Luftfahrtzulieferer : FACC-Chef Machtlinger: "Naturfasern werden Kunststoffe ersetzen"

FACC-Chef Robert Machtlinger und Moderator Rudolf Loidl

FACC-Chef Robert Machtlinger im Interview mit INDUSTRIEMAGAZIN Chefredakteur Rudolf Loidl.

- © WEKA Industrie Medien

Trotz eines immer weiter steigenden Reiseaufkommens leidet die Luftfahrtindustrie unter den Folgen der Pandemie, aber auch des aktuellen Ukraine-Kriegs.

So auch der oberösterreichische Luftfahrtzulieferer FACC mit Sitz in Ried. In vielen Bereichen des Unternehmens laufe es derzeit nicht gut und vor allem Asien sei hier besonders schwach, so FACC-Chef Robert Machtlinger. Die Rahmenbedingungen scheinen derzeit eine besonders große Herausforderung zu sein und seien laut Machtlinger schwieriger als zu Zeiten der Finanzkrise im Jahr 2008. Ausgelöst von der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers.

Ungeachtet davon sei der weltweite Bedarf an Flugzeugen aber in den kommenden Jahren gegeben. Nicht ins Gewicht fallen hier die Aufträge aus Russland, deren Anteil am Weltmarkt bei 2,5 Prozent liegt.

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FACC Luftfahrtindustrie Luftfahrt Flugzeug
© FACC

Nach Ausbruch der Corona-Pandemie überlegte man bei FACC, neue Geschäftsfelder zu bedienen, wie etwa die Autoindustrie. Aber auch Teile für Züge, Straßenbahnen oder die Medizintechnik wurden kurz in Erwägung gezogen. Allerdings hat sich der Zulieferer dann doch dazu entschlossen, die Konzentration auch weiterhin auf die Luftfahrt zu legen.

Im dritten Quartal ist das Unternehmen operativ in die roten Zahlen gerutscht. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) belief sich auf minus 1,9 Mio. Euro. Ausschlaggebend für den Verlust war hier das Geschäftsfeld "Interiors", bei dem der Konzern zwischen Juli und September 2022 rund 4,2 Mio. Euro verloren hat.

Der Ausblick für das Gesamtjahr 2022 bleibe weiterhin unverändert mit einem prognostizierten Umsatzwachstum von rund 10 Prozent auf 550 Mio. Euro und einem Ebit "im niedrigen zweistelligen Millionenbereich", so Machtlinger. Nach neun Monaten kommt der Konzern auf ein Ebit von 4,2 Mio. Euro.

Ein neues Werk in Zagreb ist Teil der kürzlich kommunizierten Wachstumsstrategie der FACC AG, die in den kommenden Jahren über 150 Mio. Euro investieren möchte. Im Vordergrund stehen neben Investitionen in neue Projekte in der Luft- und Raumfahrt vor allem ein starker Ausbau von Forschung und Entwicklung für konsequente Nachhaltigkeit und Technologieführerschaft. Das Ziel: Bis 2030 will sich die FACC unter den Top 50 Aerospace Konzernen weltweit etablieren. Derzeit sei man unter den Top 100, so das Unternehmen

Die FACC AG hat im kroatischen Jakovlje nach 10 Monaten Bauzeit ein neues Hightech Werk errichtet
Das neue Werk in Zagreb. - © FACC

Produktion der Innenraum-Teile

- © FACC AG

Robert Machtlinger: "Es werden um Dreiviertel weniger große Flugzeuge gebaut"

INDUSTRIEMAGAZIN NEWS hat mit dem Chef des oberösterreichischen Luftfahrtzulieferers über Verluste, den laufenden Strategieprozess und vor allem über den Ausblick gesprochen:

INDUSTRIEMAGAZIN NEWS: Herr Machtlinger, im erst im letzten Quartal hat der Verlust der Interior Sparte das ganze Unternehmen in die roten Zahlen gezogen. Was sind denn da eigentlich gerade die Schwierigkeiten?

