Halbleiter : AT&S eröffnet neues Werk in Malaysia

ABD0010_20240124 - KULIM - MALAYSIA: ZU APA0073 VOM 24.1.2024 - Eine Au?enansicht des AT&S Werks, aufgenommen am Mittwoch, 24. J?nner 2024 in Kulim. Der steirische Leiterplattenhersteller AT&S hat am Mittwoch im malaysischen Kulim ein neues Werk f?r vorerst rund 1.000, Ende 2024 schon f?r rund 2.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er?ffnet. - FOTO: APA/INGRID KORNBERGER

Das neue Werk in Kulim produziert IC-Substrate für die nächste Chipgeneration für Hochleistungsrechner, Rechenzentren und KI-Anwendungen führender Hersteller wie AMD.

- © APA/INGRID KORNBERGER

Der steirische Leiterplattenhersteller AT&S hat am Mittwoch im malaysischen Kulim ein neues Werk eröffnet, in dem vorerst rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt werden sollen, bis Ende 2024 sollen es rund 2.400 sein. Bereits am Vorabend lud CEO Andreas Gerstenmayer zur Pressekonferenz in George Town auf Penang und zeigte sich nach der zuletzt reduzierten Umsatzprognose zuversichtlich: Er erwarte, ab Mitte 2024 wieder zu wachsen und "in jeder Krise steckt eine Chance".

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Der neue Standort im Hi-Tech Park Kulim im Bundesstaat Kedah umfasst eine Fläche von rund 200.000 Quadratmetern mit zwei mehrstöckigen Produktionshallen und einem mehrstöckigen Bürogebäude. Werk I und das Bürogebäude sind inzwischen eröffnet und bezogen, Werk II befindet sich noch im Bau. Die Reinräume werden eine Fläche von rund 100.000 Quadratmetern einnehmen. Hier sollen ab Ende 2024 hochwertige IC-Substrate für Prozessoren von AMD hergestellt werden. Bis die Produktion voll anläuft, werden noch Muster gefertigt und alle Fertigungsprozesse feinjustiert. Das Investitionsvolumen für die Errichtung des Standortes beläuft sich bislang auf rund eine Milliarde Euro.

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Das modernste IC-Substrate-Werk der Welt

KI wird alle Bereiche der Gesellschaft revolutionieren, KI wird in den meisten digitalen Anwendungen der Gesellschaft eine Rolle spielen. Und alle diese Anwendungen werden die Erzeugung riesiger Datenmengen zur Folge haben, die mit Hilfe von Hochleistungs-Mikroprozessoren verarbeitet werden müssen. „Exakt dieser globale Megatrend zahlt auf die Strategie von AT&S ein, denn wir werden vor allem im und durch das Hochleistungs-Computing-Segment wachsen. Daher sind wir seit vielen Jahren massiv auf Expansionskurs und haben uns für Investitionsprojekte wie unseren Campus in Malaysia entschieden“, sagt AT&S-CEO Andreas Gerstenmayer. Zwar habe man das Werk II nicht - wie ursprünglich geplant - bereits in Betrieb nehmen können, weil es dafür derzeit noch nicht das richtige Marktumfeld gebe. Aber sobald das Wachstum wieder anzieht, wird AT&S unter den Ersten sein, die die Kapazitäten hochfahren können. Gerstenmayer sieht darin eine "Chance in der Krise".

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„Wir sind stolz darauf, dass wir in so kurzer Zeit und trotz all der Herausforderungen wie etwa der COVID-Pandemie das wohl modernste IC-Substrate Werk der Welt errichtet haben und die benötigten Technologien und Kapazitäten zeitgerecht zur Verfügung stellen können, wenn sich die Märkte wieder erholt haben", so Gerstenmayer. Nach Angaben des Sprechers ist die Hälfte der dortigen Kapazitäten für AMD reserviert. Das steirische Unternehmen dürfe aber nicht sagen, wie viele Einheiten produziert werden. AT&S stellt nicht nur Leiterplatten für Smartphones, Tablets, Spielekonsolen und medizinische Geräte her, sondern auch so genannte IC-Substrate, die zum Beispiel in Notebooks zum Einsatz kommen und als Verbindungselement zwischen der Leiterplatte und dem Chip dienen. Die Namen der Kunden darf das Unternehmen in der Regel nicht nennen. Dass Apple und Intel dazu gehören, gilt jedoch als offenes Geheimnis.

