Kostendruck : Inflation und Teuerung – status quo, Ausblick und was jetzt geschieht

Stefan Bruckbauer, Chef-Ökonom der Bank Austria

Bank Austria, Bank Austria: Der Krieg in der Ukraine habe zu einer weiteren Beschleunigung der Rohstoffpreise geführt, die die Teuerung noch stärker angeheizt habe.

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Die höchste Inflation in Österreich seit den frühen 80ern und steigende Kosten, die Industriebetriebe zunehmend unter Druck setzen. Eine eigens eingerichtete Kommission tagt erstmals am 25. April zum Thema der Teuerung im Land. Auch Optionen von Gegenmaßnahmen, mit den jeweiligen Vor-und Nachteilen, sollen dabei besprochen werden.

Fraglich ist, ob eine erste "Lagebesprechung" Ende des Monats die schnelle Hilfe bringt, die Unternehmen jetzt bereits brauchen. Die Branchen Industrie, Gewerbe und Handwerk, sowie Transport und Verkehr fordern eine spürbare Kostenentlastung. "Die Lage wird zusehends prekär: Ich kann mich nicht erinnern, dass unsere Betriebe jemals mit so vielen Problemlagen gleichzeitig konfrontiert gewesen wären", sagte Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk. Sie fordert eine Steuergutschrift als Teilersatz für die erhöhten Treibstoffkosten, um für eine Entlastung durch eine Treibstoffrückvergütung zu sorgen.

Industrie-Sprecher Sigi Menz will die Einrichtung eines Dekarbonisierungsfonds. Zusätzlich fordert die Branche eine Entschädigungslösung für betroffene Unternehmen, falls es bei einer Energielenkung zu Enteignungen von bestehenden Gasvorräten oder vertraglich zugesagten Mengen kommt.

Industrie sowie Gewerbe und Handwerk sprechen sich für steuer-und sozialversicherungsfreie Einmalzahlungen für die Arbeitnehmer im Zuge der KV-Verhandlungen aus. "Enorme Lohnerhöhungen würden die Betriebe zusätzlich belasten, das gilt es unbedingt zu vermeiden", so Menz und Scheichelbauer-Schuster.

Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der WKÖ, tritt für einen eigenen Gewerbediesel ein. "Die Betriebe der Transportbranchen zählen zu den Hauptbetroffenen der explodierenden Energiekosten. Hier muss es eine Entlastung in Form eines Gewerbediesels geben", so Klacska. Konkret fordert er, die Mineralölsteuer für gewerblich genutzten Diesel auf das in der EU zulässige Mindestmaß zu senken, so wie dies auch Deutschland mache.

Wie geht es weiter mit der Teuerung?

Entlastung ist jedenfalls nicht in Sicht. Die hohe Teuerung dürfte sich in den kommenden Monaten weiter beschleunigen und sich erst ab der zweiten Jahreshälfte 2022 wieder verlangsamen. Die Ökonomen der Bank Austria erwarten Werte über der Marke von 7 Prozent. In Österreich dürfte die Inflationsrate im März laut Schnellschätzung der Statistik Austria mit 6,8 Prozent den höchsten Wert seit November 1981 erreicht haben. Ende des Jahres sehen die Experten immer noch eine Teuerung von über 4 Prozent im Jahresvergleich.

"Wir gehen von einem durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise um 5,9 Prozent im Jahr 2022 aus und trotz der Auslösung von diversen Zweitrundeneffekten von einem spürbaren Rückgang der Inflation 2023 auf 2,3 Prozent", sagte Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer. Der Krieg in der Ukraine habe zu einer weiteren Beschleunigung der Rohstoffpreise geführt, die die Teuerung noch stärker angeheizt habe.

Die gestiegenen Kosten für Unternehmen führen oft zu Kurzarbeit. Hier liegt die Zahl derzeit mit 170.000 Personen recht hoch. Die geleisteten Arbeitsstunden pro Erwerbstätigen liegen in Österreich um rund 8 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. In der Industrie liegt dieser Rückgang bei 2 Prozent, ebenfalls relativ niedrig ist er mit 4 Prozent am Bau.

Der Konjunkturindikator der Bank Austria ist im März auf den niedrigsten Wert seit einem Jahr gesunken. Zwar führte die Lockerung der Pandemiemaßnahmen die österreichische Wirtschaft im ersten Quartal zurück auf Wachstumskurs, doch Russland-Sanktionen und hohe Energiepreise werden das Erholungstempo vor allem im zweiten und dritten Quartal 2022 dämpfen, so die Prognose der Ökonomen. Unverändert halten sie dennoch für 2022 ein Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent für möglich. 2023 wird ein BIP-Anstieg in Österreich von 2,6 Prozent erwartet.

Österreichs Wirtschaft ist voriges Jahr real um 4,5 Prozent gewachsen, von dem starken coronabedingten Einbruch im Jahr 2020 hatte sie sich aber noch immer nicht erholt. Das Wirtschaftswachstum wurde nahezu von allen Sektoren getragen, erklärte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas, "besonders durch die Industrie, Bergbau, Herstellung von Waren mit plus 9 Prozent, durch den Handel mit plus 7,3 Prozent, oder auch durch die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, zu denen zum Beispiel auch Beratung, aber auch die Leiharbeit gehört, mit plus 7,7 Prozent". Unter anderem besonders die Industrie lag im vierten Quartal deutlich über dem Vorkrisenniveau.

