Analyse : Optimismus? Warum die Lage in der heimischen Industrie besser als gedacht sein könnte
Eine ganze Reihe österreichischer Industrieunternehmen hat dieser Tage positive Zahlen veröffentlicht oder wird es in Kürze tun. Porr kehrte in die Gewinnzone zurück, Frauenthal meldete ein gutes Ergebnis, ebenso wie die oberösterreichische Miba oder die AMAG. Auch von Andritz wird ein gutes Ergebnis für das Startquartal des heurigen Jahres erwartet, ebenso von Mayr-Melnhof Karton.
Freilich: In den nun veröffentlichten Zahlen, die oft das Jahr 2021 abbilden oder sich auf das erste Quartal dieses Jahres beziehen, sind die Verwerfungen durch die Russland-Krise vielfach noch nicht eingepreist. Doch sowohl Prognosen der Wirtschaftsforscher als auch Zahlen der Statistiker deuten darauf hin, dass auch die kommenden Monate trotz aller Unsicherheiten besser werden könnten als angesichts der weltweiten Krisenlage befürchtet.
Positive Stimmung in den Unternehmen
So zeigt eine aktuelle Wifo-Erhebung, dass sich die Stimmung der heimischen Unternehmen im April gegenüber März verbessert hat. Der Konjunkturklimaindex notierte mit saisonbereinigten 24,3 Punkten um 6,6 Punkte über dem Vormonatswert. Die positive Tendenz gilt für alle Branchen, dem Einzelhandel geht es aber immer noch schlecht.
Die Unternehmen rechnen laut Wifo mehrheitlich damit, ihre Preise in den kommenden Monaten anheben zu müssen. Die Beurteilung der aktuellen Lage war insgesamt weiterhin "merklich im positiven Bereich". Der entsprechende Index erhöhte sich sogar um 6,9 Punkte auf 27,2 Zähler. Dieser Anstieg sei nicht nur auf die Dienstleistungen zurückzuführen, wo sich der Index um 8,7 Punkte verbesserte und mit 30,6 Punkten konjunkturelle Zuversicht signalisiert habe.
Im Einzelhandel habe sich der Lageindex zwar um 4,0 Punkte verbessert, er war allerdings mit minus 7,3 Punkten nach wie vor im negativen Bereich. Demgegenüber legte der Lageindex der Bauwirtschaft um 5 Prozent weiter zu und notierte mit 45,5 Punkten "sehr hoch im zuversichtlichen Bereich". In der Sachgütererzeugung erhöhte sich der Index um 5,4 Punkte auf 26,9 Zähler und war damit "deutlich im positiven Bereich".
In der Bauwirtschaft gewann der Erwartungsindex 6,3 Punkte und notierte mit 46,5 Punkten ebenfalls auf neuem Rekordniveau. Dieser Anstieg ist den Angaben zufolge "nicht zuletzt auf die Baupreisentwicklung zurückzuführen". Auch in der Sachgütererzeugung legte Erwartungsindex zu und lag mit einem Plus von 5,1 Punkten auf 17,1 Zähler deutlich über der Nulllinie, "wenngleich die Unsicherheit über die künftige Entwicklung der Geschäftslage weiter hoch blieb", wie die Wifo-Experten anmerkten.
Auch der Index der unternehmerischen Erwartungen habe im April saisonbereinigt wieder an Dynamik gewonnen, so die Wirtschaftsforscher. Mit einem Plus von 6,3 Punkten auf 21,6 Zähler lag der Index deutlich über der Nulllinie, die negative von positiven Konjunkturerwartungen trennt.
Statistiksignale stehen auf Grün
Doch nicht nur gefühlte Erwartungen, auch die harten Zahlen der Statistiker geben Grund, an einer allgemein negativen Grundlage zu zweifen. Im März hat der Umsatz in der Industrie und am Bau im Jahresvergleich jedenfalls um 37,5 Prozent zugenommen. Der Beschäftigtenindex verbuchte lediglich einen Anstieg von 1,7 Prozent, der Index der geleisteten Arbeitsstunden ging um ein Prozent zurück. Bemerkenswert dabei: Die Umsätze lagen 54,9 Prozent über dem Vorkrisenniveau vom März 2019, was teilweise durch massive Preissteigerungen vor allem im Energiesektor bedingt ist, teilte die Statistik Austria heute mit.
"Trotz Ukraine-Krise stehen in Österreichs Industrie und Bau auch im März 2022 die Signale weiterhin auf Grün", so Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas. Insgesamt sei der produzierende Bereich nach wie vor auf Wachstumskurs.
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Die Frühschätzung für das Transportaufkommen österreichischer Unternehmen im Straßengüterverkehr zeige für das 1. Quartal 2022 einen Anstieg um 2,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal auf 89,3 Millionen Tonnen. Dabei stieg die Transportleistung im In- und Ausland um 3,9 Prozent auf 6,9 Milliarden Tonnenkilometer. Die Transportleistung innerhalb Österreichs nahm um 3,3 Prozent auf 4,8 Mrd. Tonnenkilometer zu.
"Auch im Vergleich zu dem Referenzquartal vor der Corona-Krise, also dem 1. Quartal 2019, wurden Zunahmen registriert. Das Transportaufkommen erhöhte sich verglichen mit dem 1. Quartal 2019 um 11,7 Prozent auf 89,3 Mio. Tonnen", rechnen die Statistiker vor.
Auch Rückversicherer ohne Sorgen
Recht aussagekräftig für die offenbar recht positive Grundlage sind auch die Einschätzungen der Rückversicher. Rückversicherer, also Unternehmen, die Risiken von anderen Versicherungen absichern, reagieren üblicherweise auf mögliche politische Verwerfungen sehr sensibel. Die soeben veröffentlichte aktuelle Lageeinschätzung von Munich Re lässt allerdings vorläufig wenig Besorgnis erkennen.
Munich Re sieht derzeit nach eigenen Angaben keine große Belastung durch den Ukraine-Krieg, schließt das aber für die Zukunft nicht aus. Vorstandschef Joachim Wenning verwies bei der Hauptversammlung am Donnerstag darauf, dass Kriegsschäden in der Sachversicherung standardmäßig ausgeschlossen sind. Doch bietet die Munich Re nach Wennings Worten "in einigen Spezialsparten in begrenztem Umfang" Absicherung von Kriegsfolgen an.
Wenning nannte Luftfahrt, Transport, Kredit und politische Risiken. "Inwieweit Deckungsschutz besteht, ist hingegen in vielen Fällen noch nicht abzusehen", sagte der Vorstandschef.
Wennings Bemerkungen haben unter anderem den Hintergrund, dass russische Luftfahrtgesellschaften mehrere hundert Maschinen von westlichen Unternehmen geleast haben. Diese Flugzeuge sitzen in Russland fest, in der Branche wird seit Kriegsbeginn diskutiert, ob dafür Versicherungen aufkommen müssen. Die Munich Re hatte bereits im März die Einstellung ihres Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäfts in Russland und Belarus bekannt gegeben.