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Das Kulim-Projekt wird über eine Reinraumfläche von 120.000 Quadratmetern verfügen. Das entspricht der Größe von 17 Fußballfeldern. Die 24.000 Tonnen verbauten Stahls würden ausreichen, um zweieinhalb Eiffeltürme zu errichten. „Die Errichtung eines so großen Werks war vor allem dank eines Pools an erfahrenen Expert:innen und eines ausgereiften Elektrik- und Elektronik-Ökosystems möglich. AT&S arbeitet mit multinationalen Unternehmen zusammen, die seit mehr als 50 Jahren in Malaysia tätig sind, dazu kommt unsere eigene, zukunftweisende Technologie für hochwertige IC-Substrate", so Vittorio Villari, Managing Director von AT&S Malaysia. Baubeginn war im November 2021, bereits im Februar 2023 waren die ersten Maschinen im Werk I in Betrieb. Der Bezug der Büroräume erfolgt Ende März 2024. Ende 2024 soll die Serienproduktion starten - rund 1.500 Menschen werden dann in der Fabrik arbeiten, etwa 900 in den Büros, wie AT&S-Vorstand Ingolf Schröder bei der Pressekonferenz erläuterte.

ABD0011_20240124 - KULIM - MALAYSIA: ZU APA0073 VOM 24.1.2024 - Personen in einem Reinraum, aufgenommen am Mittwoch, 24. J?nner 2024 in einem AT&S Werk in Kulim. Der steirische Leiterplattenhersteller AT&S hat am Mittwoch im malaysischen Kulim ein neues Werk f?r vorerst rund 1.000, Ende 2024 schon f?r rund 2.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er?ffnet. - FOTO: APA/INGRID KORNBERGER
Blick in den Reinraum des neuen Werks - © APA/INGRID KORNBERGER
Es ist nach wie vor unser klares Ziel, dass AT&S unter den Top 3 Unternehmen am globalen Markt positioniert ist.
Andreas Gerstenmayer

Was sind IC-Substrate?

Integrierte Schaltungen (Integrated Circuits, ICs) sind in vielen modernen Geräten auf der ganzen Welt zu finden - von der 5G-Basisstation für den Mobilfunk bis hin zum Hochleistungsrechner. Auf kleinstem Raum sind in modernen Mikrochips Milliarden von Transistoren untergebracht. IC-Substrate werden verwendet, um diese hochkomplexen Mikrochips mit den Leiterplatten zu verbinden. Auf den Leiterplatten sind Speicher, Stromversorgung und andere wichtige Systemkomponenten montiert.

IC-Substrate bilden somit eine Brücke zwischen der Nanowelt der Halbleiterindustrie und der Mikrowelt der Leiterplatten, indem sie die winzigen Ein- und Ausgänge leistungsfähiger Mikrochips mit den größeren Strukturen auf der Leiterplatte verbinden. IC-Substrate sind heute in den Gehäusen fast aller Hochleistungsmikrochips enthalten. Sie sind für jede Form der Datenverarbeitung unverzichtbar. Die Halbleiterhersteller wollen immer leistungsfähigere und energieeffizientere Mikrochips bauen. Dabei müssen die Transistoren immer kleiner werden.

Mit der Annäherung der Transistoren an die atomare Größenordnung werden IC-Substrate immer beliebter bei der Entwicklung von Mikrochips. Der steirische Konzern AT&S setzt bei der Herstellung seiner Substrate auf ein hoch automatisiertes Montageverfahren mit berührungslosen Prozessen in Reinraumumgebung.

