Embargo : Sanktionen ohne Plan? – Österreichs Industrie skeptisch

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Ungewissheit: Welche Branchen bekommen im Notfall Energie?

- © Gas Connect Austria

Im Ringen um Sanktionen gegen Russland steht möglicherweise die nächste Eskalationsstufe bevor. Bei den Beratungen über ein Embargo auf Erdöl hat Österreich nach Angaben aus Verhandlungskreisen seinen Widerstand aufgegeben. Für Ungarn, das nach wie vor auf der Bremse steht, könnte es, wie auch für die Slowakei, Ausnahmeregelungen geben. Als übernächste Stufe steht überdies nach wie vor ein Erdgas-Embargo im Raum. Das EU-Parlament fordert ein solches bereits seit Wochen fordert.

Österreichs Industrie beobachtet die Entwicklung mit Spannung und mit einer großen Portion Skepsis. Sie wirft der Regierung vor, trotz anderslautender Ankündigungen kaum eine Strategie für den Fall von Lieferkürzungen bei Erdöl und Erdgas zu haben. Der Hauptkritikpunkt: Bislang habe das zuständige Ministerium von Eleonore Gewessler nicht definiert, welche Industrieunternehmen auch bei Lieferengpässen aufgrund ihrer strategischen Bedeutung weiter beliefert werden sollen und welche nicht. Das Ministerium selbst widerspricht und betont, die Vorbereitungen auf einen etwaigen Notfall und auf etwaige Zuteilungen von Energie durch den Staat erfolgen in enger Abstimmung mit der Industrie.

Das INDUSTRIEMAGAZIN hat versucht, herauszufinden, wie die Sachlage nun wirklich ist. Die ernüchternde Erkenntnis: Selbst unter den ganz großen Playern ist es uns nicht gelungen, Gesprächspartner zu finden, die eine Kontaktaufnahme von Seiten des Ministeriums bestätigen könnten. Dafür erlebten wir jede Menge von Manager, die mit Sorge darauf hinwiesen, dass auch sie keine genauen Angaben darüber machen, können, welche Vorgehensweise für einen Notfall geplant ist.

Keine Kommunikation

So sagt etwa Thomas Reisinger, Vorstand für Operations bei Infineon Technologies Austria, auf eine entsprechende Nachfrage bloß: „Ich gehe davon aus, dass es seitens der Regierung einen Notfallplan gibt und er gut durchdacht ist. Dass er nicht öffentlich gemacht wird, mag daran liegen, dass die Bundesregierung auf diese Weise Diskussionen darüber aus dem Weg gehen will, welche Betriebe, welche Industriezweige nun tatsächlich mit Erdgas versorgt werden und welche nicht.“

Mehr als eine Vermutung darüber, dass es wohl eine Prioritätenliste für den Ernstfall geben wird, kann auch Matthias Unger, CEO von Unger Steel nicht äußern: „Im Notfall, wenn es einen Lieferstopp für russisches Gas gibt, wird es wohl auch eine Prioritätenliste geben, nach der bestimmt wird, welche Betriebe weiter produzieren können und welche nicht.“

Besonders heikel ist die Frage von etwaigen Zuteilung freilich für bekannt energieintensive Energiezweige wie etwa die Papierindustrie. Hier hofft man, wie anderswo auch, letztlich doch zur kritischen Infrastruktur zu zählen und deshalb versorgt zu werden. „Die E-Control hat Unternehmen nach ihrem Energiebedarf abgefragt. Wie man im Notfall die Zuteilung von Energie handhaben würde, welche Betriebe als erstes von der Versorgung ausgeschlossen werden würde, ist nicht kommuniziert worden“, erzählt Kurt Maier, COO der Heinzel Group, zu der die Papierfabriken Laakirchen und Pöls dazu gehören. „Unsere Branche ist aber nicht nur deshalb systemkritisch, weil sie Strom und Wärme an Privathaushalte liefert. Wenn Papierfabriken stillstehen, fehlen innerhalb kürzester Zeit ganz wichtige Güter des täglichen Bedarfs von Verpackung bis zum Symbol-Hamstergut einer jeden Krise, dem Klopapier.“

Sebastian Heinzel, CEO der Gruppe, bestätigt die Einschätzung. Er hat schon gegenüber Industriemagazin TV erklärt, dass man zwar davon ausgeht, entsprechende Zuteilungen zu bekommen, allerdings über keinerlei konkrete Informationen verfügt.