Robert Machtlinger: Das war nicht ganz unvorhergesehen, wir haben ungefähr gewusst was hier auf uns zukommt und auch darüber berichtet. In dem Bereich Interior haben wir derzeit ein paar wesentliche neue Projekte. Die beginnen jetzt in die Serie einzutreten. Wie bei jedem Serien-Neustart, speziell im Innenraum-Bereich, will jeder Neukunde auch das neueste Produkt haben. In diesem fall jeden für die Kabine. Und so ein Serien-Hochlauf hat natürlich eine gewisse Komplexität. Die Lernkurven sind noch hoch, die Prozesse sind noch etwas instabiler. Und die Summe an hohen Materialkosten, Lernkurven-Effekten, vieler neuer Konfigurationen, heißt, jede Maschine die wir ausliefern, hat eine völlig neue Konfiguration. Das heißt, das entwickelt sich dann über die Monate weiter, weil man dann einfach Rebuilds macht und das hat hier die Sparte im dritten Quartal belastet.

Das war uns bewusst und ist ein normaler Prozess. Wobei man fairerweise sagen muss, wir wollten diverse Materialien ändern, das heißt Supply Chains ändern. Das war bereits in der zweiten Jahreshälfte 2022 geplant, hat sich aber aufgrund der geopolitischen Situation und auch durch die Verknappung der Rohmaterialien verschoben. Und somit zieht sich das jetzt ins erste Quartal 2023. Dieser Effekt war natürlich so nicht geplant und belastet damit auch das System.

IM NEWS: Sie haben dem Unternehmen die Strategie 2030 verpasst. Bis 2023, so der ursprüngliche Plan, sollten in einer ersten Phase die durch COVID-bedingten Umsatzeinbrüche durch Gewinnung von Marktanteilen in anderen Segmenten kompensiert werden. Das ist jetzt noch nicht ganz gelungen. Was bedeutet das für die weiteren, darauf folgenden strategischen Schritte Transformation und Diversifikation?

Machtlinger:
Sie haben drei Schritte in der Strategie: Das eine ist das Stabilisieren nach COVID 19, wie von ihnen schon erwähnt. Dann das Geschäft der Transformation, das heißt neue Technologie bzw. Produktentwicklungen auf bestehenden Flugzeugen, bestehende Komponenten zu ersetzen. Die Situation ist ja heute in der Luftfahrt wesentlich anders, als in den Jahren 2005 bis 2015.

Da gab es Entwicklungsprojekte sehr großer Dimensionen, beginnend bei der A380, dann kam die Boeing 787, dann kam die A350, die A320 Neo, die MAX und auch das gesamte Business-Trait- Portfolio hat sich damals ganz massiv geändert. Diese neuen Projekte gibt es derzeit nicht. Also Flugzeuge sind modern, es ist alles neu konstruiert und somit gibt es keine ganz großen Projekte, wie zur damaligen Zeit.

Das heißt, die Möglichkeit für die FACC Marktanteile zu gewinnen liegt darin, sich die Komponenten anderer Mitbewerber anzuschauen, etwas Besseres anzubieten und so Marktanteile zu gewinnen. Das passiert eigentlich in der Phase zwei der Transformation. Ganz einfach Marktanteile im Kerngeschäft zu sichern und dem Kunden besser performende Bauteile anzubieten. Soweit gelingt uns das auch sehr gut. Phase Eins und Phase Zwei sollen bis zum Jahr 2024 überlappen und uns wieder in die Umsatzgröße bringen, wo wir auch vor COVID 19 schon waren. Also nicht Ende 2023, das Ziel liegt hier bei Ende 2024.

Zur Ergänzung: Die großen Flugzeuge, die die ganze Welt befliegen, wie zum Beispiel Airbus 350 oder die Boeing 707, sind auch heute noch ganz wesentliche Produkte für uns. Aber vor COVID 19 wurde zum Beispiel eine Boeing 707 vierzehn Mal im Monat gebaut und ausgeliefert, die A350 ungefähr zehn Mal. Im Schnitt hatten wir ca. 24 bis 25 große Flugzeuge im Monat. Derzeit bauen wir in dieser Kategorie nur sechs, das heißt das ganze Volumen im großen Flugzeugbereich hat sich um ¾ reduziert.

Man sieht also deutlich, und wir haben es bereits geahnt, dass sich diese Kategorie langsamer erholen wird, als die kleineren Flugzeuge. Wir erwarten hier das Geschäft vermutlich erst wieder 2024/25 zurück und auch danach wird es noch dauern.Wir haben vor COVID 19 mit diesen Flugzeugen ca. ¼ Milliarde Umsatz gemacht, davon kommen bis 2024 ungefähr 150 Millionen zurück. Und 100 Millionen, die wir in der Vergangenheit schon mal gemacht haben, die braucht der Markt derzeit nicht. Vermutlich wieder Ende der Dekade, aber jetzt auf keinen Fall, und wir müssen dieses Gap durch neue Aufträge schließen.

