Firmen-Pleiten in Österreich : Die größten Insolvenzen des jungen Jahres 2024
Nach der ruhigen Insolvenzperiode rund um die Pandemie und der damit verbundenen Annäherung an die Insolvenzzahlen aus der Zeit vor der Pandemie ist im heurigen Jahr mit einem deutlichen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen zu rechnen. Der Gläubigerschutzverband KSV1870 rechnet für das Jahr 2024 im Vergleich zum Jahr 2023 mit einem Anstieg von rund 15 Prozent oder rund 800 Fällen auf mindestens 6.200 Unternehmensinsolvenzen. Die Zahl der Privatinsolvenzen wird mit 9.500 um rund 500 höher als im Vorjahr erwartet. Besonders betroffen von der Krise sind das Baugewerbe und der Handel.
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"Die vergangenen Jahre haben nicht nur die Menschen geprägt, sondern auch die Unternehmen. Und was die finanzielle Stabilität der Betriebe betrifft, war das sehr häufig keine positive Prägung", sagt KSV-Experte Karl-Heinz Götze. Allein im ersten Quartal per Ende März gibt es hochgerechnet einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um gut 27 Prozent auf 1.691 Fälle. Bereits im letzten Quartal 2023 gab es mit 1.450 Insolvenzen um rund 150 mehr als in den vorangegangenen Quartalen des Vorjahres.
Anstieg der Insolvenzen: Herausforderung für Österreichs Wirtschaft 2024
Im Schatten der zahlreichen Insolvenzen rund um die Signa-Gruppe hat das heimische Insolvenzgeschehen in den ersten drei Monaten des Jahres deutlich an Fahrt aufgenommen. 2024 ist die wirtschaftliche Lage vieler heimischer Unternehmen weiterhin äußerst angespannt und das Marktumfeld vielerorts schwierig - insbesondere die Industrie leidet massiv unter den hohen Energiekosten. „Die vergangenen Jahre haben unübersehbare Spuren in den Betrieben hinterlassen. Der Druck auf die Wirtschaft steigt zunehmend und die daraus resultierenden Folgen spiegeln sich jetzt auch im sehr deutlichen Anstieg der Insolvenzen wider“, erklärt Götze
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Mit Blick auf das Gesamtjahr werde es sich bei dem Quartal aber nicht um eine Ausnahme, sondern eher um die Regel handeln, so Götze weiter. Ob sich das Gesamtjahresplus bei den prognostizierten rund 15 Prozent einpendeln wird, hängt laut dem Experten "auch von unterjährigen Entwicklungen einiger 'Kernbranchen' wie Bauwirtschaft oder Handel ab, die aktuell zu den größten Sorgenkindern der heimischen Wirtschaft zählen".
Das erste Quartal 2024 ist laut KSV das mit den meisten Insolvenzen seit dem Jahr 2009. Gleichzeitig steigen die Passiva aufgrund der zahlreichen Großinsolvenzen stark an. "Das Tempo hat sich deutlich erhöht. Vor allem sind immer häufiger auch etablierte, größere Betriebe betroffen", so Götze.
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Die Zahl der insolvenzbetroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stieg um 63,95 Prozent auf 5.294. Die Passiva haben sich im ersten Quartal auf knapp 2,2 Milliarden Euro mehr als vervierfacht. Dies ist vor allem auf die weiteren Signa-Insolvenzen zurückzuführen.
Sanierungspläne wurden mit den Gläubigern in rund einem Viertel der aufgehobenen Verfahren vereinbart. Die durchschnittliche Sanierungsplanquote betrug 42,30 Prozent. In rund der Hälfte der Fälle erhielten die Gläubiger eine Quote von mehr als 25 Prozent, in der anderen Hälfte der Fälle mussten sie sich mit weniger zufrieden geben. Bei rund einem Drittel der Konkursaufhebungen kam es zu Ausschüttungen. Die durchschnittliche Quote betrug 15,38 Prozent.
Hohe Zahl nicht eröffneter Fälle
Besorgniserregend ist auch die nach wie vor hohe Zahl der nicht eröffneten Fälle mangels Kapital. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der nicht eröffneten Verfahren um 15,3 Prozent auf 597 Fälle gestiegen. "Es ist mehr als bedenklich, dass in diesen Fällen nicht einmal mehr die Verfahrenseröffnung bei Gericht bezahlt werden kann. Vor allem, weil wir hier von Kosten in der Höhe von 4.000 Euro sprechen", so Götze.
Diese Entwicklung sei in zunehmendem Maße auch eine Gefahr für die Volkswirtschaft. Denn Unternehmen, die nicht ordnungsgemäß abgewickelt werden, bedeuten gleichzeitig auch ein erhöhtes Geschäftsrisiko für ihre Geschäftspartner - vor allem, weil diese in solchen Fällen auf ihren offenen Forderungen zur Gänze sitzen bleiben.
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Die Hochrechnung des KSV1870 zeigt, dass die Baubranche mit 312 insolventen Unternehmen (plus 17 Prozent) seit Jahresbeginn an der Spitze der Insolvenzstatistik liegt. In der Branche hofft man dringend auf das Wohnbaupaket, das die Regierung diese Woche im Nationalrat beschließen will. Das Paket hat ein Volumen von rund 2 Milliarden Euro.
