Luftfahrt : Airbus bleibt größter Flugzeugbauer

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Airbus bleibt der weltweit größte Flugzeugbauer

- © dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Die Nachfrage nach neuen Flugzeugen boomt, doch die Hersteller Airbus und Boeing kommen nicht hinterher. Im vergangenen Jahr blieb der europäische Airbus-Konzern mit netto 661 ausgelieferten Jets zwar das vierte Jahr in Folge größter Flugzeugbauer vor seinem Rivalen Boeing aus den USA, der auch wegen hausgemachter Probleme nur auf 480 Maschinen kam.

Airbus-Chef Guillaume Faury hatte sich jedoch eigentlich 700 Auslieferungen vorgenommen und das Ziel wegen fehlender Teile von Zulieferern erst Anfang Dezember kassiert. An seinen Plänen für eine Rekordproduktion hielt der Manager bei der Vorlage der Zahlen am Dienstagabend fest. Denn die Auftragsbücher werden immer dicker.

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An der Börse wurden die Neuigkeiten negativ aufgenommen. Die Airbus-Aktie verlor am Mittwoch kurz nach Handelsstart in Frankfurt rund eineinhalb Prozent. Die Boeing-Aktie war nach der Vorlage der Absatz- und Auftragszahlen am Dienstagabend in New York mit einem Abschlag von knapp einem Prozent aus dem Handel gegangen.

Experten enttäuscht

Branchenexpertin Chloe Lemarie vom Analysehaus Jefferies zeigte sich von den Airbus-Auslieferungen enttäuscht. Zwar habe der Hersteller sein eigenes Ziel bereits zurückgezogen, zugleich aber Anfang Dezember eine Zahl "nicht wesentlich" unter dem Ziel von 700 Maschinen in Aussicht gestellt. Mit der nun verkündeten Zahl hat Airbus nach Ansicht der Analystin seine eigene Zielvorgabe recht deutlich verfehlt.

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Auch wenn Boeing im vergangenen Jahr wie erwartet erneut deutlich hinter Airbus zurückblieb, wertete Analyst Ken Herbert von der kanadischen Bank RBC die Zahlen des US-Konzerns positiv. So habe der Hersteller sein Ziel für die Auslieferungen des Mittelstreckenjets 737 Max nur knapp verfehlt.

Mit Blick auf Neuaufträge lag Airbus nicht ganz so weit vor Boeing wie bei den Auslieferungen. Die Europäer holten im abgelaufenen Jahr Bestellungen über 1.078 Verkehrsflugzeuge herein - Boeing kam auf 935 Maschinen. Nach Abzug von Stornierungen waren es bei Airbus noch 820 Stück, ebenfalls mehr als bei dem Konkurrenten. Dadurch wuchs der Auftragsbestand weiter: Ende Dezember hatte Airbus Bestellungen über 7.239 Passagier- und Frachtjets in den Büchern und damit um rund ein Drittel mehr als Boeing.

Lange Wartezeiten

Im vergangenen Jahr punktete der US-Konzern Boeing zwar erneut mit seinen Großraumjets für die Langstrecke; bei dem Massengeschäft mit den kleineren Mittelstreckenjets ist Airbus seinem Konkurrenten jedoch schon länger enteilt. Wer heute einen Mittelstreckenjet aus der Modellfamilie Airbus A320neo bestelle, müsse bis 2029 auf die Auslieferung warten, sagte Verkaufschef Christian Scherer in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. "Wir könnten weit mehr A320 verkaufen, wenn wir mehr Kapazität hätten."

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Daher will der Hersteller die Produktion der A320neo-Familie bis zum Jahr 2024 auf monatlich 65 Jets und bis Mitte des Jahrzehnts auf 75 Maschinen ausweiten, wie Firmenlenker Faury bekräftigte. Das liegt auch an der geplanten Langstreckenversion A321XLR. Schon vor ihrem ersten Testflug im vergangenen Juni hatte Airbus Bestellungen über mehr als 500 Exemplare dieser Variante eingesammelt.

Allerdings dürfte sich der geplante Produktionsausbau der Modellfamilie wegen der Engpässe bei den Zulieferern und knappen Arbeitskräften um einige Monate verzögern, schätzt der Airbus-Chef. Die holprigen Lieferketten machen dem Konzern zu schaffen. Die Entwicklung der letzten Monate von 2022 dürfte sich Anfang 2023 fortsetzen, sagte Faury. Auch Boeing will seine Lieferketten und die Produktion stabilisieren, wie der Chef der Verkehrsflugzeugsparte, Stan Deal, sagte.

