Energie : OMV-Chef Stern: Öl- und Gasausstieg kurzfristig unmöglich

Generaldirektor Alfred Stern

OMV-CEO Alfred Stern ist "ein großer Freund von Technologie-Offenheit" - aber nur da, wo sie auch Sinn macht.

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OMV-Chef Alfred Stern sieht Öl und Gas in Europa nicht als Wachstumsmarkt - Benzin und Diesel werde man aber auch künftig bei der OMV tanken können, Erdgas werde gebraucht. "Man kann natürlich von der OMV fordern, aus Öl und Gas heute auszusteigen. Ich kann morgen meine Raffinerie schließen, ich kann alle Bohrlöcher verschließen - dann ist die OMV auch weg", so Stern. Dabei erwirtschaftet die OMV 1,6 Prozent des österreichischen Bruttosozialprodukts.

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Wo sich die OMV allerdings bald zurückziehen will, ist bei der Exploration und Produktion von Öl und Gas (E&P) in Malaysia und Neuseeland. Hier sei man derzeit dabei, das Interesse von potenziellen Käufern zu sondieren, sagte der OMV-Chef am Montag im Gespräch mit der APA. Die OMV produziert in der Region Asien-Pazifik 59.000 boe (Barrel Öläquivalent) pro Tag, das sind rund 15 Prozent der OMV-Gesamtproduktion von 392.000 boe pro Tag. Man habe festgestellt, "dass wir keine Möglichkeit sehen, das Gas von dort irgendwie in unsere Kernmärkte in Europa zu bringen". Die Strategie der OMV ist nicht nur die Förderung und der Verkauf von Öl und Gas, sondern auch die Weiterverarbeitung.

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OMV-Offshore-Plattform vor der Küste Neuseelands.

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Wir haben nicht den Luxus, Gas aus legitimen Bezugsquellen abzulehnen - zumal wir Verträge haben, die uns zur Abnahme verpflichten.
Alfred Stern, CEO der OMV

Ausstieg aus Russland nur schwierig möglich

Auch von der Beteiligung am russischen Gasfeld Juschno Russkoje, die man schon fast vollständig abgeschrieben hat, würde sich Stern gerne trennen. "Aber um etwas verkaufen zu können, müssen Sie einmal jemanden finden, der das auch kaufen will und es auch kaufen darf." Um das zu tun, brauche man in Russland auch die entsprechenden Genehmigungen. "Das ist zur Zeit aufgrund der Rechtslage extrem schwierig." Für Alfred Stern zeugen die Forderungen nach einem sofortigen Rückzug aus Russland von einem "sehr vereinfachten Rechtsverständnis. Ich könnte als OMV-Chef beispielsweise diese Verträge zerreißen hier in Wien, das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir nach wie vor dort beteiligt sind."

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Dass die OMV aufgrund der bestehenden Lieferverträge weiterhin Erdgas aus Russland beziehe, sei "sanktions- und rechtskonform", betonte Stern. "Tatsache ist, dass Gas bisher nicht von Sanktionen betroffen ist. Wir haben nicht den Luxus, Gas aus legitimen Bezugsquellen abzulehnen - zumal wir Verträge haben, die uns zur Abnahme verpflichten." Anders sieht es beim Öl aus: Man habe bereits vor Inkrafttreten der Sanktionen russisches Öl aus den OMV-Raffinerien entfernt und importiere auch keine russischen Ölprodukte wie Diesel.

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Bald neues Gas aus Rumänien?

Die wiederholte Forderung, die Lieferverträge mit dem russischen Gazprom-Konzern offenzulegen, kann der OMV-Chef nicht nachvollziehen. "Bei den Gasverträgen handelt es sich um privatrechtliche Verträge, die - wie bei solchen Verträgen auch üblich - eine Vertraulichkeitsklausel enthalten. Das heißt, wenn wir als OMV einseitig solche Verträge offenlegen, dann werden wir vertragsbrüchig." Der Aufsichtsrat der OMV sei über den Inhalt der Verträge informiert. Er sei aber ebenso wie der Vorstand zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der österreichische Staat halte zwar 31,5 Prozent an der OMV, laut Aktiengesetz müsse man aber alle Eigentümer gleich behandeln und könne daher keine Ausnahme machen und nur einen Teil der Eigentümer über den Inhalt der Verträge informieren.

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Zusätzliches Gas könnte künftig aus dem Schwarzen Meer kommen. Dort soll, wie berichtet, bis zum Sommer die Investitionsentscheidung für das Projekt "Neptun" fallen. "So, wie es zur Zeit aussieht, ist dieses Neptun-Gasfeld groß genug, dass Rumänien zusätzlich mit den anderen Förderquellen möglicherweise einen Überschuss an Gas hat und es auch exportieren könnte." Dieses Gas könnte zum Beispiel über die Slowakei nach Österreich transportiert werden. Das Gesamtinvestitionsvolumen wird auf rund 4 Milliarden Euro geschätzt, die OMV ist über ihre Tochter OMV Petrom mit 50 Prozent an dem Projekt beteiligt.

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Längerfristig setzt die OMV aber auf erneuerbare Energien, da dieser Bereich besonders stark am Wachsen ist. "Wir wollen uns in Richtung nachhaltige Kraftstoffe, Chemie und Materialien entwickeln. Wir werden aber als integriertes Unternehmen weiterhin in drei Bereichen tätig sein: Energie, Fuels & Feedstock und Chemicals & Materials". Mit Wien Energie gebe es ein Geothermie-Joint-Venture für die Fernwärme in Wien. In Rumänien habe man im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem staatlichen Stromversorger Oltenia ein Photovoltaik-Großprojekt mit 450 Megawatt angekündigt.

OMV-Speicher in Rumänien

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E-Fuels ja, aber da, wo sie Sinn machen

Grundsätzlich sei er "ein großer Freund von Technologie-Offenheit", sagte Stern. "Wir müssen alles einsetzen, was wir können." Die OMV selbst setzt allerdings auf den schwer zu elektrifizierenden Bereich. "Ich glaube, es würde keinen Sinn machen, wenn sich alle Bauern einen elektrischen Traktor anschaffen würden." Dort könne man mit nachhaltigen Kraftstoffen wie E-Fuels arbeiten. Auch das Interesse von Fluglinien wie der AUA sei in diesem Bereich groß. Im Privatverkehr spreche aber die Effizienz sehr für Elektrofahrzeuge.

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Das Niveau der Gaspreise werde dauerhaft hoch bleiben, so der OMV-Chef, da die Kosten für LNG höher seien als für Pipelinegas. Die Nachfrage aus Asien sei im vergangenen Jahr relativ gering gewesen, weil China auf Sparflamme geheizt habe, "aber wenn diese Nachfrage zurückkommt, wird das natürlich dazu führen, dass die Marktpreise im globalen Wettbewerb nach oben gehen werden". Zuletzt seien die Gaspreise zwar wieder gesunken, "aber mit 40 Euro pro Megawattstunde sind wir noch immer auf dem doppelten Niveau wie vor dem Ukraine-Krieg".

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