Chemie : Borealis: Was bedeutet der Verkauf der Düngemittel-Sparte für Österreich?
Die Europäische Kommission hat die Übernahme des Stickstoffgeschäfts der österreichischen OMV-Chemietochter Borealis durch die tschechische Agrofert-Gruppe des tschechischen Milliardärs und ehemaligen Ministerpräsidenten Andrej Babis ohne Auflagen genehmigt. Die Kommission sei zu dem Schluss gekommen, dass die Übernahme keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken im Europäischen Wirtschaftsraum aufwerfe. Dies teilte die EU-Kommission am Montagnachmittag in einer Aussendung mit.
Borealis hatte den Verkauf der Sparte, die Düngemittel, Melamin und technischen Stickstoff umfasst, im vergangenen Juni angekündigt. Der österreichische Chemiekonzern und Agrofert sind Wettbewerber im Agrar- und Chemiesektor bei der Herstellung und dem Verkauf von Stickstoffdünger, AdBlue und anderen technischen Stickstoffprodukten.
>>> OMV-Chef Stern: "Eine Frage, die wir uns gefallen lassen müssen".
Ursprünglich sollte der 810 Millionen Euro schwere Deal im November 2022 abgeschlossen werden. Sollten die EU-Wettbewerbshüter tatsächlich grünes Licht geben, könnte der Verkauf im ersten Quartal 2023 über die Bühne gehen, hieß es am Montag von Borealis auf APA-Anfrage. Die EU-Kommission lehnte zunächst eine Stellungnahme ab. Ihre Entscheidung über die Übernahme wird für heute erwartet.
>>> Im Kreislauf: Recycling und Upcycling bei großen Unternehmen.
Die OMV-Chemietochter Borealis wollte ihr Düngemittelgeschäft ursprünglich für 455 Millionen Euro an die russische EuroChem verkaufen, der Deal platzte aber wegen der Sanktionen des Westens gegen Russland. Wenige Monate später fand sich mit der Agrofert-Gruppe ein neuer Käufer. Der Verkauf an die Tschechen stößt in der österreichischen Landwirtschaft auf heftigen Widerstand.
>>> Der Reputation-Report der Industrie: Welchen Ruf haben Borealis und Co. im Internet?
Borealis ist zu 75 Prozent im Besitz der OMV, 25 Prozent hält der staatliche Ölkonzern aus Abu Dhabi, ADNOC. Vor zwei Jahren hat Borealis beschlossen, das Düngemittelgeschäft zu sanieren und zu veräußern. Agrofert hat Produktionsstätten in Deutschland, der Slowakei und Tschechien und gehört dem tschechischen Ex-Premier und heutigen Oppositionsführer Andrej Babis.
Kein Stellenabbau in Linz geplant
Mit der Übernahme des Düngemittelgeschäfts der OMV-Tochter Borealis würde Agrofert seine Düngemittelproduktion auf einen Schlag verdoppeln und die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich von derzeit 3.200 auf über 5.000 erhöhen. Mit einer Produktion von 8 Millionen Tonnen pro Jahr wäre man aber immer noch nur die Nummer zwei in Europa, hinter dem norwegischen Hersteller Yara mit 14 Millionen Tonnen pro Jahr. Damit versuchten die Tschechen Befürchtungen österreichischer Bauern zu zerstreuen, dass Agrofert dann eine marktbeherrschende Stellung einnehmen könnte. Auch ein Arbeitsplatzabbau am Linzer Borealis-Standort sei nicht zu befürchten.
>>> BASF streicht nach Milliardenverlusten tausende Stellen.
Der Niederösterreichische Bauernbund erneuerte unterdessen am Donnerstag in einer Aussendung seine Forderung nach einem Investitionsschutzgesetz für Österreich. "Der Borealis-Deal zeigt klar auf, dass die Entscheidung für ein österreichisches Unternehmen und die Frage der Versorgungssicherheit der Österreicherinnen und Österreicher in Brüssel und Paris entschieden wird und nicht bei uns. Dieser Umstand gehört dringend geändert", so Bauernbund-Präsident LHStv. Stephan Pernkopf (ÖVP) und Bauernbund-Direktor Paul Nemecek. Der Bauernverband hatte zudem eine deutsche Kanzlei eingeschaltet, um vor den europäischen Wettbewerbsbehörden entsprechend gegen den Verkauf vorzugehen.
>>> Industrieland Österreich: Alles über die heimische Industrie.
Borealis werde sich in Zukunft verstärkt auf seine Kernaktivitäten konzentrieren. Es geht um Lösungen in den Bereichen Polyolefine und Basischemikalien sowie Wege in Richtung Kreislaufwirtschaft. Borealis gehört zu 75 Prozent der OMV und zu 25 Prozent der Beteiligungsgesellschaft von Mubadala mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Das Chemieunternehmen hat seine Konzernzentrale in Wien, beschäftigt rund 6.900 Mitarbeiter und ist in über 120 Ländern aktiv.