Die Flip-Chip-Technologie ist die Grundlage für die Verbindungstechnik und das so genannte Packaging von Hochleistungshalbleitern. Dabei werden tausende Kontakte zwischen den Anschlüssen des Mikrochips und dem Substrat durch kleine Lötkugeln hergestellt. Die Größe dieser Kontakte ist im My-Bereich, d.h. im Bereich von Mikrometern. Ein Mikrometer entspricht dabei 0,001 Millimeter. Mit älteren Technologien nicht erreichbare Kontaktdichten sind mit dieser Verbindungstechnik möglich.

IC Substrate
© AT&S

Erholung des Marktumfeldes wird erwartet

Die aktuellen Daten zahlreicher Marktanalysten bestätigen auch die interne Einschätzung der AT&S. Ab der zweiten Jahreshälfte 2024 sollte sich das Marktumfeld wieder erholen und auf einen Wachstumspfad einschwenken. „Es ist nach wie vor unser klares Ziel, dass AT&S unter den Top 3 Unternehmen am globalen Markt positioniert ist. Unsere Midtime-Guidance, 3,5 Milliarden Umsatz im Geschäftsjahr 26/27, bleibt aufrecht“, so CEO Gerstenmayer.

Die in den nächsten Jahren weiter steigende Nachfrage nach CPUs und GPUs für Rechenzentren wird die Partnerschaft zwischen AMD und AT&S weiter stärken. „Getrieben von neuen Technologien wie KI, VR und AR, nimmt die Nachfrage für Datenspeicher, -übertragung und -analyse weltweit zu“, so CEO Andreas Gerstenmayer.

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AT&S ist führend in der Integration von Mikrochips und Komponenten, die den Energie- und Datenfluss kontrollieren, um eine möglichst schnelle und verlustfreie Datenübertragung zu gewährleisten. Die großen Substrate, die für die Herstellung dieser integrierten Systeme benötigt werden, werden mit Hilfe der hochentwickelten Simulationstechnologie von AT&S hinsichtlich Effizienz und Zuverlässigkeit optimiert.

Ein europäisches Kompetenzzentrum für IC-Substrattechnologien mit angeschlossener Serienproduktion wird aktuell in Leoben errichtet. Im Unternehmen sind weltweit etwa 14.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt.

Andreas Gerstenmayer
Stolz auf das neue Werk in Malaysia: CEO Andreas Gerstenmayer - © AT&S
Wir gehören zu den Technologieführern im Substratemarkt und können als zusätzlichen Vorteil nicht nur in China, sondern auch in Malaysia und Österreich Produktionskapazitäten anbieten.
CEO Andreas Gerstenmayer

Ein zufriedner Kunde

Der börsennotierte Konzern mit Sitz im obersteirischen Leoben produziert bisher in den Werken Chongqing I und III in China IC-Substrate in Serie. Die IC-Substrate werden als Schnittstelle zwischen Mikrochips und Leiterplatten in Mikroprozessoren vor allem in Notebooks, aber auch in Servern und Hochleistungsrechnern eingesetzt. Bereits im November konnte ein Großkunde gewonnen werden: Der US-Chiphersteller AMD wird ab dem vierten Quartal 2024 die bisher freien Kapazitäten im Werk I in Kulim nutzen.

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Scott Aylor von AMD nannte AT&S als verlässlichen Partner für die revolutionäre Chiptechnologie der Amerikaner, der nicht nur die Dichte der IC-Substrate, sondern auch die steigende Komplexität bewältigen kann. Um für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet zu sein, hat AT&S auch einen eigenen Lehrstuhl für IC-Substrate an einer Universität in Malaysia initiiert, um zukünftige Ingenieure auszubilden. Der Master-Studiengang startet im Oktober 2024: "Wir sind schon gespannt auf das Interesse der Studierenden", so Schröder. Er betonte, dass AT&S das erste Unternehmen sei, das die Technologie für HochleistungsIC-Substrate nach Malaysia bringe.

Malaysia: The place to be?

