Gleitlager-Joint-Venture Miba-Zollern : Fusion Miba-Zollern: "Mussten Realitäten ins Auge schauen"

Download von www.picturedesk.com am 22.09.2023 (15:30). 19 August 2019, Baden-Wuerttemberg, Sigmaringen: The company headquarters of the metal processor Zollern in Sigmaringen. Zollern and the Austrian industrial supplier Miba have applied for ministerial approval for a joint venture for engine bearings. Photo: Fabian Sommer/dpa - 20190819_PD1464 - Rechteinfo: Rights Managed (RM)

Zollern-Hauptsitz in Sigmaringendorf: Gleittlager-Joint-Venture mache "in Summe logisch Sinn"

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Wer in F. Peter Mitterbauers nächstem Umfeld das Gleitlager-Joint-Venture mit Zollern anspricht, die dafür notwendige Ministererlaubnis, das vergebliche Ringen des Zollern-Werks Braunschweig um dessen Fortbestand und ob es das alles wert war, lernt eines: Für viele ist die Sache längst abgeschlossen.

Mehr als vier Jahre ist es nun her, dass der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier der Laakirchener Miba AG und der Sigmaringendorfer Zollern GmbH seinen Sanktus für die Zusammenlegung ihrer Gleitlagersparten gab. Das Bundeskartellamt hatte den Zusammenschluss zuvor untersagt. Doch dann kam Ludwig Merckle. Vor dem Joint Venture mit Miba war der schwäbische Milliardär zu 50 Prozent an Zollern und damit an der Tochterfirma Zolllern BHW beteiligt. Er baute öffentlich Druck auf Altmaier auf: Dieser solle zeigen, „dass es ihm damit ernst ist, auch die Wettbewerbsfähigkeit der Mittelständler zu erhöhen“, wurde er in Interviews zitiert. Am Ende bekam er, was er wollte. Der Zirkel, in dem sich Miba heute befindet, ist hochexklusiv: In fünf Jahrzehnten wurde die Ministererlaubnis - mit ihr kann ein Wirtschaftsminister Entscheidungen des Bundeskartellamts aushebeln - nur zehn Mal erteilt. So geschehen auch bei Edeka und Tengelmann, E.ON und Ruhrgas.

Auf dem Gradmesser der Empfindungen ist der Deal für den Miba-Vorstandsvorsitzenden eine rundum gelungene Sache. "Ein Meilenstein", sagt Mitterbauer dem INDUSTRIEMAGAZIN. Mit dem Einstieg in das Industriegleitlager-Geschäft sei ihm nach eigener Darstellung eine große Weiterentwicklung der Miba gelungen. Welche nach dem Kauf von vier Werken von John Crane in den USA und Deutschland vor allem dem Gleitlager-Joint Venture mit Zollern geschuldet gewesen sei. Heute hält man 74,9 Prozent am Joint Venture. Dieses mache "in Summe logisch Sinn", sagt Mitterbauer.

Im persönlichen Gespräch lässt sich F. Peter Mitterbauer jedenfalls nicht anmerken, dass der Zollern-Deal bis zuletzt eine recht intensive Erfahrungsebene gewesen sein muss. So ging es nicht ohne größere Umstrukturierung zuwege. Das Zollern-Werk Braunschweig wurde im Vorjahr geschlossen. Die Werke in Göttingen und Osterode zusammengelegt. "Man muss das differenziert sehen", sagt Mitterbauer.

Einerseits hatte die Energiewende noch deutlicher an Fahrt aufgenommen als erwartet. "Diese Chance wollten wir nutzen", sagt Mitterbauer. Aus zwei kleineren Industriegleitlager-Werken – dem ehemaligen Miba-Werk in Göttingen und dem ehemaligen Zollern-Werk in Osterode – wurde "ein gemeinsamer, starker Standort geformt". Diesen wolle man nun als Innovationszentrum für nachhaltige Energie positionieren.

