Digitaler Euro : Die Zukunft des Bargeldes

Mitglieder der EU-Kommission

Die EU-Kommission will Bargeld stärker schützen und den digitalen Euro einführen. Ein politischer Drahtseilakt.

- © EU-Kommission

Von schleichender Enteignung bis Totalüberwachung

Nur Bares ist Wahres. Dieser Spruch gilt noch immer für einen Großteil der Menschen in Österreich und Deutschland. Doch die Zurückdrängung von Bargeld ist weltweit schon weit fortgeschritten. Laut einer Studie des Research Center for Financial Services der Berliner Steinbeis-Hochschule aus 2013 ist der elektronische Zahlungsverkehr volkswirtschaftlich sogar günstiger. Man hat damals ausgerechnet, dass in Deutschland die Kosten für Barzahlung jährlich etwa 12,5 Milliarden Euro verschlingen. Eingerechnet wurden beispielsweise die Personal- und Transportkosten für Bargeld sowie Lagerung und Versicherungsleistungen. Demgegenüber sollen die Gesamtkosten für kartenbasierte Zahlungssysteme nur bei 800 Millionen Euro liegen. Zwar räumt die Studie ein, dass es für Beträge unter 6,20 Euro noch günstiger ist, mit Bargeld zu zahlen, bei allem darüber wäre jedoch die elektronische Zahlung volkswirtschaftlich lukrativer. Der Kleinzahlungsverkehr stellt allerdings die überwiegende Mehrheit aller getätigten Transaktionen dar.

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Eine genaue Berechnung, wie sich die volkswirtschaftlichen Kosten tatsächlich verhalten und wie sich der zunehmende elektronische Zahlungsverkehr auf die Preisentwicklung auswirkt, gab es lange nicht, bis 2018 die deutsche Bundesbank mit einer Studie aufhorchen ließ. Von den diversen Anbietern elektronischer Zahlungsdienste wird in den Medien und via Werbung immer vorgegeben, dass die elektronische Zahlung schneller und praktischer sei. Das wurde in der Studie der Deutschen Bundesbank widerlegt. Die Barzahlung ist im Durchschnitt schneller als mit der Karte. Außerdem wurden auch durch die Bundesbank erstmals die Transaktionskosten der unterschiedlichen Zahlungsmethoden detaillierter aufgeschlüsselt. Würden alle Käufe ausschließlich in einer Zahlungsart bezahlt werden, sehen die Transaktionskosten wie folgt aus: Barzahlung: 1,12 Prozent des Umsatzes, Bankomatkarte: 1,14 Prozent des Umsatzes, Kreditkarte: zwischen 2,26 und 2,52 Prozent des Umsatzes. Die Studie zeigt deutlich, je mehr elektronische Zahlungsmittel verwendet werden, desto stärker steigen die Kosten. In Zeiten hoher Inflation längst kein vernachlässigender Faktor mehr.

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Kritiker der elektronischen Zahlungsmittel warnen schon lange, dass vor allem für Klein- und Mittelunternehmen die Kosten elektronischer Zahlungsvorgänge oft unrentabel sind und eine unterschätzte Belastung darstellen. Die meisten Studien, so auch die der Steinbeis-Hochschule, werden zudem von Kreditkarteninstituten beauftragt oder mitfinanziert und nach wie vor zitiert. Die Objektivität und die methodische Verlässlichkeit sind hinterfragenswert. Was auch keine Berücksichtigung erfährt, ist die volkswirtschaftliche Verteilung der Kosten des Zahlungsverkehrs. Die höheren Kosten für Bargeldzahlung sind auf wesentlich mehr Branchen und Dienstleistungsunternehmen verteilt, die mit ihrer Serviceleistung wiederum Arbeitsplätze schaffen und zum volkswirtschaftlichen Einkommen beitragen. Die Kosten für elektronischen Zahlungsverkehr konzentrieren sich jedoch auf einige wenige Unternehmen. Es findet also zunehmend ein schleichender Kapitaltransfer zu einer Handvoll Konzerne statt und die Gefahr von Monopolbildungen ist hoch. Wenn elektronische Zahlungen annähernd flächendeckend Anwendung finden, kommen die anfallenden Gebühren quasi einer Besteuerung des Zahlungsvorganges gleich. Noch dazu wandern Gewinne der Kreditkartenunternehmen mehrheitlich ins Ausland ab und landen schließlich als Dividende bei Aktionären.

