Schaeffler auf dem Vormarsch in die Elektromobilität : Übernimmt der Autozulieferer Schaeffler den Antriebsspezialisten Vitesco?

170926_LaunchDayLighting Beleuchtung , leuchtende Buchstaben Branding SCHAEFFLER Werk Schweinfurt 26.09.2017 09-26-17 Schaeffler Technologies / 91074 Herzogenaurach, Industriestraße 1-3 © BERNY 26.09.2017 September / berny-meyer@t-online.de / 0170 2015199 /

Der Autozulieferer Schaeffler prescht mit einem Angebot für Vitesco vor

- © Berny Meyer

Der deutsche Autozulieferer Schaeffler greift nach der Kontrolle über den Antriebsspezialisten Vitesco. Wie das Unternehmen am Montag mitteilte, bietet die Schaeffler AG 91 Euro je Vitesco-Aktie und damit 21 Prozent mehr als der Schlusskurs vom Freitag. Insgesamt wird die vor zwei Jahren von Continental ausgegliederte deutsche Vitesco damit mit 3,64 Milliarden Euro bewertet. Der österreichische Investor Siegfried Wolf ist zweitgrößter Aktionär von Continental.

>>> Das sind Österreichs größte Automobilzulieferer

Mit dem Vitesco-Vorstand seien die Pläne aber nicht abgestimmt. Vorstandschef Klaus Rosenfeld sagte, Schaeffler strebe einen "einvernehmlichen Zusammenschluss" an. Im Falle einer Übernahme könnte ein Unternehmen mit einem Umsatz von deutlich über 20 Milliarden Euro entstehen. Vitesco, an der die Familie Schaeffler ebenfalls bereits beteiligt ist, kam auf einen Umsatz von rund neun Milliarden Euro.

Nie mehr eine wichtige News aus der Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in Ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!

Klaus Rosenfeld, Vorstandschef Schaeffler

- © Schaeffler

Wandel zum Anbieter von Antriebstechnik für Elektroautos

Schaeffler dürfte vor allem am starken Auftragsbestand von Vitesco im Elektrobereich interessiert sein. Bei der Umstellung auf Elektromobilität zählt das Familienunternehmen zu den Nachzüglern.Knapp 50 Prozent an Vitesco hält die Eigentümerfamilie Schaeffler bereits seit der Abspaltung von Continental. Sie hat sich verpflichtet, ihre Anteile an Vitesco zunächst weiter zu halten.

Nach Vollzug der Übernahme könnten aber nach Angaben eines Sprechers alle Vitesco-Papiere in Aktien der fusionierten "neuen" Schaeffler umgetauscht werden. Der Kurs der Vitesco-Aktie ist in den vergangenen zwölf Monaten um 56 Prozent in die Höhe geschnellt. Das Unternehmen mit Sitz in Augsburg war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

>>> Zulieferer Schaeffler machen hohe Kosten zu schaffen

"Mit dem Unternehmenszusammenschluss wird eine führende 'Motion Technology Company' mit vier fokussierten Sparten und einem Umsatz von ungefähr 25 Mrd. Euro geschaffen", hieß es in der Schaeffler-Mitteilung. "Dazu gehört ein erstklassiger E-Mobilitätsanbieter mit erheblichem Wachstumspotenzial", warb Rosenfeld um die Vitesco-Aktionäre.

>>> Schaeffler: Investitionen eher in den USA als in Europa

Vitesco wandelt sich vom Hersteller von Teilen für Verbrennungsmotoren zum Anbieter von Antriebstechnik für Elektroautos. "Schaeffler und Vitesco sind zusammen stärker. Das bringt deutliche Vorteile für Kunden, Beschäftigte, Aktionäre und Geschäftspartner", sagte Rosenfeld. Zusammen hätten die beiden Unternehmen 120.000 Beschäftigte.

Die Stärken von Schaeffler im Systemverständnis und in der Mechanik ergänzten sich mit den Kompetenzen von Vitesco in der Leistungselektronik, sagte Rosenfeld bei der Pressekonferenz am Montag. Die Vorteile eines Zusammenschlusses beider Unternehmen seien auch in Gesprächen mit Kunden aus der Automobilindustrie immer wieder betont worden.

Vitesco zentrale
© Vitesco

"Ein einschneidender Schritt"

Gegen eine Übernahme wird sich Vitesco allerdings kaum wehren können. „Da unser Eigentümer knapp die Hälfte der Anteile der Vitesco hält, dürfte eine Fusion beider Unternehmen sehr wahrscheinlich sein“, sagte Rosenfeld auf der Pressekonferenz am Montag. Rund fünf Prozent der Anteile hält zudem Siegfried Wolf, Aufsichtsratsvorsitzender von Vitesco und enger Vertrauter der Familie. Die Familie Schaeffler spielt schon seit geraumer Zeit eine aktive Rolle bei der Konsolidierung in der Automobilzulieferindustrie. Finanziell beinahe überhoben hätte sich die Familie allerdings mit der Übernahme von Continental im Jahr 2008.

