Energie Steiermark News : Energieloser Wettbewerb im Süden Österreichs?

Electrical poles of high voltage in blue sky

Innovationskraft der südösterreichischen Industrie: Windkraftanlagen und moderne Energieinfrastrukturen prägen eine Landschaft, die für grüne Technologien und nachhaltige Entwicklung steht, - bis hin zu einer umweltfreundlichen und zukunftsorientierten Industrielandschaft.

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Die Energie Steiermark hat erst kürzlich ihre Preise deutlich gesenkt. In Kärnten zieht die KELAG die Preisschraube wieder an und bei der Energie Burgenland war seit jeher der Einfluss des Landeshauptmanns spürbar. So richtig durchblicken tut man im Tarifdschungel der Energieversorger noch nicht. Eine Situation, die vor allem bei energieintensiven Industriebetrieben Kopfzerbrechen bereitet. Denn eines ist von Klagenfurt bis Güssing klar, der Industriestandort Südösterreich ist nur mit billigen Energiepreisen und einer möglichst hohen Versorgung mit Erneuerbaren Energien in Zukunft international wettbewerbsfähig. Doch im Ranking mit anderen europäischen Regionen liegt man in Sachen Energiepreise deutlich zurück. Strom ist hierzulande gerade vergleichsweise teuer.

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Das ist auch der Grund warum beispielsweise gerade in Polen, Tschechien, Italien oder Ungarn reihenweise Gigafabriken für die Batterieherstellung entstehen, aber nicht in der Automotiv- und Green-Tech-Region Steiermark und Kärnten. Dass in Kärnten zwar bald Lithium abgebaut werden könnte, die Verarbeitung aber in Saudi-Arabien geplant wird, ist ebenfalls auf zu hohe Energiekosten hierzulande zurückzuführen.

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Gestaltungsspielraum der Politik

Wie viel Einfluss etwa die Politik auf die regionalen Energiemärkte nehmen kann, ist umstritten. Fakt ist, dass aber beim Ausbau von Erneuerbaren Energien sowie Netzinfrastrukturen vieles an politischen Rahmenbedingungen hängt. So hat etwa die Steiermark kürzlich ein Sachprogramm für den PV-Ausbau beschlossen, dass der Branchenverband PV-Austria gleich als „kraftlos“ bezeichnete. „Die Jubelchöre der Landespolitik in der Steiermark können wir in keinster Weise nachvollziehen“, sagt etwa Herbert Paierl, Vorstandsvorsitzender von PV-Austria. Der Beschluss des mangelhaften Sachprogramms sei bestenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein, urteilt Paierl und verweist auf das Ausstiegsdatum 2024 von russischem Gas.

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Tatsächlich ist völlig unklar, wie die Versorgungssicherheit in der Steiermark, aber auch in Kärnten garantiert wäre, würde der Gashahn vorzeitig völlig zugedreht werden. Die Politik hätte aber auch abseits der reinen Gesetzgebung so einiges an Spielraum. In Kärnten ist die KELAG im Haupteigentum der Kärntner Energieholding. Der Konzern besteht aus der KELAG-Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft und einer Reihe von Töchterunternehmen und Beteiligungen. 51 Prozent der Kärntner Energieholding befinden sich im Eigentum des Landes Kärnten, 49 % hält die GBV Zweiunddreißigste Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung mbH, eine 100-Prozent-Tochter der RWE.

Die Verbundgesellschaft ist mit 35,17 % an der Kelag beteiligt, 12,85 Prozent werden direkt von der GBV Zweiunddreißigste Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung mbH gehalten. In der Steiermark und im Burgenland sind die Dinge einfacher. Die Energie Burgenland AG gehört zu 51 Prozent der Landesholding Burgenland und zu 49 Prozent der Burgenland Holding AG, die wiederum zu 74 Prozent im Eigentum der EVN AG ist. Die Steiermark hat vor kurzem die Energie Steiermark zur Gänze zurückgekauft. Offiziell heißt es von der Politik, dass die Eigentumsverhältnisse keinen Einfluss auf die Preisgestaltung erlauben. Inoffiziell sprechen Experten durchaus von Gestaltungsräumen durch die Politik, was die Energiekosten und auch das Investitionsverhalten anbelangen. Energieversorger 100 Prozent im Landeseigentum erhöhen demnach zwar politische Möglichkeiten, allerdings sind internationale Partner bei Investitionen auch kein Nachteil.

