COVID : Rückt China von seiner Null-Covid-Politik ab?

China verliert als Ort für Investitionen immer mehr an Attraktivität. Aber wo Verlierer, da auch Gewinner.

Experten erwarten eine Abkehr der chinesischen Regierung von ihrer Null-Covid-Strategie

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In China mehren sich die Signale, die auf ein Abrücken der Regierung von ihrer strengen "Null-Covid-Politik" hindeuten. In Kürze werde es an diesem Kurs erhebliche Änderungen geben, sagte Chinas früherer Chef-Epidemiologe am Zentrum für Seuchenprävention, Guang Zeng, am Freitag. Zur Begründung verwies er darauf, dass immer mehr Voraussetzungen für solche Schritte vorlägen, etwa neue Impfstoffe und Fortschritte, die die Volksrepublik bei der Medikamentenforschung gemacht habe.

Der Experte machte die Äußerungen auf einer von der Investmentbank Citi ausgerichteten Konferenz. Die Nachrichtenagentur Reuters konnte davon eine Aufzeichnung anhören. Auf die Frage von Citis Chefvolkswirt für China, Yu Xiangrong, ob sich das Land öffnen werde nach der Jahressitzung des Parlaments, die in der Regel Anfang März stattfindet, sagte Zeng, viele neue politische Maßnahmen würden in den kommenden fünf bis sechs Monaten eingeführt. Worauf diese Information basierte, führte er nicht aus.

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Die Äußerungen schürten die seit einiger Zeit keimenden Hoffnungen insbesondere an den Finanzmärkten, dass die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft zumindest einige der strengen Beschränkungen aufheben könnte, die zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie eingeführt wurden, aber die Wirtschaft erheblich belasten. Zeng und Yu waren für weitere Stellungnahmen zunächst nicht erreichbar. Für Samstag ist allerdings eine Pressekonferenz chinesischer Gesundheitsbehörden angesetzt, bei der es um die Corona-Prävention gehen soll. Bloomberg News meldete zudem unter Berufung auf Insider, dass China plane, Strafen für Fluggesellschaften, die Corona-positive Passagiere ins Land bringen, abzuschaffen.

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Der Optimismus steht jedoch im Kontrast zur Entwicklung der jüngsten Corona-Daten. Für Donnerstag meldete die Nationale Gesundheitskommission 3.871 Neuinfektionen, die durch lokale und nicht über das Ausland eingeschleppte Ansteckungen zustande kamen. Im internationalen Vergleich ist das sehr wenig. Für China aber ist es die höchste Zahl seit Anfang Mai.

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Öl-Preise ziehen deutlich an

Die Ölpreise haben am Freitagvormittag merklich angezogen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete gegen 10.30 Uhr 96,65 US-Dollar (99,0 Euro). Das waren um 2,3 Prozent mehr als am Vortag. Der Preis für ein Barrel der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 2,6 Prozent auf 90,35 Dollar.

Marktbeobachter verwiesen vor allem auf Spekulationen am Markt, dass China die strikte Coronapolitik lockern könnte. Dies schürte die Hoffnung auf eine höhere Nachfrage. In den sozialen Medien kursierten in der Früh erneut Gerüchte, dass China vor einem Wandel der Coronapolitik stehen könnte. Analysten der Bank of China gehen davon aus, dass als Folge der harten Coronapolitik die Ölnachfrage in China heuer um durchschnittlich 400.000 Barrel pro Tag gesunken ist.

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Der Preis für ein Barrel OPEC-Öl wurde für Donnerstag mit 93,51 Dollar festgelegt, wie das OPEC-Sekretariat zuletzt mitteilte. Am Mittwoch war der Preis bei 94,74 Dollar gelegen. Der OPEC-Preis setzt sich aus einem Korb von zwölf Sorten zusammen.

China lässt Impfstoff von Biontech zu

Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat bei seinem Besuch in Peking grünes Licht für die Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech für in China lebende Ausländer bekommen. Dies sei Teil einer vereinbarten engeren Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Pandemie, sagte Scholz am Freitag nach Gesprächen mit Staats- und Parteichef Xi Jinping sowie Ministerpräsident Regierungschef Li Keqiang.

