Skandal um Corona-Masken : Strafen für Lenzing und Palmers wegen insolventer Hygiene Austria

ABD0011_20240122 - WIENER NEUDORF - ?STERREICH: ++ ARCHIVBILD ++ ZU APA0063 VOM 22.1.2024 - Der Mund-Nasen- und FFP2-Schutzmasken-Produzent Hygiene Austria mit Sitz in Wiener Neudorf hat Insolvenz angemeldet. ?ber die 100-Prozent-Tochter des W?scheherstellers Palmers wurde am Landesgericht Wiener Neustadt ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung er?ffnet. Im Bild: Hygiene Austria Mitarbeiter im Rahmen einer Pr?sentation der Palmers und Lenzing AG zum "Start einer Maskenproduktion" am Freitag, 8. Mai 2020, in Wiener Neudorf. (ARCHIVBILD VOM 8.5.2020) - FOTO: APA/ROBERT JAEGER

Im Zusammenhang mit der Gründung des Coronamasken-Herstellers Hygiene Austria im Frühling 2020 durch Lenzing und Palmers hat die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nun Strafen für die beiden Gründungsunternehmen beantragt.

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Im Zusammenhang mit der Gründung des Mundschutz-Herstellers Hygiene Austria durch Lenzing und Palmers im Frühjahr 2020 hat die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nun beantragt, die beiden Gründungsunternehmen zu sanktionieren. Grund dafür sei, so die BWB, dass der Zusammenschluss bereits vor der Anmeldung der Gründung von Hygiene Austria erfolgt sei. Gegen Lenzing hat die Behörde einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 75.000 Euro, gegen Palmers einen Antrag auf Verhängung einer "angemessenen Geldbuße".

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Wie die BWB mitteilte, hatten Palmers und Lenzing am 12. Mai 2020 angemeldet, ein Joint Venture zu gründen. Dieses sei mangels wettbewerblicher Bedenken am 26. Mai 2020 genehmigt worden. Durch eine parlamentarische Anfrage sei die Behörde jedoch darauf aufmerksam geworden, dass der Zusammenschluss bereits vor der Anmeldung und dem Abschluss der Prüfung durch die BWB vollzogen worden sein dürfte. Die Unternehmen hätten sich nämlich medial und öffentlich bereits so verhalten, als sei der Zusammenschluss bereits vollzogen.

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- © Industriemagazin

Corona-Förderungen in Millionen-Höhe

Der mittlerweile in Konkurs gegangene Mundschutzhersteller Hygiene Austria und sein Mutterkonzern Palmers Textil haben in der Corona-Zeit mehrere Millionen an Förderungen erhalten. Das Gesamtvolumen der Förderung beläuft sich auf ca. 5,5 Mio. Euro. Der größte Teil der Förderungen entfiel auf Palmers, die von Jänner 2020 bis Dezember 2023 insgesamt 5,2 Mio. Euro an AMS-Förderungen erhielten. Davon entfielen 4,8 Millionen Euro auf die Kurzarbeitsbeihilfe. Zusätzlich wurden laut Ministerium rund 185.000 Euro aus dem Förderprogramm Investitionsprämie der Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws) gewährt.

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Für die Hygiene Austria wurden zusätzlich AMS-Förderungen in Höhe von knapp 98.000 Euro gewährt. Aus dem Förderprogramm Investitionsprämie der aws waren weitere rund 84.000 Euro zugesagt. Diese wurden jedoch aufgrund eines eröffneten Insolvenzverfahrens nicht ausbezahlt.

Lenzing geständig

Den voreiligen Maskenpartnern kamen die Kartellwächter übrigens durch Zufall auf die Spur. Eine parlamentarische Anfrage machte stutzig, denn die Anfrage an die Regierungsparteien ließ den Verdacht aufkommen, dass Palmers und Lenzing "Gun Jumping" betrieben, also schon aktiv waren, bevor der Zusammenschluss angemeldet und geprüft war. Die Gründungsunternehmen seien bereits im April 2020 in den Medien und in der Öffentlichkeit so aufgetreten, als ob der Zusammenschluss bereits vollzogen worden wäre, beschreibt die BWB den Vorgang.

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Aus einer Meldung der Austria Presse Agentur vom 24. April 2020 ist ersichtlich, dass der erstmalige Marktauftritt der Hygiene Austria und damit der Vollzug des Zusammenschlussvorhabens jedenfalls zu diesem Zeitpunkt angenommen werden kann. Ab diesem Zeitpunkt hätten die Mitbewerber bzw. die Kunden die Möglichkeit gehabt, ihr Marktverhalten an diese neuen Umstände anzupassen, so die BWB in einer Aussendung. "Im Fall der Hygiene Austria ist der erstmalige Marktauftritt und folglich die Durchführung des Fusionsvorhabens jedenfalls zum Zeitpunkt der APA Pressemeldung vom 24.04.2020 anzunehmen, da spätestens ab diesem Zeitpunkt Marktstrukturveränderungen möglich waren. So konnten Mitbewerber oder Kunden Kenntnis hiervon erlangen und ihr jeweiliges Marktverhalten an diese neuen Umstände anpassen," schreibt die BWB.

