzenzeiten 2021.
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