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Am Antrittsbesuch des Kanzlers nahm in der Wirtschaftsdelegation auch der Chef des deutschen Unternehmens Biontech, Ugur Sahin, teil. Bisher darf das Biontech-Präparat in China nicht auf dem Markt. "Dies kann natürlich nur ein erster Schritt sein", sagte Scholz zu der Zulassung für Ausländer mit Wohnsitz in China. "Ich hoffe, dass der Kreis der Berechtigten bald erweitert werden kann, bis hin zu einer allgemeinen freien Verfügbarkeit des Stoffes." Es sei auch "über die Perspektive einer allgemeinen Zulassung von Biontech in China" gesprochen worden. "Eine engere Kooperation mit der EU-Arzneimittelbehörde EMA würde hier den Weg ebnen. Damit würden wir einen konkreten Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten."

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Bei einer Gesamtbevölkerung von mehr als 1,4 Milliarden Menschen leben in China nach Schätzungen derzeit etwa 400.000 "Expatriates", in China lebende Ausländer. Vor Beginn der Pandemie sollen es 850.000 gewesen sein.

Scholz sagte, seit bald drei Jahren halte die Pandemie den Globus im Griff und habe "auch nicht vor Landesgrenzen Halt gemacht". In Deutschland sei einer der wirksamsten Impfstoffe entwickelt worden. Mit den Impfungen sei die Grundlage geschaffen worden, massive Einschränkungen des täglichen Lebens wieder lockern zu können. Scholz fügte hinzu: "Die deutschen und die chinesischen Ansätze der Bekämpfung unterscheiden sich stark. Aber wir haben eine gemeinsame Verantwortung für die Welt, damit das Virus seinen Schrecken verliert."

Vor Lockerung neue Lockdowns?

Zuletzt haben ansteigende Corona-Zahlen für Millionen Menschen neue Lockdowns zur Folge. Nach Behördenangaben wurden am Mittwoch landesweit trotz der in China strikt verfolgten Null-Corona-Politik 2755 neue Infektionen verzeichnet. Das sind mehr als dreimal so viele Fälle wie noch vor zehn Tagen. Der Trend neuer Infektionen zeigte in den vergangenen Tagen stetig nach oben.

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Gleich mehrere Metropolen verhängten Lockdowns für Teile ihrer Bevölkerung. So riegelte die schwer betroffene südchinesische Metropole Guangzhou mehrere Bezirke ab. Auch im ostchinesischen Zhengzhou durften Menschen in Teilen der Stadt nicht mehr vor die Tür. Berichte über Einschränkungen gab es zuletzt auch aus den Städten Ningbo, Xining, Nanjing sowie der Inneren Mongolei. So gut wie in allen Landesteilen gibt es Regionen, die von scharfen Corona-Maßnahmen betroffen sind.

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Chinas Wirtschaft leidet darunter, dass Peking bisher nicht von seiner Politik abrücken will. Diese hat zum Ziel, jeden Ausbruch des Virus im Keim zu ersticken. Zahlreiche Millionenstädte in China hatten in diesem Jahr immer wieder harte Corona-Maßnahmen verhängt, um die Verbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante zu verhindern. Mit dem Beginn der kalten Jahreszeit, in der es in der Regel zu mehr Infektionen kommt, könnte sich die Lage weiter zuspitzen.

Weltweit größte I-Phone-Fabrik auch im Lockdown

Nach einem Corona-Ausbruch im größten iPhone-Werk der Welt im zentralchinesischen Zhengzhou hatten Behörden das Gebiet rund um die Fabrik abgeriegelt. Menschen dürfen "ihre Wohnungen nicht verlassen - außer um Coronatests zu machen und medizinische Notfallbehandlungen in Anspruch zu nehmen", erklärten Vertreter des Industriegebiets, in dem der taiwanesische iPhone-Hersteller Foxconn ein Werk betreibt, am Mittwoch.

Das Gebiet werde sieben Tage lang "statisch verwaltet" werden, hieß es weiter. Die mehr als 600.000 Einwohner des Industriegebiets müssen sich täglich auf das Coronavirus testen, erklärte die örtliche Regierung und warnte, dass sie "entschlossen gegen (...) Verstöße vorgehen" werde.

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Vergangene Woche waren in chinesischen Onlinediensten Bilder aufgetaucht, die zeigten, wie Menschen aus dem Werk flohen, in dem hunderttausende Arbeiter beschäftigt sind. Die Beschäftigten beschwerten sich im Internet über die schlechten Arbeitsbedingungen und darüber, dass sie zu Fuß aus dem Werk fliehen mussten, um die Absperrungen zu umgehen.

Am Dienstag bot der iPhone-Hersteller seinen Angestellten Bonuszahlungen an, um sie zum Bleiben zu bewegen. Das Unternehmen erklärte im Netzwerk WeChat, pro Anwesenheitstag 400 Yuan (55 Euro) auszuzahlen.