Bereits seit 1999 ist AT&S mit einem Produktionsstandort in Indien (Nanjangud) vertreten. Es folgten Werke in China (Shanghai und Chongqing) sowie in Südkorea (Ansan) und nun in Malaysia. Das südostasiatische Land gilt als eines der weltweit führenden Zentren für die Produktion von Halbleitern. Die Elektro- und Elektronikindustrie (E&E) ist ein wichtiger Motor der Wirtschaft. Seit nunmehr fünf Jahrzehnten werden in Malaysia Halbleiter produziert, angefangen hat alles in den 1970er Jahren mit den so genannten acht Samurai. Die acht produzierenden Unternehmen waren damals: Texas Instruments (damals National Semiconductor), Intel Malaysia, Agilent (damals Hewlett-Packard), AMD, Bosch, Clarion, Osram (damals Litronix) und Renesas (damals Hitachi).

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Laut Reinhart Zimmermann, österreichischer Handelsdelegierter in Malaysia, haben rund 50 österreichische Unternehmen Niederlassungen in Malaysia, viele weitere sind über Vertriebspartner im Land aktiv. Knapp ein Dutzend der Unternehmen haben Produktionsstätten: "AT&S und die OMV sind aber in puncto Investment in Malaysia die mit Abstand größten Player aus Österreich", so Zimmermann.

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Er sieht in Malaysia mehrere Standortvorteile: "Günstige Energie, günstiges Personal und überhaupt ein günstiges Land." Malaysia mit seinen rund 34 Millionen Einwohnern habe über Jahre das passende "Ökosystem" aufgebaut und biete beispielsweise auch Talente, um in Reinräumen zu arbeiten, sagt Zimmermann. "Natürlich wären die Philippinen oder Indonesien noch günstiger, aber da fehlt dieses Ökosystem", so der Wirtschaftsdelegierte. Zudem gebe es staatliche Förderungen und Steuererleichterungen. Wer viel Geld im Land investiere, bekomme diese auch. Mit der Malaysian Investment Development Authority (MIDA) biete der Staat sogar eine eigene Organisation für ausländische Investitionen, die als One-Stop-Shop für ausländische Unternehmen wichtige Arbeit leiste.

Blick über die Stadt Kulim in Malaysia

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Staatsholding ÖBAG könnte bei AT&S einsteigen

Beim steirischen Leiterplattenhersteller AT&S könnte die Staatsholding ÖBAG im Zuge einer Kapitalerhöhung einsteigen, wie das Unternehmen im November mitteilte. Entsprechende Verhandlungen würden mit der ÖBAG, aber auch mit anderen Investoren geführt, so AT&S. Der Vorstand des Leobener Leiterplattenherstellers AT&S plant, das Grundkapital der Gesellschaft aus genehmigtem Kapital gegen Bareinlage zu erhöhen und gegebenenfalls weitere Kapitalmaßnahmen durchzuführen, um die weitere Entwicklung der Gesellschaft zu unterstützen. Das Gesamtvolumen der in Aussicht genommenen Kapitalmaßnahmen könnte sich jedenfalls auf bis zu 50 Prozent des derzeitigen Grundkapitals belaufen, wobei die Details noch nicht feststehen.

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„Wir wollen uns in Zeiten, wo wir noch nicht in Not sind, vorbereiten“, teilt AT&S-CEO Andreas Gerstenmayer mit. Generell gehe es bei den Kapitalmaßnahmen, die derzeit geprüft würden, um eine längerfristige Absicherung. Die aktuelle Liquiditätssituation der Gruppe sei gut, so Gerstenmayer. Sollte die ÖBAG 25 Prozent plus eine Aktie an AT&S erwerben, wäre sie größter Einzelaktionär des Leiterplattenherstellers mit Sitz in Leoben-Hinterberg. Derzeit befindet sich AT&S zu 64 Prozent im Streubesitz, die Stiftungen der Industriellen Hannes Androsch und Willibald Dörflinger halten jeweils 18 Prozent. Gerstenmayer konnte nicht beantworten, ob die beiden Stiftungen bei einem Einstieg der ÖBAG ihre Anteile aufstocken könnten.