Unangenehme Erinnerungen

Die aktuell hohen Inflationszahlen lassen bei manchen wieder Erinnerungen an die 1970er- und 1980er-Jahre wach werden. Die Ölpreiskrisen 1973 und 1979/1980 ließen die Teuerung weltweit in die Höhe schießen. Die Notenbanken versuchten damals, die Inflation mit hohen Leitzinsen zu bekämpfen. Für die Börsenexpertin Monika Rosen ist die aktuelle Inflationslage aber nicht mit damals vergleichbar.

"Wir leben in einer andere Welt. Der Anteil des Erdöls an der globalen Wirtschaftsleistung ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken", sagte Rosen. Auch der Aufstieg der Technologieunternehmen und die Globalisierung hätten die Teuerung seit den 1990er-Jahren gedämpft. Für Rosen ist die Coronapandemie inklusive Lieferkettenprobleme und der Ukraine-Krieg ein "Doppelschlag" für die Weltwirtschaft. Im Jahr 2021 lag die Inflationsrate in Österreich bei 2,8 Prozent, für März prognostizierte die Statistik Austria bereits eine Teuerung von 6,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Besonders hohe Inflationswerte gab es in Österreich in den 1970er-Jahren. Zwischen 1972 und 1977 belief sich die Inflationsrate auf 5,5 bis 9,5 Prozent. In diesem Zeitraum lag der von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) festgesetzte Leitzins bei 5,0 bis 6,2 Prozent. Seit 1999 legt der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) die Leitzinsen für die Eurozone fest.

Seit 2016 verharrt der Leitzins der EZB bei null Prozent. Mit Niedrigzinspolitik und Wertpapier-Ankaufprogrammen wollten die Notenbanker die Wirtschaft in Europa wieder in Schwung bringen. Angesichts der aktuell hohen Inflation steigt der Druck auf die Währungshüter in Frankfurt, die Zinswende aber bald einzuleiten. Wie erwartet bleibt der Leitzinssatz bei der EZB-Ratssitzung am Donnerstag trotz Rekordinflation aber nverändert bei null Prozent. Die Währungshüter bekräftigten zugleich aber, auf ein Ende ihrer ultralockeren Geldpolitik zuzusteuern.

Börsenexpertin Rosen erwartet in der Eurozone keine drastischen Leitzinsanhebungen wie in den 1970er- und 1980er-Jahren. Die EZB werde wohl vorsichtig vorgehen, um "drastische Renditeanstiege" bei Staatsanleihen der Eurozonen-Peripherieländer zu verhindern. Rosen verwies auf Markterwartungen, die bis 2024 mit Euro-Leitzinsen von 0,7 Prozent rechnen. Die US-Notenbank Fed und die EZB würden in den kommenden Monaten versuchen, die Inflationserwartungen zu dämpfen, so Rosen.

Für den Raiffeisen-Chefanalysten Peter Brezinschek tut sich die EZB schwer den "Krisenmodus" zu verlassen, "weil die Eurozone ja sehr heterogene Interessen vertritt". Nach der Coronapandemie sei "jetzt noch der Krieg Russlands gegen die Ukraine dazukommen, der ein zusätzliches Unsicherheitsmoment" darstelle, sagte Brezinschek. Angesichts der längerfristig hohen Inflationsraten müsse die EZB aber handeln. "Das Gesetz des Handelns ist notwendig, denn das Vertrauen, das die Notenbank genießt, wird sicherlich bei den Bürgern aufgebraucht bei Inflationsraten, die sehr stark ihre Kaufkraft beeinträchtigen."

Und sonst in der Welt?

Die Inflation, durch den Krieg noch einmal angeheizt, ist freilich kein auf Österreich beschränktes Problem. Die Aussichten für die Weltwirtschaft trüben sich laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) deutlich ein. Der IWF werde nächste Woche seine Prognosen für 2022 und 2023 weiter senken, kündigte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa am Donnerstag an. Es gebe neben der Coronapandemie mit dem Krieg in der Ukraine eine zusätzliche Krise.

"Und erstmals seit vielen Jahren ist die Inflation zu einer klaren und präsenten Gefahr für viele Länder rund um den Globus geworden. Das ist ein massiver Rückschlag für die Weltwirtschaft."

Diese hatte schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine Schwung eingebüßt. Im Jänner hatte der IWF das globale Wachstum 2022 noch auf 4,4 Prozent geschätzt. "Seitdem hat sich der Ausblick substanziell verschlechtert, vor allem wegen des Kriegs." Die detaillierten Prognosen sollen Anfang nächster Woche veröffentlicht werden, zu Beginn der IWF-Frühjahrestagung in Washington. Für die meisten Staaten werde 2022 aber noch Wachstum bleiben, so Georgiewa. 143 Länder, die für 86 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung stünden, würden wegen des Kriegs jetzt aber schlechtere Aussichten haben. Und die Unsicherheit sei noch viel größer als in normalen Zeiten.

Der Krieg hat die ohnehin schon hohe Inflation weiter angeheizt. Sie werde länger auf einem erhöhten Niveau liegen als bisher gedacht, räumte die IWF-Chefin ein. Das Risiko nehme zudem zu, dass sie außer Kontrolle gerate. "Die Zentralbanken sollten entschieden handeln." (apa/red)