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In der Foxconn-Fabrik im zentralchinesischen Zhengzhou arbeiten mehr als 200.000 Menschen. Das taiwanesische Unternehmen kündigte einen "langen Kampf" gegen das Coronavirus an, machte aber keine Angaben zur Zahl der infizierten und unter Quarantäne gestellten Mitarbeiter. Im Internet kursierten Gerüchte über mehrere zehntausend Ansteckungen.

Exporte sinken erstmals seit über zwei Jahren

Erstmals seit mehr als zwei Jahren sind Chinas Exporte im Oktober unerwartet gesunken. Wie die Pekinger Zollbehörde am Montag berichtete, gingen die Ausfuhren der zweitgrößten Volkswirtschaft im Vergleich zum Oktober des Vorjahres in US-Dollar gerechnet um 0,3 Prozent zurück. Analysten hatten zwar mit einer Abkühlung gerechnet, waren jedoch weiterhin von einem zumindest leichten Wachstum der Exporte ausgegangen. Ebenfalls rückläufig entwickelten sich die Importe, die im Vergleich zum Oktober des Vorjahres um 0,7 Prozent sanken. Zuletzt waren die chinesischen Exporte im Mai 2020 geschrumpft.

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Beobachter nannten als Gründe für den Rückgang die schwache globale Nachfrage. Doch auch die weiterhin strikten Coronabeschränkungen in China führten zu anhaltenden Problemen bei den Lieferketten. Ein Beispiel, wie sich die Coronamaßnahmen negativ auf die Exporte des Lands auswirken, lieferte am Montag Apple. Der US-Konzern gestand ein, ausgerechnet im wichtigen Weihnachtsgeschäft mit erheblichen Lieferengpässen beim neuen iPhone 14 Pro zu kämpfen. Die Produktion im Hauptwerk in China werde von Covid-Einschränkungen beeinträchtigt. Das Werk des taiwanesischen Auftragsfertigers Foxconn in Zhengzhou ist von Coronalockdowns der Regionalregierung betroffen.

Auch deutsche Unternehmen klagen schon länger, dass die oft sehr kurzfristig verkündeten Lockdowns ihre Produktion und Planungen erheblich erschweren. Chinas Handel mit Deutschland ging im Oktober wie schon im Vormonat erneut spürbar um 5,7 Prozent zurück. Die chinesischen Exporte nach Deutschland sanken um 10,9 Prozent. Chinas Einfuhren aus Deutschland stiegen dagegen leicht um 0,5 Prozent. Während die chinesischen Ausfuhren in die Europäische Union um 7,7 Prozent sanken, fielen die Importe Chinas aus Europa um 5,1 Prozent. Besonders deutlich nahm Chinas Außenhandel mit den USA um 10,4 Prozent ab. Die chinesischen Ausfuhren in die USA gingen um 12,6 Prozent zurück, während die Einfuhren aus den USA um 1,5 Prozent fielen.

Für die chinesische Wirtschaft trüben sich die Aussichten durch die schwachen Exportzahlen weiter ein. Besonders die Null-Covid-Strategie mit Lockdowns bremst die chinesische Wirtschaft, die aber auch unter einer schweren Immobilienkrise, hoher Verschuldung und schwacher heimischer Nachfrage leidet.

Die Regierung wird das ursprüngliche Wachstumsziel von rund 5,5 Prozent für heuer voraussichtlich weit verfehlen. Die Weltbank rechnet nur noch mit 2,8 Prozent. Das wäre nach dem ersten Jahr der Pandemie 2020 erst das zweite Mal seit vier Jahrzehnten, dass das Wachstum in China so niedrig ausfällt. Im dritten Quartal war die chinesische Wirtschaft um 3,9 Prozent gewachsen.

Regierung dementiert Lockerungen

China hat die Erwartungen einer Lockerung seiner strikten Politik zur Bekämpfung des Coronavirus erst am Wochenende zurückgewiesen. Die im Zuge der Null-Covid-Politik ergriffenen Maßnahmen seien "vollkommen richtig und maximal wirtschaftlich und wirksam", sagte Hu Xiang, eine Repräsentantin der Nationalen Gesundheitskommission, am Samstag in einer Pressekonferenz.

Sie antwortete damit auf die Frage, ob die Politik zur Bekämpfung der Pandemie in naher Zukunft geändert werde. Wir sollten an dem Grundsatz festhalten, Menschen und Leben an die erste Stelle zu setzen, und an der umfassenden Strategie, das Einschleppen und die erneute Ausbreitung zu verhindern."