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Trotz Fotovoltaik-Boom im Land braucht es noch mehr Anstrengungen. Derzeit können vor allem in ländlichen Regionen nicht alle Projekte ans Netz genommen werden.

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Wenn die Klima- und Energieziele ernsthaft verfolgt werden sollen, bedeutet das in erster Linie ein gewaltiges Investitionsprogramm.
Stefan Stolitzka, Präsident der IV-Steiermark

Steirische Industrie im Energiedilemma

Dass der heimische Industriestandort ausgerechnet beides braucht, nämlich günstige Energiekosten und Versorgungssicherheit mit grüner Energie, ist ein doppeltes Dilemma. Beides ist für die Wettbewerbsfähigkeit auf den weltweiten Exportmärkten notwendig. “Die Energiepreissituation war in den vergangenen 12 Monaten für alle Branchen der steirischen Wirtschaft sehr herausfordernd. Aufgrund fallender Preise und staatlicher Gegenmaßnahmen hat sich die Lage allerdings heuer bislang entspannt. Neben dem Fach- und Personalmangel bleibt uns das Thema als standortpolitisches Hauptherausforderung freilich erhalten. Denn an einer sicheren und kostengünstigen Energieversorgung führt standortpolitisch kein Weg vorbei, vor allem wenn es um Investitionen in energieintensiven Branchen der Wirtschaft geht“ berichtet dazu Josef Herk, Präsident der WK-Steiermark. „Wenn die Klima- und Energieziele ernsthaft verfolgt werden sollen, bedeutet das in erster Linie ein gewaltiges Investitionsprogramm“, fordert zudem Stefan Stolitzka, Präsident der IV-Steiermark ein.

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Die Energieerzeugungsmöglichkeiten und die Energienetze müssten ausgebaut sowie ausreichend Reservekapazitäten geschaffen werden, die aufgrund der hohen Volatilität erneuerbarer Energieformen für die Transformation unerlässlich seien. „Wenn alle Kapazitäten im Bereich erneuerbarer Energie gehoben werden sollen, bedarf es eines völlig neuen politischen Managements von Willensbildung, Projektbegleitung und effektiver Verfahrensbeschleunigung bei Infrastrukturprojekten“, so der IV-Präsident. Um dem gerecht zu werden investiert die Energie Steiermark auch kräftig. Erst letztes Jahr wurde in der Weststeiermark die größte PV-Anlage Österreichs errichtet, die Strom für 5.700 Haushalte in der Region erzeugt und im Mai dieses Jahres wurde die erste öffentliche Produktion von grünem Wasserstoff im südsteirischen Gabersdorf eröffnet. 300 Tonnen Wasserstoff sollen jährlich erzeugt werden.

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Dass der Rückkauf der Energie Steiermark nicht nur positiv gesehen wird, berichtet Josef Herk, Präsident der WK-Steiermark. „Innerhalb der gewerblichen Wirtschaft wird der Rückkauf der Energie Steiermark nicht vorbehaltslos positiv gesehen, da sich das Privat-Public-Partnerschaftsmodell in der Energie Steiermark als sehr erfolgreich erwiesen hat. Ich weiß natürlich, dass vielerorts nunmehr die Hoffnung aufkeimt, ein rein öffentlicher Energieversorger könnte rascher auf preisliche Verwerfungen im Sinne der Konsumenten reagieren. Da unsere Energieversorger aber auch weiterhin den europäischen Wettbewerbsregeln zu folgen haben, glaube ich eher nicht, dass dies der Fall sein wird. Auch ein zu 100 Prozent in staatlichem Besitz befindliches Energieunternehmen wird den Strompreis nicht vorgeben können, noch dazu vor dem Hintergrund, dass der Kaufpreis auch finanziert werden muss“, so Herk über die durchaus differenzierte Stimmungslage.

