Energie : EU produziert mehr Strom aus Erneuerbaren als aus Gas

Windkraftanlage in Trumau

Windkraftanlage in Trumau

- © Wien Energie / Lilly Kaltenbrunn

In der EU ist 2022 erstmals mehr Strom aus Wind und Sonne produziert worden als aus Gas. Laut einer Analyse der Denkfabrik Ember Climate kamen im vergangenen Jahr rund 22 Prozent der Elektrizität in der EU aus Solar- und Windkraft und damit anteilig so viel wie noch nie. 2021 waren es demnach etwa 19 Prozent. Aus Gas stammten hingegen fast 20 Prozent des EU-Strommixes - knapp ein Prozentpunkt weniger als 2021. Die Energiewende habe sich durch die Energiekrise verstärkt.

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Insgesamt kamen laut Ember Climate im vergangenen Jahr 623 Terawattstunden (TWh) aus Wind und Sonne. Am meisten Wind- und Solarenergie erzeugte 2022 den Zahlen der Denkfabrik zufolge Deutschland - 126 Terawattstunden aus Wind und 59 Terawattstunden aus Sonne. Die Anteile an der Wind- und Solarenergie am deutschen Strommix waren verglichen mit anderen EU-Ländern jedoch geringer: Bei der Erzeugung aus Sonne sind die Niederlande mit 14 Prozent am gesamten Strommix Spitzenreiter, gefolgt von Griechenland und Ungarn (beide 13 Prozent). Mit einem mehr als 50-prozentigen Anteil an Windenergie hat laut Ember Climate Dänemark die Nase vorn. Gefolgt von Litauen mit fast 40 Prozent und Irland mit rund 35 Prozent.

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Die Krise hat die Umstellung der Stromversorgung in Europa zweifellos beschleunigt
Dave Jones, Datenexperte bei Embers

Plus 24 Prozent

Laut Analyse produzierte die EU im vergangenen Jahr 203 Terawattstunden Strom aus Sonne und damit 39 Terawattstunden mehr als 2021, was einem Plus von 24 Prozent entspricht. Das sei das Doppelte des vorherigen Rekords. Den Berechnungen zufolge konnten dadurch Gaseinkäufe in Höhe von rund zehn Milliarden Euro vermieden werden. Demnach produzierten 20 der 27 EU-Staaten 2022 so viel Sonnenenergie wie noch nie. Am meisten Fortschritte beim Hochfahren von Solaranlagen machten unter anderem Deutschland, Spanien und Polen.

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Aus Wind produzierte die EU 2022 hingegen 420 Terawattstunden Strom - 33 mehr als 2021. "Der Anstieg der Windenergie wurde durch erhebliche Zuwächse in Deutschland sowie in Schweden und Polen angetrieben", heißt es in der Analyse.

"Die Krise hat die Umstellung der Stromversorgung in Europa zweifellos beschleunigt", kommentierte Embers Datenexperte Dave Jones mit Blick auf die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verstärkten Bemühungen, die EU aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu lösen.

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Windkraft-Ausbau kommt in AT nur schleppend voran

Der Ausbau der Windkraft in Österreich kommt nur schleppend voran. 2022 seien netto (also abzüglich abgebauter Anlagen) 68 Windräder mit einer Leistung von 289 Megawatt (MW) gebaut worden, für heuer erwartet die IG Windkraft einen Zubau von 240 MW Leistung, wie der Interessenverband der Windenergie-Branche bei einer Pressekonferenz kundgab. Insgesamt habe es Stand Ende 2022 in Österreich 1.374 Windkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 3.586 MW gegeben.

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Vor einem Jahr rechnete man an gleicher Stelle noch mit einem Ausbau um 400 MW für das vergangene Jahr. Die Geschwindigkeit beim Ausbau der Windkraft nehme ab und liege klar unter dem Niveau der Jahre 2013-2015, sagte IG-Windkraft-Geschäftsführer Stefan Moidl. Er verwies darauf, dass es von Anfang 2020 bis Oktober 2022 keine staatlichen Förderungen für die Windenergiegegeben habe.

