Aktuelle Insolvenzen in Österreich : Die größten Insolvenzen des jungen Jahres 2024

Vienna, Austria - 12 29 2023 - Headquarter of the insolvent real estate company Signa Holding in downtown Vienna

Anstieg der Großinsolvenzen in Österreich und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft: Experten wie Karl-Heinz Götze analysieren die Gründe hinter diesem Trend und die Folgen für Unternehmen und Arbeitsplätze.

- © Spitzi-Foto - stock.adobe.com

Die angespannte Wirtschaftslage zeigt weiterhin Auswirkungen auf die Firmeninsolvenzen in Österreich. Im ersten Halbjahr 2024 wird laut einer Hochrechnung des Gläubigerschutzverbandes KSV 1870 die Anzahl der Insolvenzen voraussichtlich um 26 Prozent auf 3.308 ansteigen. Dies entspricht durchschnittlich 18 Firmenpleiten pro Tag. Besonders stark betroffen sind der Handel, die Bauwirtschaft sowie der Beherbergungs- und Gastronomiebereich.

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Ein neuer Negativrekord wird bei den Großinsolvenzen verzeichnet. Bis zum heutigen Mittwoch gab es bereits 36 Großinsolvenzen mit Verbindlichkeiten von über zehn Millionen Euro. "Das gab es noch nie", betont der Gläubigerschutzverband in einer Aussendung. Dadurch haben sich die vorläufigen Verbindlichkeiten um mehr als 900 Prozent auf etwa elf Milliarden Euro vervielfacht. Hauptursache ist die anhaltende Insolvenzwelle um die Signa und deren Gründer René Benko. Zuletzt musste die Familie Benko Privatstiftung Insolvenz anmelden, wobei die Gläubigerforderungen im zweistelligen Millionenbereich liegen. Bemerkenswert unter den Großinsolvenzen ist neben dem Signa-Konglomerat der Fall der Fisker GmbH, die mit Verbindlichkeiten von 1,34 Milliarden Euro die größte Pleite in der steirischen Wirtschaftsgeschichte darstellt.

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- © Industriemagazin

Anstieg der Insolvenzen: Herausforderung für Österreichs Wirtschaft 2024

Die steigende Zahl der Insolvenzen lässt sich auf eine angespannte Geschäftslage, sinkende Umsätze und fehlende Aufträge zurückführen. "Der wirtschaftliche Druck nimmt zu, und Österreichs Unternehmen müssen um jeden Euro kämpfen. Für immer mehr Betriebe spitzt sich die Situation zu. Es ist aktuell zu erwarten, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen auch in den kommenden Monaten auf einem ähnlich hohen Niveau bleiben wird", erklärte Karl-Heinz Götze, Leiter Insolvenz beim KSV.

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Eine isolierte Betrachtung der ersten beiden Quartale zeigt, dass es im ersten Quartal mit 1688 Fällen mehr Insolvenzen gab als im zweiten Quartal mit 1620 Fällen. Das erste Quartal 2024 war jedoch das insolvenzreichste Jahresviertel seit 2009. Eine Verlangsamung ist daher nicht zu erkennen. "Das Tempo hat sich gegen Ende 2023 deutlich beschleunigt und bleibt bis heute konstant hoch", so Götze.

www.annarauchenberger.com / Anna Rauchenberger - Wien, Austria - 25.05.2020 - Portrait Karl-Heinz Götze, KSV1870
KSV-Experte für Insolvenzen Karl-Heinz Götze - © www.annarauchenberger.com / Anna Rauchenberger

Laut der Hochrechnung des KSV 1870 sind die Haupttreiber der Insolvenzen der Handel (einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kfz) mit 585 Fällen und einem Anstieg von 21,1 Prozent, die Bauwirtschaft mit 573 Fällen (plus 26,5 Prozent) sowie die Beherbergung und Gastronomie mit 403 Insolvenzen (plus 15,1 Prozent). "Angesichts des in Österreich recht hohen Preisniveaus, insbesondere beim Faktor Energie, leiden diese Branchen aufgrund ihrer energieintensiven Tätigkeit besonders stark", erläutert Götze.

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Die Zahl der Privatkonkurse blieb hingegen auf etwa gleichem Niveau. Mit 4.580 eröffneten Schuldenregulierungsverfahren wurde im Vergleich zur Vorjahresperiode ein Anstieg von 0,7 Prozent verzeichnet. Das Burgenland verzeichnete den deutlichsten Rückgang mit minus 12,6 Prozent, während Salzburg den stärksten Zuwachs mit 6,7 Prozent erlebte.