Airbus A320 neo
Lange Wartezeiten auf den Airbus A320neo - © Wikipedia

Vor-Corona Verkäufe noch unerreicht

Wie viele Flugzeuge Airbus im laufenden Jahr ausliefern wird, will das Management erst bei der Vorlage der Jahresbilanz am 16. Februar prognostizieren. Die 661 Jets von 2022 waren immerhin acht Prozent mehr als im zweiten Coronajahr 2021. Ursprünglich hatte Faury jedoch sogar 720 Exemplare angepeilt, das Ziel aber schon im Sommer auf 700 heruntergesetzt. Airbus' Rekord stammt aus dem Jahr 2019, vor Beginn der Coronakrise: Da hatte der Hersteller über alle Typen hinweg insgesamt 863 Verkehrsflugzeuge an seine Kunden übergeben.

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Konkurrent Boeing lieferte im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben vom Dienstag mit 480 Flugzeugen zwar 41 Prozent mehr aus als noch 2021, doch der einst weltgrößte Flugzeughersteller kommt aus einem tiefen Tal. So bekam er vor allem mehr Mittelstreckenjets vom Typ 737 Max vom Hof - sein meistgefragtes Modell, das aber nach zwei tödlichen Abstürzen ab März 2019 lange Zeit weltweit nicht abheben durfte. Allein 387 Auslieferungen entfielen auf diese Modellreihe - einschließlich 13 Militärversionen.

Vom Langstreckenjet 787 "Dreamliner" lieferte Boeing 31 Exemplare aus und damit mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Erst im August war ein mehr als einjähriger Auslieferungsstopp für das Modell ausgelaufen. Auf Geheiß der US-Luftfahrtbehörde FAA musste Boeing vorher Produktionsmängel bei dem Flugzeugmodell beheben. Nach den Milliardenbelastungen durch das 737-Max-Debakel kostet der "Dreamliner"-Ärger den Konzern eine Milliardensumme.

Wasserstoffjets bis 2035

Der Flugzeugbauer Airbus versucht sich für seinen geplanten Wasserstoffjet erstmals als Triebwerkshersteller. Der Dax-Konzern entwickelt ein wasserstoffbetriebenes Brennstoffzellen-Triebwerk, wie er im Dezember in Toulouse ankündigte. Dieses soll als Lösung für die emissionsfreien Flugzeuge infrage kommen, die Airbus bis zum Jahr 2035 in Betrieb nehmen will.

Wie das erste Wasserstoff-Passagierflugzeug konkret aussehen wird, ist noch offen. Das Konzept eines Nurflüglers, bei dem Rumpf und Flügel ineinander übergehen, dürfte bei diesem Schritt zum CO2-freien Fliegen aber eher nicht Realität werden.

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Schon vor Monaten hatte sich abgezeichnet, dass Airbus unter die Motorenbauer gehen könnte. Airbus-Chef Guillaume Faury hatte einen solchen Schritt im Februar öffentlich in Erwägung gezogen. "Das ist etwas, was wir grundsätzlich auch selber machen könnten", hatte er mit Blick auf Elektromotoren für ein Wasserstoff-Flugzeug der "Welt am Sonntag" gesagt. Dabei sprach er von einem möglichen "Strategiewechsel".

Bisher setzen Flugzeughersteller wie Airbus und Boeing bei ihren Maschinen auf Triebwerke etablierter Zulieferer wie Rolls-Royce, General Electric, Safran, der Raytheon-Techologies-Tochter Pratt & Whitney und der deutschen MTU. Diese Unternehmen arbeiten für einzelne Antriebstypen wiederum oft in unterschiedlichen Bündnissen zusammen.

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"In großem Maßstab und bei Erreichen der technologischen Ziele könnten Brennstoffzellen-Antriebe Flugzeuge mit Platz für 100 Passagiere mit einer Reichweite von etwa 1.000 Seemeilen antreiben", sagte der zuständige Airbus-Manager Glenn Llewellyn in Toulouse. Das entspricht etwa 1.850 Kilometern. Testen will das Unternehmen den Antrieb etwa ab Mitte des Jahrzehnts am Rumpf eines Airbus A380, der dabei von klassischen Triebwerken angetrieben wird.