Die schleichende Enteignung

Bereits in der Steinbeis-Studie von 2013 wird gefordert, durch gesetzliche Bestimmungen die Bargeldzahlung einzuschränken, etwa durch Höchstgrenzen für Bargeldtransaktionen, oder durch ein gänzliches Verbot der Barzahlung für gewisse Güter und Dienstleistungen. Kritiker befürchten allerdings, dass solche gesetzlichen Bestimmungen auf die Freiheiten und Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zugreifen. Die rechtlichen Bestimmungen sind lückenhaft. Besonders brisant ist jedoch, dass unser Bargeld nicht nur die Funktion als Zahlungsmittel besitzt, welche durch die elektronischen Alternativen ja noch abgedeckt werden kann, unser Geld dient auch als Wertaufbewahrungs- und Rechtsmittel. Die Beschränkungen der Bargeldausgabe, wie sie bereits in vielen europäischen Ländern besteht, untergräbt den Zweck der Wertaufbewahrung. Außerdem bedeutete Geld zu besitzen, de facto auch Rechte zu haben. Doch Geld „besitzt“ man nur, wenn man über Bargeld verfügen kann. Mit der Einschränkung des Bargeldes oder gar einer gänzlichen Abschaffung, führt man in gewisser Weise eine Enteignung der Bürgerinnen und Bürger durch, da der Zugang zu gesetzlichem Zahlungsmittel in physischer Form behindert wird. Und wer nicht mehr frei über etwas verfügen darf, kann es auch nicht sein Eigentum nennen.

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Im Eurogesetz sind nämlich explizit nur Münzen und Banknoten, also unser Bargeld, als gesetzliches Zahlungsmittel definiert. Sogenanntes Giralgeld, unser digitales Guthaben auf dem Konto, ist streng genommen kein gesetzliches Zahlungsmittel. Es entsteht eine Abhängigkeit der Kunden gegenüber den Geldinstituten, die juristisch bedenklich ist. Rechtlich gesehen besteht auf Giralgeld nur eine Verbindlichkeit der Bank gegenüber ihren Kunden und der Zugriff darauf kann unter bestimmten Umständen verweigert werden, wie die Menschen 2013 in Zypern erleben mussten. Solange ein funktionierender Rechtsstaat existiert und gesetzliche Regelungen zum Konsumentenschutz beitragen, ist diese fatale Abhängigkeit für die Bürgerinnen und Bürger im Alltag kaum spürbar. Doch der Rechtsstaat ist sehr fragil, vor allem in Zeiten der Krisen. Auch ein anderes Szenario ist denkbar. Stellen Sie sich vor, es kommt zu einem großflächigen Stromausfall und kein Bankomat, kein Kartenlesegerät geht mehr. Auch in so einem Fall kommt eine weitgehend bargeldlose Gesellschaft in Bedrängnis.

Bargeldabschaffung ist gewollt!


Die Lobby gegen das Bargeld ist jedoch groß und namhaft. Carl-Ludwig Thiele, ehemaliges Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, sprach bereits 2018 vom „War on Cash“. Richtig Fahrt bekam die Kampagne gegen das Bargeld vor etwa fünf Jahren, als der Harvard-Professor und ehemaliger Chefökonom des IWF Kenneth Rogoff beim Münchner IFO Institut ein flammendes Plädoyer gegen das Bargeld hielt. Im Mai 2017 hat John Cryan, damaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ganz offiziell dem Bargeld den Kampf angesagt und prognostizierte dessen Ende bereits in den nächsten zehn Jahren! Daneben reihen sich prominenten Befürworter der Bargeldabschaffung ein, wie der Apple Chef Tim Cook, der darauf verweist, dass die Kosten für Druck und Prägung zu hoch seien.

Ein 100-Euroschein wird digital dargestellt.
Wird Bargeld durch digitales Zentralbankengeld ersetzt? - © iStock.com/tommy

Im Hintergrund baut Apple seinen eigenen elektronischen Bezahldienst Apple Pay aus. Bargeldgegner argumentieren gerne, dass damit Kriminalität und Steuerbetrug bekämpft werden. Dabei steigt der Schaden etwa durch Kreditkartenbetrug jährlich. Laut Norton-Cyber-Security-Insights-Report belief sich der Schaden durch Cyberkriminalität weltweit bereits 2017 auf unglaubliche 172 Milliarden US-Dollar. Tendenz steigend. Der Kriminalität wird also mit einer Zurückdrängung von Bargeld keineswegs ein Riegel vorgeschoben. Das Gegenteil ist in vielen Ländern der Fall. Elektronische Zahlungssysteme sind weitaus anfälliger und Betrug wird oft erst spät vom Kunden bemerkt. Zudem müssen Banken und Dienstleister immer mehr Geld für Sicherheitsprogramme ausgeben, sodass sich der finanzielle Vorteil elektronischer Zahlungen in Zukunft relativieren könnte. Doch von einer generellen Abschaffung wird ohnehin selten gesprochen, häufiger ist von einer Einschränkung die Rede.