An zweiter Stelle liegt der Handel mit 306 Insolvenzen (+33%). Mit 78,2 Millionen Euro Passiva ist die Windhager Zentralheizung Technik aus Salzburg heuer die bisher größte Unternehmensinsolvenz.
Liste von größten Insolvenzen 2024
Die Unternehmensinsolvenzen sind im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr um rund 57 Prozent gestiegen. Das Niveau der Vorkrisenjahre ist damit aber noch nicht erreicht, die erwartete Insolvenz-Welle ist bisher ausgeblieben. Für das laufende Jahr rechnet der Kreditschutzverband aber mit weiter steigenden Zahlen, bis zu 15 Prozent mehr Insolvenzen als im Vorjahr werden erwartet.
Das sind die (bisher) größten Insolvenzen des Jahres 2024:
- Windhager Technik GmbH, Passiva: 78,2 Mio. Euro
- Brucha Ges.mbH, Passiva: 74,2 Mio. Euro
- SIGNA Real Estate Management GmbH, Passiva: 60,3 Mio. Euro
- PEPCO Austria, Passiva: 53,5 Mio. Euro
- ASAP Production GmbH, Passiva: 51,6 Mio. Euro
- ASAP Trading GmbH, Passiva: 45,8 Mio. Euro
- NBG Fiber Holding GmbH, Passiva: 35,1 Mio. Euro
- High Vision Investment HVI GmbH, Passiva: 35,0 Mio. Euro
- ASAP 62 EUR GmbH, Passiva: 28,7 Mio. Euro
- EMPIS GmbH & Co KG, Passiva: 27,7 Mio. Euro
- MGG Herzogenburg, Passiva: 27,0 Mio. Euro
- SIGNA SFS Austria GmbH. Passiva: 23,3 Mio. Euro
- Magazin 07 Möbel und Einrichtungen, Passiva: 15,0 Mio. Euro
- SYN TRAC GmbH, Passiva: 14,5 Mio. Euro
Eines wird derzeit besonders deutlich: Die Zahl der Großinsolvenzen mit Passiva von mindestens 10 Mio. Euro nimmt zu. Waren es im Vergleichszeitraum des Vorjahres nur fünf Unternehmensinsolvenzen dieser Größenordnung, so sind es in diesem Jahr bereits 14 Fälle. Auffällig ist zudem: Im 1. Quartal 2023 befanden sich unter den zehn größten Fällen drei Konkursverfahren und sieben Sanierungsverfahren mit/ohne Eigenverwaltung - in diesem Jahr ist es genau umgekehrt.
„Der gute Wille vieler Unternehmen, das Ruder doch noch selbständig herzumzureißen, ist zuletzt vermehrt zum Boomerang geworden. Durch zu langes Abwarten blieb in diesen Fällen am Ende nur noch die Option eines Konkursverfahrens übrig, was häufig in einer vollständigen Liquidierung des Betriebes endet und für viele Menschen den Verlust ihres Arbeitsplatzes bedeutet“, erklärt Götze.
Gläubiger haben es in Österreich (vergleichsweise) gut
Kommt es zur Insolvenz eines Unternehmens, erhalten die Gläubiger in der Regel nur einen Bruchteil ihrer Forderungen zurück. Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Gläubiger in Österreich jedoch deutlich besser gestellt. Denn das österreichische Insolvenzrecht führt zu extrem hohen Quoten für ungesicherte Gläubiger, zu kürzeren Verfahren und zu einer hohen Sanierungsquote. Das teilte der Alpenländische Kreditorenverband (AKV Europa) in einer Aussendung mit.
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Während im Vorjahr in knapp 30 Prozent der Verfahren ein Sanierungsplan mit den Gläubigern abgeschlossen werden konnte, waren es heuer bisher rund 25 Prozent. Bei rund 7,4 Prozent der Verfahren im Vorjahr und 6,5 Prozent heuer konnte nach der Schließung des Unternehmens ein Zahlungsplan vereinbart werden. In rund einem Drittel der Verfahren konnte somit ein Schuldenbereinigungsplan vereinbart werden. Ein im internationalen Vergleich hervorragender Wert, wie der AKV Europa betont.
Bei den Sanierungsplanvorschlägen können sich die Gläubiger meist über mehr als die gesetzliche Quote von 20 bzw. 30 Prozent freuen, so der AKV Europa weiter. In 5 bzw. 5,5 Prozent der Fälle erhielten die Gläubiger ihre Forderungen zur Gänze zurück. Hinzu kommen aber noch 3,8 bzw. 4 Prozent sonstige Beendigungen des Insolvenzverfahrens, die meist ebenfalls eine vollständige Tilgung der Forderungen vorsehen.
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Bei Annahme eines Sanierungsplans lag die Quote im Durchschnitt bei rund 42 Prozent. Die Hälfte der ausgezahlten Quoten lag unter, die andere Hälfte über rund 25 Prozent (Medianwert). Wurde hingegen kein Sanierungsplan erstellt, sondern das Vermögen unter den Gläubigern verteilt - dies war bei 31 Prozent (2023) bzw. 34 Prozent (2024) der inzwischen aufgehobenen Unternehmensinsolvenzen der Fall -, ergaben sich eine durchschnittliche Quote von 15 Prozent und ein Medianwert von 6,6 bzw. 7,2 Prozent.
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