"Seit Jahren sinkende Nachfrage"

Anderseits habe der Markt des von Zollern ins Joint Venture eingebrachten Motorengleitlager-Werks in Braunschweig "schon seit Jahren" an sinkender Nachfrage gelitten. "Wir mussten den Realitäten ins Auge schauen", sagt Mitterbauer. Trotz Optimierungsmaßnahmen konnte das Werk nicht nachhaltig wirtschaftlich betrieben werden. "Die Pandemie und der deutlich schnellere Umstieg auf alternative Technologien hatten die Lage weiter verschärft", sagt Mitterbauer. Man musste sehen, "was ist verantwortungsvoll, langfristig gut und richtig".

Wie die Zusammenarbeit nun in Osterode nach der Zusammenlegung mit Göttingen liefe? "Der Miba-Funke ist übergesprungen", sagt Mitterbauer. Die Leute, die heute dort arbeiten, seien zufrieden und dankbar. "Wir investieren und wollen weiter ausbauen", sagt Mitterbauer.

Die Idee, neben Motorengleitlagern im angrenzenden Bereich der Industriegleitlager Fuß zu fassen, war die Vision des Joint-Ventures mit Zollern. "Die Kräfte mit Blick auf die Energiewende zu bündeln die Logik dahinter", sagt der Miba-Chef. Tatsächlich war auch der Zusammenschluss nur unter Auflagen möglich. Darunter jener, innerhalb von fünf Jahren 50 Millionen Euro in Deutschland zu investieren, die das "Know-how und Innovationspotenzial für die Energiewende und Nachhaltigkeit“ absichern sollten. Recherchen der Süddeutschen Zeitung zeigen, dass dafür offenbar auch im Eigentum von Miba stehende Unternehmen an das Joint Venture verkauft wurden. Darunter ein zuletzt unter dem Namen Miba Industrial Bearings Germany GmbH firmierendes Unternehmen. "Einen Teil der Summe, die das Gemeinschaftsunternehmen für den Kauf zahlte, rechnete - so heißt es in der Antwort der Regierung - der Treuhänder wiederum auf die Investitionsverpflichtungen an", schreibt die SZ. Das Schreiben gehe auf eine Schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten Victor Perli (Die Linke) zurück.

Demnach habe das Gemeinschaftsunternehmen mit einem Teil der 50 Millionen zwei Firmen in Deutschland und den USA gekauft – und zwar von Miba selbst. Denn bis zu dem Kauf gehörten die Firmen einer Holding, an der der Mutterkonzern Miba alle Anteile hielt. Clever gespielt? Linken-Politiker Victor Perli ortete einen "finanziellen Taschenspielertrick". Mitterbauer: "Es wurden alle Ministerauflagen erfüllt und der Treuhänder hat alles laufend penibel überprüft". Der Treuhänder teilte mit, der Zukauf der Gesellschaften sei für das Gemeinschaftsunternehmen „eine einmalige Gelegenheit“ gewesen, Synergieeffekte zu schaffen und dadurch einen „entscheidenden strategischen Sprung zu machen“, heißt es in der SZ.

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Mit der Zusammenlegung der beiden Industriegleitlager-Werke in Göttingen und Osterode habe man einen "großen und starken Standort" geschaffen, sagt Mitterbauer. Was man in der Branche hört: Dass das Zollern-Gleitlagergeschäft eigenständig womöglich nicht überlebensfähig gewesen wäre. Eine Befürchtung, die seinerzeit schon der frühere Zollern-Geschäftsführer Klaus Erkes äußerte: "Wenn die Ministererlaubnis verweigert wird, müssen wir schauen, wie das Geschäft noch wirtschaftlich zu betreiben ist".

Mitterbauer Miba CEO
"Die Pandemie und der deutlich schnellere Umstieg auf alternative Technologien hatten die Lage weiter verschärft." Miba-Vorstandschef F. Peter Mitterbauer - © Matthias Witzany / OTS