Die Diversifizierungs-Strategie: Also Air-Mobility und Space, da sind wir der Meinung, dass vor allem im Air-Mobility Bereich 2025/26, grundsätzlich machen wir da heute schon Umsätze, ein geringer zweistelliger Millionenbereich erwirtschaftet werden kann. Das Geschäft kann sich im Jahre 2026 auf weit über 100 Millionen Umsatz pro Jahr entwickeln, da sind wir mit drei Projekten eigentlich sehr gut unterwegs. Und der Space-Bereich, mit dem wir im vergangenen Jahr begonnen haben, bringt uns derzeit einen mittleren einstelligen Millionenbetrag pro Jahr. Da haben wir auch so erwartet und dazu stehen wir auch weiterhin. Hier wird es erst ab den Jahren 2027/28 Umsätze geben. Die Rahmenbedingungen sind mit Februar aber auf jeden Fall nicht einfacher geworden

„Urban Air Mobility“ soll unter anderem auch Flug-Taxis auf den Mark bringen

- © FACC AG

IM NEWS: Das Hauptwachstumsfeld bei FACC ist Klimaschutz und emissionsfreie Luftfahrt. Das ist einerseits im Produkt gegeben, ist leichter als in alternativen Materialien, aber auch in der Produktion und in der Entwicklung. Gibt es da Leuchtturmprojekte, etwa wenn man Glas- und Carbon-Fasern durch Naturfasern zu ersetzen würde?

Machtlinger:
Die gesamte Mobilitäts-Branche ist derzeit im Umbruch. Da kann man hinschauen wo man möchte: Individual-Mobilität, sprich Kraftfahrzeuge und Pkw, bis hin zur Luftfahrt. Da ist ein erklärtes Ziel und gerade in der Luftfahrt ist das CO2-neutrale Fliegen ab dem Jahr 2050 ein ganz wesentlicher Punkt. Und da arbeiten auch alle daran, es kostet viel Geld, aber es gibt einige innovative Ideen.

Ein Idee, die wir bereits vor vier Jahren hatten, war im Innenraum petrochemische Produkte durch biologische zu ersetzen. Es geht im Innenraum etwas leichter, weil die statischen Anforderungen etwas geringer sind oder viel geringer sind, als am Tragflügel oder am Rumpf.

Zu Beginn, als wir die Idee vorgestellt haben, kam vom Markt sofort zurück, dass man das nicht brauche, denn es gibt ja bereits leichte und performable Materialien. Und natürlich sind neue Materialien zu Beginn auch nicht günstiger, da hätten wir am Endprodukt Premium gebraucht und man wollte das Thema eigentlich nicht wirklich verfolgen. Jetzt sieht es ganz anders aus, denn wir werden immer wieder gefragt, wann wir soweit sind, denn die Produkte werden gebraucht.

Und da geht es ganz stark darum Glasfasern, Carbonfasern, Carbon im Innenraum durch biologische Fasern zu ersetzen. Das kann Hanf sein, das kann Flachs sein, das kann eine andere Naturfaser sein. Und das System, das auf chemischen Prozessen aufbaut, durch biologische zu ersetzen. Das haben wir jetzt geschafft und wir bauen die erste Komponente auch in einer Kooperation. Hier geht es um Nachrüstung einiger Austrian Airlines Flugzeuge und es wurde vereinbart, das biologische Material erstmals auch im Innenraum einzusetzen.

Das ist unser Leuchtturm und eine gute Kooperation. Und das Schöne ist, die Komponenten werden nicht schwerer. Sie sind gleich leicht und performabel, denn da geht es ja auch um Brennbarkeit und toxische Stoffe. Wenn es denn brennen sollte, bisher ist es zum Glück nie dazu gekommen, braucht es gewisse Regeln die man einhalten muss und das schaffen wir auch mit den biologischen Produkten. Ab nächstem Jahr liefern wir erste Komponenten mit biologischen Kunststoffen oder Rohmaterialien aus. Somit sind das dann keine Kunststoffe im herkömmlichen Sinn mehr, sondern biologische Materialien.

FACC-Chef Robert Machtlinger im Gespräch mit Chefredakteur Rudolf Loidl, Industriemagazin News 23.11.2022

Die gesamte Folge der Industriemagazin News sehen Sie HIER.