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Dies geschieht durch Bargeldhöchstgrenzen, wie sie bereits in vielen Ländern Europas bestehen, und durch die Abschaffung gewisser Münzen und Banknoten. In der Euro-Zone wurde zuletzt der 500 € Schein abgeschafft und aktuell wird von der EU eine generelle Bargeldobergrenze von 10.000 Euro diskutiert. Österreich lehnte das bislang ab. Das führt dazu, dass größere Transaktionen quasi nicht mehr analog abgewickelt werden können und die Kosten für den Bargeldumlauf paradoxerweise erhöht werden, da nun größere Geldsummen in wesentlich mehr kleinere Banknoten gestückelt werden müssen und sich dadurch die Transportkosten erhöhen.

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Bereits 2018 kündigte die EU-Kommission EU-weite Bargeldbeschränkungen an. Angeblich zum Zweck der Terrorismusbekämpfung. Bargeldrestriktionen sind allerdings bei vielen Banken bereits Alltag. Kunden müssen sich immer öfters ausweisen und glaubhaft machen, dass das Geld tatsächlich ihnen rechtmäßig gehört. Seit Ende 2017 sinkt zudem erstmals die Anzahl der Geldautomaten in Deutschland. Je mehr der Zugang und das Halten von Bargeld eingeschränkt werden, desto leichter ist es, die Konten und Guthaben zu besteuern. Wenn die Einschränkung so weit geht, dass de facto Transaktionen nur mehr elektronisch abgewickelt werden können, ist der nächste Schritt, diese mit Gebühren zu versehen, nicht mehr weit. Wie bereits bei Kreditkartenzahlungen üblich könnte in Zukunft jede elektronische Transaktion mit einer Gebühr belegt werden. Für das Zahlen zahlen müssen. Das käme einer schleichenden Enteignung gleich.

Datenüberwachung und Wertschöpfungsverluste

Besonders problematisch ist die Speicherung von digitalen Transaktionen und Zahlungsvorgängen. Die elektronische Zahlungsinfrastruktur ist dabei beinahe gänzlich in der Hand von US-amerikanischen Zahlungsdiensten und Finanzinstituten. Europäischen Regierungen ist es kaum möglich, die Datensicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Zudem sind Kreditkartenunternehmen private Konzerne, die mit der Speicherung von Kundendaten zudem einen weiteren Geschäftszweig eröffnen, den Verkauf von Informationen. Data-Mining ist in Wahrheit das wirklich große Geschäft dahinter. Durch die Auswertung von Zahlungsvorgängen lässt sich über jeden Menschen ein sehr genaues Profil erstellen. Diese Profile sind nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Regierungen sehr interessante Konsumenteninformationen, die offen legen, wofür bzw. wie viel Geld die Bürger ausgeben. Problematisch daran ist, dass diese Daten bis auf wenige Ausnahmen von US-amerikanischen Unternehmen verwaltet werden.

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Hinzu kommt, dass die komplette Zahlungsstruktur ebenfalls von US-Unternehmen dominiert wird. Es gibt kein einziges größeres europäisches Kreditkartenunternehmen! Somit geben die europäischen Regierungen auch zunehmend die Kontrolle über den Zahlungsverkehr ab, womit eine gefährliche Abhängigkeit entsteht. Bargeld stellt nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger einen gewissen Grad an Souveränität dar, sondern auch für die Staaten selbst, die deren Nutzung verwalten. Den europäischen Ländern drohen in Wahrheit mit einer Zurückdrängung von Bargeld große Wertschöpfungsverluste, da nicht nur die Gebühren für den Zahlungsverkehr abfließen, sondern auch die Profite aus dem Geschäft mit den Daten.

Bisher wurden die Wertschöpfungsverluste nicht genau ermittelt, doch Schätzungen zufolge gehen diese in den zweistelligen Milliardenbereich, die der europäischen Wertschöpfungskette hier jährlich entzogen werden.