Es braucht jedenfalls noch zahlreiche weitere Investitionen, um den Wirtschaftsstandort abzusichern. Dass in der obersteirischen Gemeinde Gaal erst kürzlich ein Windpark per Bürgerbefragung deutlich abgelehnt wurde, zeigt, wie schwierig der Prozess in der Realität ist. WK-Präsident Herk fordert daher unbedingt nicht nur mehr Engagement beim Netzausbau und bei Speicherprojekten, sondern auch, heimische Ressourcen, wie etwa Gasreserven, als Brückenrohstoffe zu nutzen.

Die Netzkapazitäten wurden in den letzten acht Jahren um mehr als 300 Prozent gesteigert. Eine kontinuierliche Verstärkung des Stromnetzes ist aber unbedingt nötig, um künftig die unerschöpflichen Quellen von Wind und Sonne noch intensiver zu nutzen.
Anika Benkö, Geschäftsführerin der IV Burgenland

Burgenland im Spitzenfeld

Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien liegt das Burgenland im europäischen Spitzenfeld, wie Anika Benkö, Geschäftsführerin der IV Burgenland betont. Das eröffnet durchaus gute Standortbedingungen für Industriebetriebe im Burgenland, die sich mit vergleichsweise günstiger, grüner Energie aus der Region versorgen wollen. Trotz großer Investitionen drängt aber auch Benkö zu mehr Dynamik. „Die Netzkapazitäten wurden in den letzten acht Jahren um mehr als 300 Prozent gesteigert. Eine kontinuierliche Verstärkung des Stromnetzes ist aber unbedingt nötig, um künftig die unerschöpflichen Quellen von Wind und Sonne noch intensiver zu nutzen. Konkret ist geplant, bestehende Umspannwerke zu verstärken und neue Hochspannungsleitungen zu bauen. Mehr als 630 Millionen Euro sollen bis 2030 in die Instandhaltung und Modernisierung der burgenländischen Strom-Infrastruktur fließen. Und das ist sicher nicht zu viel!“ Benkö betont auch, dass das Höchstspannungsnetz in Ostösterreich an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit ist und ein rascher Ausbau der Netze ein Gebot der Stunde wäre.

„Wir brauchen dringend schnelle Verfahren – das gilt auch für die Festlegung neuer Eignungszonen- weiters entsprechende finanzielle Mittel und natürlich das Personal, das den Ausbau und somit die Energiewende bewerkstelligt. Bei dem raschen Zuwachs von PV-Einspeisung ist es außerdem wichtig, sich über intelligente Einspeisekonzepte Gedanken zu machen und den Eigenverbrauch zu optimieren“, fordert die Geschäftsführerin der IV Burgenland.

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Sehen so die Energielandschaften der Zukunft aus? Eine konsequente Energiewende wird jedenfalls in der Landschaft sichtbar sein. Diese Erkenntnis ist in der breiten Bevölkerung noch nicht angekommen und es gibt Widerstand. - © Getty Images