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Auch die aktuelle Förderung im Rahmen des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) habe aber ihre Tücken. Die Förderung für 200 MW, die per Antrag angefragt werden konnte, sei zwar zur Gänze genutzt worden. Den Förderungen für 190 MW, die per Ausschreibung vergeben wurden, standen den Angaben zufolge aber nur eine Nachfrage von 45 MW gegenüber. Das sei wenig verwunderlich, so Moidl: Auch in anderen Ländern habe sich gezeigt, dass der Umstieg auf ein Ausschreibungssystem die Windkraft-Betreiber vor große Herausforderungen stelle.

Genehmigungsverfahren verkürzen

Obwohl 2022 die "größte Energiekrise seit 50 Jahren" gebracht habe, lasse die Reaktion darauf noch auf sich warten, meint der IG-Windkraft-Chef. Es habe viele Ankündigungen gegeben, die aber noch nicht in Beschlüssen gemündet seien. Positiv bewertet man aber die am Mittwoch von der Regierung angekündigte Novelle der Umwelt-Verträglichkeits-Prüfung (UVP) und das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz (EAB-G). Hiermit soll vor allem die Dauer der Genehmigungsverfahren verkürzt werden.

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Man hoffe nun, dass die UVP-Novelle schon im März im Nationalrat beschlossen werde, erklärte dann die stellvertretende Geschäftsführerin und Chefjuristin des Verbandes, Ursula Nährer. Das sei besonders für jene 150 Windräder (mit einer Leistung von 800 MW) wichtig, die sich aktuell im Genehmigungsverfahren befinden würden.

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Kritik übte die IG Windkraft an der Gewinnabschöpfung für Energieversorger. Hier sei die fossile Energie besser davon gekommen als die erneuerbaren Energieerzeuger. Die volatilen Preise seien für die Windkraft-Erzeuger auch notwendig, sagt Stefan Moidl. "Ich brauche ja Erlöse um die erneuerbaren Energien zu stemmen. Wie schnell ist es gegangen, dass Windenergie jetzt viel billiger ist als der Marktpreis derzeit? Und sofort nehmen wir denen was weg." Die Windrad-Betreiber bräuchten eine Absicherung für Zeiten, in denen die Marktpreise wieder niedriger sind.

1. Platz: Niederösterreich

Ähnlich äußerte sich auch der IG-Windkraft-Obmann Fritz Herzog. "Das einzige was wirklich nachhaltig hilft (gegen hohe Strompreise, Anm.), ist einfach ein großes Angebot zu haben und die Erneuerbaren sind in der Beziehung notwendig. Da sollte man dann erst recht nicht bremsen", so Herzog.

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Insgesamt habe es Stand Ende 2022 in Österreich 1.374 Windkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 3.586 MW gegeben. Diese würden jährlich Strom in Höhe von 8,3 Milliarden Kilowattstunden (kWh) erzeugen, was 11 Prozent des bundesweiten Stromverbrauchs entspreche. Der meiste Windstrom wurde 2022 in Niederösterreich (1.861 MW) erzeugt, gefolgt vom Burgenland (1.346 MW). Auf die beiden Bundesländer entfällt auch ein Großteil der 53 Windräder die laut IG Windkraft heuer errichtet werden sollen. 28 Kraftwerke sind in Niederösterreich geplant, im Burgenland sind es 21 Windräder. Wenn die Prognose stimmt, gibt es Ende 2023 in Österreich 1.427 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 3.826 MW.

Windkraftanlage in der Nähe der Niederösterreichischen Gemeinde Poysdorf

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Mehr Tempo auch in Deutschland gefordert

Beim Bau neuer Windräder in Deutschlands ist aus Branchensicht deutlich mehr Tempo notwendig, damit Ziele erreicht werden können. Zwar gebe es eine Trendwende, die bisher angestoßenen Maßnahmen reichten aber nicht aus. Der Zubau von Windenergieanlagen an Land im vergangenen Jahr sei weiterhin zu gering, sagte Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer VDMA Power Systems, am Mittwoch.