Ich gehe davon aus, dass es seitens der Regierung einen Notfallplan gibt und er gut durchdacht ist.
Thomas Reisinger, Vorstand Operations, Infineon Austria

Planung unmöglich

Nicht anders fällt das Fazit von Johann Marchner aus, dem CEO von Wienerberger Österreich aus. Man habe natürlich alle Szenarien durchgespielt, sei dabei aber nicht allzu weit gekommen: „In Wirklichkeit können wir nicht ernsthaft für etwaige Lieferstopps vorplanen, weil die zuständigen Ministerien bis heute nicht in der Lage sind, zu sagen, wer im Notfall welche Mengen an Energie zugeteilt bekommen würde. Dementsprechend können wir auch nicht wissen, ob wir im Fall des Falles einzelne Werke herunterfahren müssen oder generell die Produktion drosseln bzw. stoppen müssen. Wir müssen mit allen Eventualitäten rechnen. Ich hoffe aber, dass den Verantwortlichen bewusst ist, wie wichtig unser Produkt auch gesamtwirtschaftlich ist.“

Auch bei Austrocel in Hallein regiert statt Gewissheit das Prinzip Hoffnung: „Als Energielieferanten sind wir Teil der kritischen Infrastruktur. Insofern gehen wir schon davon aus, dass wir die geringen Mengen Erdgas, die wir brauchen, auch im Notfall zugewiesen bekommen“, sagt der Leiter der Werksversorgung Franz Dieterich.

In Brüssel geht indessen das Tauziehen um die sechste Sanktionsrunde weiter. Österreich beteiligt sich "konstruktiv" an der Debatte der EU-Staaten über einen Stopp russischer Öl-Importe, wie es aus österreichischen EU-Kreisen hieß.

Ungarn drohte unterdessen mit einem Veto. Der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyas sagte am Sonntagabend im regierungsnahen Fernsehsender Hir TV, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete: "Um es klar und deutlich zu sagen: Wir werden Sanktionen (in Hinblick auf Öl- und Gaslieferungen) niemals unterstützen." In der EU ist für solche Sanktionen grundsätzlich die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten erforderlich.

Wir wissen nicht, ob wir im Fall des Falles einzelne Werke herunterfahren müssen oder generell die Produktion drosseln bzw. stoppen müssen.
Johann Marchner, CEO Wienerberger Österreich

Löchriges Embargo?

Gyulas sagte dazu: "Da man sie nur einstimmig beschließen kann, hat es keinen Sinn, wenn die Europäische Kommission Sanktionen vorschlägt, die die derzeitigen ungarischen Importe einschränken würden." Derzeit könne niemand die russischen Öl- und Gaslieferungen ersetzen. Für eine Umstellung bräuchte es fünf Jahre und "Unmengen von Geld". Die Kommission gebe Ungarn aber nicht nur kein Geld, sondern halte es zurück.

Gulyas spielte auf Finanzhilfen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds an, die die EU-Kommission bisher nicht ausbezahlt, weil sie Bedenken wegen der rechtmäßigen Verwendung hat. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban benutzt nach Ansicht von Kritikern EU-Mittel dazu, um Oligarchen zu begünstigen. Zugleich hat Orban die Abhängigkeit seines Landes von russischen Energieimporten verstärkt. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs trug Ungarn alle bisherigen EU-Sanktionen gegen Moskau mit, lehnt eigene Waffenlieferungen aber strikt ab.

Insidern zufolge könnte es für die besonders auf Importe angewiesenen EU-Mitgliedsländer Ungarn und Slowakei Sonderregelungen geben. Um die Einheit unter den 27 EU-Staaten zu wahren, werde die EU-Kommission Ungarn und der Slowakei womöglich "eine Ausnahme oder eine lange Übergangsperiode" zugestehen, sagen zwei EU-Vertreter gegenüber Reuters. Ein Öl-Embargo würde ohnehin voraussichtlich phasenweise eingeführt und höchstwahrscheinlich erst ab Anfang kommenden Jahres vollständig greifen.

Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck sieht noch keine generelle Festlegung innerhalb der EU auf ein Öl-Boykott gegen Russland. "Ob ein Öl-Embargo insgesamt jetzt ansteht, das weiß ich nicht", sagte er am Montag in Berlin, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Er höre da in der EU Unterschiedliches. Deutschland selbst halte es zwar für handhabbar, andere Länder seien

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