Identitäts- und Freiheitsverlust

Nicht zuletzt ist mit der schleichenden Abschaffung des Bargeldes auch ein Identitätsverlust verbunden. Das Verwenden von Münzen und Scheinen schafft einerseits einen Bezug zum Geld und zum Wert des Geldes und andererseits auch zum Staat, der das Geld prägt. Nicht umsonst hat man dem Euro seit seiner Einführung einen Identität stiftenden Charakter für die europäische Einigung zugeschrieben. Auch in der Erziehung unserer Kinder hat der Umgang mit Bargeld einen wichtigen Effekt auf die Wertvermittlung von Geld. Die Haptik eines Geldscheines schafft einen Bezug zu seinem Wert. Dadurch, dass man bei einem Zahlungsvorgang etwas „aus der Hand“ geben muss, entsteht unterbewusst ein ganz anderes Verhältnis zu Verlust und Gewinn. Kurzum, Bargeld trägt dazu bei, dass wir verantwortungsvoller mit unserem Verdienten umgehen. All das geht mit dem Verwenden von elektronischen Zahlungsmitteln verloren, weil man keinen Bezug zu einer Zahl im Computer aufbauen kann.

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In unserer zunehmend digitalisierten und überwachten Welt, ist Bargeld außerdem eine der letzten Bastionen unserer Freiheit. Es erlaubt uns, völlig anonym etwas zu kaufen, zu reisen, oder es einfach nur zu besitzen und unter dem Kopfpolster für schlechte Zeiten zu lagern. Dadurch gibt es uns ein Stück Freiheit und Sicherheit. Bei aller Bequemlichkeit, die uns das elektronische Zahlen heute bietet, sollten wir das Recht auf Bargeld nicht abgeben und uns für die Wahlfreiheit und auch die Gleichbehandlung unserer Zahlungsmittel einsetzen. Bargeld ist eine letzte Oase der Privatheit. Die elektronischen Zahlungsmittel bieten uns hingegen langfristig keinerlei Vorteile, sondern nur kurzfristige Bequemlichkeit. Weder wird die Kriminalität dadurch eingeschränkt, noch wird das Finanzsystem dadurch sicherer werden. Doch als Bürgerinnen und Bürger werden wir wieder ein Stück mehr kontrollierbar und überwachbar gemacht.

EU versucht mit digitalem Euro gegenzusteuern

Diese Zusammenhänge sind in der EU den handelnden Politikern und vor allem in den Schaltstellen der EZB bewusst. Über den Aufbau einer europäischen digitalen Zahlungsinfrastruktur versucht man, den volkswirtschaftlichen Abfluss von Vermögen durch digitale Zahlungsgebühren Einhalt zu gebieten. Ein Mittel dazu soll der digitale Euro sein. Dieser soll, so die EZB, eine Alternative für elektronische Transaktionen werden. Weltweit arbeiten zahlreichen Zentralbanken an so genannten CBDC (Central Bank Digital Currencies). Auch der digitale Euro wäre so ein elektronisches Zentralbankengeld. Wie die technische Umsetzung genau erfolgen soll, ist noch sehr fragwürdig.

Obwohl er der EZB wesentlich mehr fiskalpolitische Hebel in die Hand geben würde stellt sich die Frage des Datenschutzes und der Überwachung. Unabhängige IT-Experten kritisieren die aktuellen Umsetzungspläne auf der technischen Ebene teilweise massiv. Der Datenschutz sei nicht gewährleistet und Manipulation und Überwachung wäre rein technisch gesehen, Tür und Tor geöffnet. Besonders pikanter Beigeschmack: Mit der Entwicklung der Transaktionssysteme sind ausrechnet wieder große Tech-Konzerne, die auch bei der Bargeldabschaffung federführend sind, am Werk.

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Österreichs Finanzminister Magnus Brunner.
Finanzminister Magnus Brunner will Bargeld in die Verfassung geben, wartet aber noch Vorgaben der EU ab. - © BMF/Florian Schroetter

Bargeld ist Stütze der Demokratie

Die wohl größte Gefahr beim digitalen Euro besteht wohl darin, dass er sich der demokratischen Kontrolle und dem Verständnis der meisten EU-Bürgerinnen und Bürger gänzlich entzieht. Bargeld ist hingegen eine Stütze der Demokratie. Das mag pathetisch klingen, ist aber nicht von der Hand zu weisen. Bargeld ist die einzige Möglichkeit, wie Bürgerinnen und Bürger ihr Geld tatsächlich physisch besitzen und transportieren können. Es verleiht ihnen finanzielle Souveränität und Freiheit. Diese Souveränität und Freiheit können technisch gesehen mit jedem elektronischen System eingeschränkt werden. Konten können gesperrt, Transaktionen verweigert, Geldbeträge manipuliert werden.