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Im Jahr 2022 gingen in Deutschland 551 neue Windräder mit einer Leistung von insgesamt 2,4 Gigawatt ans Netz - das waren 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Weil auch alte Anlagen zurückgebaut wurden, lag der sogenannte Netto-Zubau bei rund 2,1 Gigawatt. Der Zubau liege deutlich unter dem der Rekordjahre 2014 bis 2017.

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Um auf einen Ausbaupfad einzuschwenken, der notwendig sei, um Ziele zu erreichen, seien verschiedene Maßnahmen nötig, so Rendschmidt: Es müssten mehr Flächen bereitgestellt werden, Genehmigungsengpässe überwunden und Transporte erleichtert werden. Das Ziel eines Zubaus von 4,5 Gigawatt (GW) in diesem Jahr sei nicht erreichbar. Das liege daran, dass zu wenig Projekte genehmigt seien. Die Branche prognostiziert einen Zubau von 2,7 bis 3,2 GW.

Lange Genehmigungsverfahren

Die Genehmigungsdauer in Deutschland sei mit im Durchschnitt 23,5 Monaten immer noch viel zu lang, sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie. Die deutsche Regierung müsse das angekündigte Gesetz zur Verfahrensbeschleunigung möglichst schnell vorlegen. "Wir brauchen die LNG-Geschwindigkeit auch bei der Windenergie." Neue Terminals zum Import von Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland waren in weniger als einem Jahr gebaut worden.

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Albers beklagte außerdem erneut ein starkes Nord-Süd-Gefälle beim Ausbau. Im vergangenen Jahr stellten Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen zusammen 77 Prozent des Zubaus. Die zwei südlichsten Bundesländer, Bayern und Baden-Württemberg, hätten bezogen auf ihre Landesfläche besonders wenig neue Leistung installiert. Der Süden müsse nun liefern.

Die deutsche Regierung hatte 2022 umfangreiche Gesetzesänderungen für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien beschlossen. Ziel ist es, den Anteil des Ökostroms am Stromverbrauch bis 2030 auf mindestens 80 Prozent zu steigern. Im vergangenen Jahr waren es rund 47 Prozent. Insgesamt gibt es nach Branchenangaben in Deutschland derzeit mehr als 28.000 Windräder an Land mit einer Gesamtleistung von rund 58 Gigawatt. Ziel der deutschen Regierung ist eine installierte Leistung von 115 Gigawatt bis 2030. Die Windkraft an Land spielt eine Schlüsselrolle bei der Energiewende, dem Ersatz fossiler Energien wie der Kohle durch erneuerbare Energien aus Wind und Sonne.

15.000 neue PV-Anlagen in NÖ

In Niederösterreich wird für heuer mit 15.000 neuen Photovoltaik-Anlagen gerechnet. Der Fokus liege auf bereits versiegelten Flächen. Präsentiert wurde in diesem Zusammenhang von Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) am Dienstag eine neue Förderung für PV-Überdachungen von bestehenden und frei zugänglichen Parkplätzen. Bereitgestellt werden dafür rund vier Millionen Euro.

Die sofort startende Förderung zielt auf Gemeinden, Unternehmen, Vereine und konfessionelle Einrichtungen ab. Abgerufen werden können bis zu 1.000 Euro pro Kilowatt-Peak. Erwartet werden rund 2.500 Parkplätze, die "überdacht und sinnvoll doppelt genutzt werden", betonte Pernkopf. Möglichkeiten für neue Abstellflächen von Supermärkten seien in der Raumordnung bereits "massiv eingeschränkt" bzw. müssten diese Parkmöglichkeiten schon jetzt mit PV überdacht werden, "wenn man mehr bauen möchte". 2022 habe sich die Zahl der PV-Anlagen generell um 12.000 auf mehr als 70.000 erhöht. Heuer sollen weitere 15.000 hinzukommen, damit werde 2023 "mit Sicherheit ein Rekordjahr für die Sonnenkraft".

Insbesondere bereits versiegelte Flächen sollen zukünftig mit PV-Anlagen ausgestattet werden

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