Das erste Quartal 2024 ist laut KSV das mit den meisten Insolvenzen seit dem Jahr 2009. Gleichzeitig steigen die Passiva aufgrund der zahlreichen Großinsolvenzen stark an. "Das Tempo hat sich deutlich erhöht. Vor allem sind immer häufiger auch etablierte, größere Betriebe betroffen", so Götze.

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Sanierungspläne wurden mit den Gläubigern in rund einem Viertel der aufgehobenen Verfahren vereinbart. Die durchschnittliche Sanierungsplanquote betrug 42,30 Prozent. In rund der Hälfte der Fälle erhielten die Gläubiger eine Quote von mehr als 25 Prozent, in der anderen Hälfte der Fälle mussten sie sich mit weniger zufrieden geben. Bei rund einem Drittel der Konkursaufhebungen kam es zu Ausschüttungen. Die durchschnittliche Quote betrug 15,38 Prozent.

Hohe Zahl nicht eröffneter Fälle

Besorgniserregend ist auch die nach wie vor hohe Zahl der nicht eröffneten Fälle mangels Kapital. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der nicht eröffneten Verfahren um 15,3 Prozent auf 597 Fälle gestiegen. "Es ist mehr als bedenklich, dass in diesen Fällen nicht einmal mehr die Verfahrenseröffnung bei Gericht bezahlt werden kann. Vor allem, weil wir hier von Kosten in der Höhe von 4.000 Euro sprechen", so Götze.

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Diese Entwicklung sei in zunehmendem Maße auch eine Gefahr für die Volkswirtschaft. Denn Unternehmen, die nicht ordnungsgemäß abgewickelt werden, bedeuten gleichzeitig auch ein erhöhtes Geschäftsrisiko für ihre Geschäftspartner - vor allem, weil diese in solchen Fällen auf ihren offenen Forderungen zur Gänze sitzen bleiben.

Gesamtinsolvenzen Hochrechnung, Ver?nderung zum Vorjahreszeitraum, Bundesl?nder, Quelle: KSV; Die Auslieferung der APA-Grafiken als Embed-Code ist ausschlie?lich Kunden mit einer g?ltigen Vereinbarung f?r Grafik-Pauschalierung vorbehalten. Dabei inkludiert sind automatisierte Schrift- und Farbanpassungen an die jeweilige CI. F?r weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Grafik-Team unter grafik@apa.at. GRAFIK 0376-24, 88 x 84 mm
Gesamtinsolvenzen Hochrechnung, Veränderung zum Vorjahreszeitraum, Bundesländer, Quelle: KSV - © APA

Liste von aktuellen Insolvenzen 2024

Die Unternehmensinsolvenzen sind im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr um rund 57 Prozent gestiegen. Das Niveau der Vorkrisenjahre ist damit aber noch nicht erreicht, die erwartete Insolvenz-Welle ist bisher ausgeblieben. Für das laufende Jahr rechnet der Kreditschutzverband aber mit weiter steigenden Zahlen, bis zu 15 Prozent mehr Insolvenzen als im Vorjahr werden erwartet.

Das sind die (bisher) größten Insolvenzen des Jahres 2024:

  1. Familie Benko Privatstiftung Innsbruck/Tirol 2.280 Mio.
  2. Rene Benko Innsbruck/Tirol 2.017 Mio.
  3. Fisker GmbH Graz/Stmk 1.340 Mio.
  4. SIGNA Prime Holding GmbH Wien 1.275 Mio.
  5. SIGNA Retail GmbH Wien 1.131 Mio.
  6. Mariahilfer Straße 10-18 Immobilien GmbH Wien 300 Mio.
  7. Brucha Ges.mbH, Passiva: 85 Mio. Euro
  8. Windhager Technik GmbH, Passiva: 75 Mio. Euro
  9. Liegenschaftspaket SABA GmbH
    vorm: Sveta Immobilien GmbH Wien 70 Mio.
  10. PEPCO Austria, Passiva: 53,5 Mio. Euro
  11. ASAP Production GmbH, Passiva: 51,6 Mio. Euro
  12. ASAP Trading GmbH, Passiva: 45,8 Mio. Euro
  13. NBG Fiber Holding GmbH, Passiva: 35,1 Mio. Euro
  14. High Vision Investment HVI GmbH, Passiva: 35,0 Mio. Euro
  15. ASAP 62 EUR GmbH, Passiva: 28,7 Mio. Euro
  16. EMPIS GmbH & Co KG, Passiva: 27,7 Mio. Euro
  17. MGG Herzogenburg, Passiva: 27,0 Mio. Euro
  18. Magazin 07 Möbel und Einrichtungen, Passiva: 15,0 Mio. Euro
  19. SYN TRAC GmbH, Passiva: 14,5 Mio. Euro
ABD0016_20231229 - HERZOGENBURG - ?STERREICH: ++ HANDOUT/ARCHIVBILD ++ ZU APA0152 VOM 29.12.2023 - Der nieder?sterreichische Automobilzulieferer MGG Herzogenburg GmbH hat am Freitag ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung am Landesgericht St. P?lten beantragt. Das Unternehmen mit Sitz im Bezirk St. P?lten besch?ftigt derzeit laut einer Aussendung rund 200 Mitarbeiter. Im Bild: Die Zentrale der MGG. (UNDATIERTES ARCHIVBILD) - FOTO: APA/PRIVAT - ++ WIR WEISEN AUSDR?CKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN GR?NDEN AUSSCHLIESSLICH IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ANGEF?HRTEN ZWECK UND REDAKTIONELL ERFOLGEN DARF - VOLLST?NDIGE COPYRIGHTNENNUNG VERPFLICHTEND ++
Auch die Insolvenz der MGG Herzogenburg gehört bereits zu den größten Insolvenzen des jungen Jahres 2024 - © APA/PRIVAT