Parallel hat das Management allerdings noch weitere Lösungen im Auge. Bereits im Februar hatte Airbus die Konzerne General Electric und Safran für einen künftigen Wasserstoffantrieb an Bord geholt. Zusammen mit deren Gemeinschaftsunternehmen CFM will Airbuseinen wasserstoffbetriebenen Direktverbrennungsmotor am Boden und im Flug testen - dabei ebenfalls an einer A380. Airbus stattet den Jet mit Tanks für Flüssigwasserstoff aus.

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Der Hersteller hat sich vorgenommen, bis zum Jahr 2035 ein Passagierflugzeug mit Wasserstoffantrieb auf den Markt zu bringen und damit CO2-neutrales Fliegen zu ermöglichen. "Das ist definitiv weiterhin unser Zeitplan", sagte Llewellyn. Bis etwa 2025 soll das grundsätzliche Konzept stehen. Im Jahr 2027 oder 2028 will Airbus die Entwicklung offiziell anschieben.

Mit 100 bis 200 Sitzplätzen könnte die Maschine in etwa die Kapazität der heutigen Mittelstreckenjets der A320neo-Familie und der kleineren A220 bieten. Genaues hält sich Airbus aber noch offen.

Wasserstoff Flugzeug Zukunft Airbus
Sieht so die Zukunft des Fliegens aus? - © Airbus

Infrastruktur + Regelwerk = Grundlage für neue H2-Jets

Das gilt auch für die Form des Flugzeugs. Bei der Vorstellung der Wasserstoff-Strategie im September 2020 hatte der Hersteller neben zwei Konzepten mit klassischen Flugzeugrümpfen auch einen Nurflügler als mögliche Form vorgestellt. Diese Version habe aus heutiger Sicht allerdings die geringste Chance, sagte Llewellyn. Es wäre wohl zu schwierig, auf einen Schlag sowohl das Antriebssystem als auch ein neues Rumpfkonzept umzusetzen.

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Unterdessen arbeitet Airbus mit Partnern wie Flughafenbetreibern und Gasherstellern zusammen. "Wenn Fluggesellschaften in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts mit Wasserstoff-Flugzeugen fliegen sollen, brauchen wir nicht nur das Flugzeug. Wir brauchen die Infrastruktur und die entsprechenden Regelwerke dafür", sagte Firmenlenker Faury, der der Veranstaltung in Toulouse per Video zugeschaltet war. Er mahnte die Politik, rechtzeitig die notwendigen Vorschriften zu entwickeln und zu erlassen. Sollte die notwendige Infrastruktur absehbar nicht rechtzeitig fertig werden, könnte dies ein Grund sein, den eigenen Zeitplan zu verschieben.

Zudem versucht Airbus die Produktion nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAF) voranzubringen, die in herkömmlichen Triebwerken anstelle oder zusammen mit Kerosin eingesetzt werden können. Bisher steuerten diese Kraftstoffe weniger als ein Prozent zum weltweiten Treibstoffverbrauch der Luftfahrt bei, sagte Airbus-Chef Faury. Bis 2030 soll dieser Anteil nach seiner Ansicht auf zehn Prozent steigen.

Airbus schloss nun eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit mit dem finnischen Ölkonzern Neste, der stark auf erneuerbare Treibstoffe setzt. Dessen Manager Thorsten Lange will die von Faury anvisierte Steigerung sogar garantieren, wie er in Toulouse sagte.

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Schon heute dürfen alle Airbus-Modelle mit einer Beimischung von 50 Prozent SAF betankt werden. Bis zum Jahr 2030 will der Konzern die Zulassung für 100 Prozent erreichen. Allerdings sind diese Kraftstoffe bisher nur in geringen Mengen verfügbar und im Vergleich zu fossilem Kerosin sehr teuer. Sie werden etwa aus Pflanzenölen und Tierfetten oder synthetisch als E-Fuels hergestellt.

Unterdessen tut sich Airbus mit dem französischen Autohersteller Renault bei der Forschung rund um Elektroantriebe zusammen. Es gehe etwa darum, Batterien leichter zu machen und eine höhere Energiedichte zu erreichen. Dabei haben die Unternehmen sowohl den Einsatz in Autos als auch in hybrid-elektrischen Flugzeugen im Auge.

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