In Kärnten scheint nicht nur die Sonne

Auch die KELAG investiert in Kärnten kräftig. „Mit dem Erwerb von acht Windkraftanlagen (Steinberger Alpe und Soboth) sind wir in die Windkraftnutzung in Kärnten eingestiegen. Im Netzbereich investieren wir auf allen Ebenen – so in die Erneuerungen der Umspannwerke Klagenfurt, Gailitz und Treibach und den Bau eines neuen Umspannwerks im Mölltal. Zusätzlich investieren wir in den Ausbau der Wärmenetze und, als relativ junges Geschäftsfeld, in das schnelle Breitband-Internet mit Glasfaser in Kärnten“, berichtet Josef Stocker, Pressesprecher der KELAG über die Investitionspläne. In den nächsten Jahren sollen rund 2 Milliarden Euro in grüne Energien und eine weitere Milliarde in den Netzausbau fließen. „Wir arbeiten bereits an konkreten Projekten: Wir sind in der Planungsphase für das Wasserkraftwerk Kolbnitz im Mölltal, für drei Windparks in Kärnten laufen die Genehmigungsverfahren, wir investieren in PV-Anlagen und in die weitere Ökologisierung unserer Fernwärmenetze“, so Stocker.

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Der Ansatz ist klar. Je mehr Erzeugung aus Wasserkraft, Sonne und Wind, desto eher lassen sich fossile Energieimporte ersetzen und das erzeuge langfristig einen preisstabilisierenden Effekt. „Generell sind die Energiepreise im Vergleich zum Weltmarkt in Europa ein Standortnachteil, das gilt natürlich auch für Kärnten. Energieintensive Betriebe überlegen sich sehr gut, wo Investitionen erfolgen. Ich warne ausdrücklich vor dieser schleichenden Abwanderung von Wirtschaftskraft, die meines Erachtens bereits im Gang ist“, bewertet Jürgen Mandl, Präsident der Wirtschaftskammer Kärnten die Lage etwas differenzierter. Nur wettbewerbsfähige Energiepreise und unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen könnten den Standort absichern. „Mit der derzeitigen Netzinfrastruktur ist die Versorgung gesichert, eine rasche Umstellung auf erneuerbare Energie geht sich damit nicht aus. Hier müssen die Anstrengungen dramatisch verstärkt werden“, sieht auch Mandl noch erheblichen Handlungsbedarf.

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Mehr Wettbewerb nötig

Um rascher voranzukommen, brauche es grundsätzlich eine höhere Dynamik beim Ausbau grüner Energien sowie der Energienetze. Hier könnte mehr Wettbewerb in den Bundesländern nicht schaden. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten sind manche Stromanbieter vom Markt verschwunden, neue kommen gerade erst wieder nach.

Brisant ist, dass neben den traditionellen großen Landesenergieversorger mit der neuen bundesweiten Gesetzeslage auch Private immer mehr als Stromproduzenten auf den Markt kommen. Doch der fehlende Netzausbau, vor allem in den regionalen Hochspannungs- und lokalen Mittelspannungsnetzen, beschränkt vielerorts die Einspeisung. Die Versorgungsgebiete der Landesenergieversorger sind oft stark fragmentiert. Lokal übernehmen meistens Stadtwerke oder andere kleinere Netzbetreiber die Versorgung. Diesen fehlt bislang das nötige Investitionskapital, um die Netze bis zum Endkunden entsprechend zu verstärken. Brisant ist, dass besonders in der ertragreichen Gegend für Wind und Sonnenenergie, der Netzausbau hinterherhinkt.

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Für diesen herrsche noch nicht der nötige politische Druck. Fehlende Netzkapazitäten behindert aktuell den Wettbewerb auf der Erzeugerseite, denn es könnten wesentlich mehr Stromproduzenten ans Netz gehen, wenn die Infrastruktur schon überall vorhanden wäre. Die Investitionsdynamik wird in den nächsten Jahren noch ambitionierter werden müssen, um den Industriestandort mit ausreichend grünem Strom und günstigen Preisen abzusichern. Zudem sind sich alle Expertinnen und Experten einig: die größte Hürde sind zu lange Genehmigungsverfahren. Auf der Versorgungsseite kann aber Entwarnung gegeben werden. Aufgrund mehrerer Pumpspeicher- und Wasserkraftwerke in Südösterreich ist die Region vor größeren und längeren Blackouts ziemlich gesichert. Die Pumpspeicher sind letztendlich immer noch die leistungsstärksten Batterien, die wir zur Verfügung haben.