Anstieg bei Großinsolvenzen: Zahl der Fälle mit Passiva über 10 Mio. explodiert

Eines wird derzeit besonders deutlich: Die Zahl der Großinsolvenzen mit Passiva von mindestens 10 Mio. Euro nimmt zu. Waren es im Vergleichszeitraum des Vorjahres nur fünf Unternehmensinsolvenzen dieser Größenordnung, so sind es in diesem Jahr bereits 21 Fälle. Auffällig ist zudem: Im 1. Quartal 2023 befanden sich unter den zehn größten Fällen drei Konkursverfahren und sieben Sanierungsverfahren mit/ohne Eigenverwaltung - in diesem Jahr ist es genau umgekehrt.

„Der gute Wille vieler Unternehmen, das Ruder doch noch selbständig herzumzureißen, ist zuletzt vermehrt zum Boomerang geworden. Durch zu langes Abwarten blieb in diesen Fällen am Ende nur noch die Option eines Konkursverfahrens übrig, was häufig in einer vollständigen Liquidierung des Betriebes endet und für viele Menschen den Verlust ihres Arbeitsplatzes bedeutet“, erklärt Götze.

Gläubiger haben es in Österreich (vergleichsweise) gut

Kommt es zur Insolvenz eines Unternehmens, erhalten die Gläubiger in der Regel nur einen Bruchteil ihrer Forderungen zurück. Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Gläubiger in Österreich jedoch deutlich besser gestellt. Denn das österreichische Insolvenzrecht führt zu extrem hohen Quoten für ungesicherte Gläubiger, zu kürzeren Verfahren und zu einer hohen Sanierungsquote. Das teilte der Alpenländische Kreditorenverband (AKV Europa) in einer Aussendung mit.

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Während im Vorjahr in knapp 30 Prozent der Verfahren ein Sanierungsplan mit den Gläubigern abgeschlossen werden konnte, waren es heuer bisher rund 25 Prozent. Bei rund 7,4 Prozent der Verfahren im Vorjahr und 6,5 Prozent heuer konnte nach der Schließung des Unternehmens ein Zahlungsplan vereinbart werden. In rund einem Drittel der Verfahren konnte somit ein Schuldenbereinigungsplan vereinbart werden. Ein im internationalen Vergleich hervorragender Wert, wie der AKV Europa betont.

Bei den Sanierungsplanvorschlägen können sich die Gläubiger meist über mehr als die gesetzliche Quote von 20 bzw. 30 Prozent freuen, so der AKV Europa weiter. In 5 bzw. 5,5 Prozent der Fälle erhielten die Gläubiger ihre Forderungen zur Gänze zurück. Hinzu kommen aber noch 3,8 bzw. 4 Prozent sonstige Beendigungen des Insolvenzverfahrens, die meist ebenfalls eine vollständige Tilgung der Forderungen vorsehen.

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Bei Annahme eines Sanierungsplans lag die Quote im Durchschnitt bei rund 42 Prozent. Die Hälfte der ausgezahlten Quoten lag unter, die andere Hälfte über rund 25 Prozent (Medianwert). Wurde hingegen kein Sanierungsplan erstellt, sondern das Vermögen unter den Gläubigern verteilt - dies war bei 31 Prozent (2023) bzw. 34 Prozent (2024) der inzwischen aufgehobenen Unternehmensinsolvenzen der Fall -, ergaben sich eine durchschnittliche Quote von 15 Prozent und ein Medianwert von 6,6 bzw. 7,2 Prozent.

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