>>> EU leitet Untersuchung gegen Chinas Auto-Subventionen ein

Bis zum Jahr 2029 würden sich aus der Zusammenarbeit Synergien ergeben, die zu einer Verbesserung des operativen Ergebnisses (EBIT) in Höhe von bis zu 600 Millionen Euro führen könnten. Erste positive Ergebniseffekte seien bereits ab 2026 zu erwarten. In der ersten Phase rechnet Schaeffler allerdings mit Kosten in Höhe von bis zu 665 Millionen Euro.

>>> E-Mobilität: Die jungen Auto-Piloten

Im Zuge der Übernahme von Vitesco plant die Schaeffler AG auch eine Vereinfachung der Aktionärsstruktur des Unternehmens. Die börsennotierten Vorzugsaktien sollen in Stammaktien umgewandelt werden. Damit werden die übrigen Aktionäre der Familie gleichgestellt, die bisher alle Stammaktien hält. "Für meine Mutter und mich als Familiengesellschafter ist die Abgabe von Stimmrechten ein einschneidender Schritt, den wir im Interesse des Unternehmens sorgfältig abgewogen haben", sagte Aufsichtsratschef Georg Schaeffler. "Angesichts der signifikanten Vorteile, die die gesamte Transaktion für alle Stakeholder mit sich bringt, sind wir überzeugt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, den nächsten großen Schritt (...) zu gehen."

Georg Schaeffler
Georg Schaeffler: "Ein einschneidender Schritt" - © Schaeffler

Ende einer einzigartigen Unternehmerinnen-Karriere

Die legendäre Schaeffler-Chefin und gebürtige Österreicherin Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann legte im Frühjahr dieses Jahres ihr Mandat nieder und steht dem Gremium nur noch als Ehrenmitglied bei. Damit endete eine in Deutschland nahezu einzigartige Unternehmerinnenkarriere nach rund drei Jahrzehnten. Schaeffler-Thumann gilt als eine der wohlhabendsten Personen im Land.

>>> Fusion Miba-Zollern: "Mussten Realitäten ins Auge schauen"

Der deutsche Auto- und Industriezulieferer Schaeffler hat unterdessen weiter mit hohen Kosten zu kämpfen. Trotz einer Erholung der Nachfrage ging der Gewinn des Konzerns im vergangenen Jahr um gut ein Viertel auf 557 Millionen Euro zurück.

Neben hohen Rohstoff- und Energiekosten sowie Störungen in den weltweiten Lieferketten, die das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern um gut 14 Prozent auf 1,05 Milliarden Euro drückten, wirkten sich auch Einmalaufwendungen für das eingeleitete Kostensenkungs- und Personalabbauprogramm negativ aus. Gestiegen ist dagegen der Umsatz mit einem Plus von 14 Prozent auf 15,8 Milliarden Euro.

Elisabeth Schaeffler
Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann. - © Schaeffler

Continental: Umsatz steigt, aber Nettogewinn sinkt dramatisch

Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental ist im abgelaufenen Geschäftsjahr knapp der Verlustzone entgangen. Bedingt durch hohe Abschreibungen sank der Nettogewinn verglichen mit dem Vorjahr um 95 Prozent auf 67 Millionen Euro. Mit einer Milliarde Euro schlugen dabei negative Sondereffekte zu Buche. Der Umsatz ist wie angekündigt um rund 17 Prozent auf 39,4 Milliarden Euro gestiegen.

>>> Preiserhöhungen halten Conti über Wasser

Vor allem beim Sorgenkind Automobilzulieferung soll es wieder aufwärts gehen. Hier plant Conti-Chef Nikolai Setzer mit einer operativen Marge von 2 bis 3 Prozent. Im Vorjahr hatte die Sparte noch leicht rote Zahlen geschrieben. Analysten hatten bislang eine Marge von rund 2 Prozent für die Sparte und rund 6 Prozent für den Gesamtkonzern auf dem Zettel. Mit einer geplanten Umsatzrendite von 12 bis 13 Prozent soll die Ertragsperle des Konzerns, die Reifensparte, erneut den Löwenanteil zum operativen Gewinn beisteuern.

>>> 625 PS-Motoren: BMW Steyr übernimmt V8-Produktion

Im Januar 2019 wurde die Antriebssparte der Continental-Gruppe in einer Tochtergesellschaft mit dem Namen Continental Powertrain zusammengeführt. Die Umbenennung von Continental Powertrain in Vitesco Technologies wurde im Oktober 2019 bekannt gegeben. Auf der Hauptversammlung der Continental AG am 29. April 2021 stimmten die Aktionäre zu, Vitesco Technologies auszugliedern.