Der Sachverhalt wurde von Palmers, nicht aber von Lenzing in Abrede gestellt. Die Kooperation von Lenzing mit der BWB wurde als mildernder Umstand berücksichtigt, so dass die BWB für das Unternehmen eine Geldbuße in Höhe von 75.000 Euro beantragt hat. Für Palmers wurde hingegen ein Antrag auf Verhängung einer "angemessenen Geldbuße" beim Kartellgericht gestellt.

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Die Hygiene Austria wurde im Frühjahr 2020 von Palmers und Lenzing als Joint Venture für die Produktion von Mund-Nasen-Schutz (MNS) und FFP2-Masken gegründet. Mittlerweile ist Palmers Alleineigentümerin des Unternehmens, das im Jänner 2024 Gegenstand eines Insolvenzverfahrens war. In den Jahren 2021 und 2022 erschütterte der FFP2-Maskenskandal das Unternehmen. Nach außen präsentierte sich die Hygiene Austria als Unternehmen mit Produkten made in Austria" und erhielt umfangreiche öffentliche Aufträge. Später wurde jedoch bekannt, dass die Masken teilweise aus China stammten.

Hygiene Austria meldete Insolvenz an

Über den skandalumwitterten Mund-Nasen- und FFP2-Schutzmaskenhersteller Hygiene Austria mit Sitz in Wiener Neudorf ist Ende Januar ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Wie der Gläubigerschutzverband KSV1870 mitteilte, wurde über die 100-prozentige Tochter des Wäscheherstellers Palmers am Landesgericht Wiener Neustadt ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Demnach verteilen sich die Schulden in Höhe von 5,2 Millionen Euro auf 30 Gläubiger. Von der Insolvenz sei nur (noch) ein Mitarbeiter betroffen.

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Die Schuldnergesellschaft Hygiene Austria LP GmbH wurde gegründet, sobald die Pandemie Covid 19 im März 2020 begann. Alleinige Eigentümerin war die PalmersTextil AG. Der Kreditschutzverband erinnert daran, dass das Unternehmen in den Jahren 2021 und 2022 im Mittelpunkt der medialen Berichterstattung stand. Der Skandal um die FFP2-Masken rund um Hygiene Austria und Palmers habe für großes Aufsehen gesorgt.

Ursprünglich wurde das Unternehmen als Joint Venture von Lenzing und Palmers gegründet, um Masken in Österreich zu produzieren. Nach außen hin präsentierte sich die Hygiene Austria als Unternehmen mit Produkten "made in Austria", wurde von hochrangigen politischen Delegationen bei Betriebsbesichtigungen empfangen und erhielt umfangreiche Aufträge der öffentlichen Hand. In weiterer Folge wurde bekannt, dass die Masken aus China bezogen wurden.

Gegen Ende der Pandemie erschütterte zudem ein mutmaßlicher Finanzskandal das Unternehmen: Im Sommer 2022 berichtete die Tageszeitung "Der Standard" über "öffentlich nicht bekannte, schwere Vorwürfe", betreffend "fortgesetzter Steuerhinterziehung in großem Ausmaß unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege". Palmers soll demnach mindestens 693.000 Euro an Zöllen und Einfuhrumsatzsteuer hinterzogen haben, um über Palmers Deutschland Mundschutzmasken aus China zu importieren. Die Vorwürfe wurden sowohl von Palmers als auch von Hygiene Austria zurückgewiesen. Wie Volkert Sackmann, Anwalt des ehemaligen Hygiene-Austria-Geschäftsführers Tino Wieser, später mitteilte, wurde ein entsprechendes Ermittlungsverfahren der Europäischen Staatsanwaltschaft im April 2023 eingestellt.

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Als Ursache für die Insolvenz nennt die Hygiene Austria als Schuldnerin nun massive Umsatzeinbrüche durch das Auslaufen der Corona-Pandemie und den damit verbundenen erheblichen Rückgang der Abnahme von Gesichtsmasken sowie diverse anhängige Gerichtsverfahren.

ABD0012_20240122 - WIENER NEUDORF - ?STERREICH: ++ ARCHIVBILD ++ ZU APA0063 VOM 22.1.2024 - Der Mund-Nasen- und FFP2-Schutzmasken-Produzent Hygiene Austria mit Sitz in Wiener Neudorf hat Insolvenz angemeldet. ?ber die 100-Prozent-Tochter des W?scheherstellers Palmers wurde am Landesgericht Wiener Neustadt ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung er?ffnet. Im Bild: Eine FFP2-Maske des Schutzmasken-Herstellers Hygiene Austria, aufgenommen am Mittwoch, 03. M?rz 2021. (ARCHIVBILD VOM 3.3.2021) - FOTO: APA/HANS KLAUS TECHT
"Made in Austria"-Fake - © APA/HANS KLAUS TECHT