Die Bürgerinnen und Bürger sind abhängig von Dritten. Solange ein Rechtsstaat für Ordnung sorgt, wird dies wohl keine größeren Probleme verursachen, doch kippt die politische Verfassung, so kann ein digital aufgebautes und zentral kontrollierbares Geldsystem zur politischen Machtausübung missbraucht werden. Dass das bereits passiert, beweisen ähnliche Vorgänge etwa in China und anderen weniger demokratisch gefestigten Staaten. Für die EZB als auch für die europäische Politik ist der digitale Euro also Chance und Risiko zugleich. Allein seine Einführung wird politische Kontroversen verursachen und nicht zu Unrecht werden oppositionelle Parteien Bargeld zum Wahlkampfthema bei der kommenden EU-Wahl nächstes Jahr machen.

Politische Stimmungsmache mit Bargeld

Dass unsere Scheine und Münzen sich hervorragend dafür eigenen, politische Stimmungsmache zu betreiben, beweist die österreichische Innenpolitik seit Monaten. Volksbegehren, die den Schutz, bzw. sogar den Verfassungsrang für das Bargeld erreichen wollen, hatten massiven Zulauf. FPÖ und ÖVP haben sich das Thema bereits aktiv angenommen. Die FPÖ preschte vor und Kanzler Karl Nehammer zog nach und will Bargeld in der Verfassung schützen. Experten kritisierten und kalmierten. Finanzminister Brunner will aktuell Vorgaben der EU abwarten.

Eine Task Force im Finanzministerium soll Antworten liefern. Doch der Schutz des Bargeldes wird sogar aktiver Auftrag für die österreichische Politik, auch wenn Grüne, SPÖ und NEOS bislang wenig davon wissen wollten. Im vor dem Sommer von der EU-Kommission vorgelegten Gesetzesentwurf, wird der Status des Euro-Bargeldes tatsächlich erstmals gestärkt und explizit als gesetzliches Zahlungsmittel hervorgehoben. Eine Abschaffung wird es demnach nicht geben. Sogar im Gegenteil: Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten Maßnahmen treffen, um Bargeld zu schützen und den Zugang für die Bürgerinnen und Bürger garantieren. Bundeskanzler Nehammer und Finanzminister Brunner haben also mit ihrem Vorstoß, Bargeld mehr zu schützen, durchaus eine gesetzliche Grundlage auf EU-Ebene. Ob dafür ein Verfassungsrang das richtige Mittel ist, darf diskutiert werden, es ist aber jedenfalls möglich und widerspricht nicht den Vorgaben der EU.

Welche Entwicklung dürfen wir uns erwarten?

Wie wird es also mit dem Euro weitergehen? Sehr wahrscheinlich wird es nächstes Jahr die Entscheidung geben, den digitalen Euro einzuführen. Doch dies wird von politischen Kontroversen begleitet sein. Es hängt sehr davon ab, wie das System technisch und rechtlich genau aussehen wird. Aktuell besteht noch ein sehr gravierendes juristisches Definitionsproblem, das unterschätzt wird. Im Gesetzesentwurf soll der digitale Euro „cashlike“ sein. Doch dieses „wie Bargeld“ könnte juristisch so verstanden werden, dass digitales Zentralbankengeld dem Bargeld geleichgestellt wird, d.h. dejure als Bargeld betrachtet wird, was es defacto nicht ist. Der erwartbare politische Rechtsruck in der EU könnte den digitalen Euro aber zu Fall bringen. Konservative und rechte Parteien sind eher Bargeldvertreter.

Der Euro wird 2024 sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene zu einem Politikum werden. Bürgerrechtsaktivisten werden massiv auf eine Stärkung des Bargeldes drängen. Für Parteien, die sich nicht klar pro-Bargeld deklarieren wird eine starke Angriffsfläche entstehen. Nach Jahren der steigenden Bargeldrestriktionen auf europäischer Ebene, könnte 2024 eine Trendwende kommen und Bargeld erstmals wieder mehr Absicherung erfahren. Eine Flächendeckende Versorgung mit Geldautomaten ist z.B. bereits in vielen EU-Ländern wieder ein Thema.
Den digitalen Euro sollte es jedoch trotzdem geben. Schon alleine, um den europäischen Zahlungsverkehr vor den volkswirtschaftlichen Verlusten digitaler Transaktionen besser zu schützen.