Wirtschaftsraum in Steiermark : Wie macht man einen Wirtschaftsraum zur Weltspitze?

Josef Herk, Präsident der WK Steiermark

Josef Herk, Präsident der WK Steiermark.

- © Josef Herk

Die WK Kärnten und die WK Steiermark haben wesentlichen Vorschub für eine bundesländerübergreifende Standortkooperation geliefert. Warum ist der gemeinsame Wirtschafsraum Südösterreich eine historische Chance?

Herk: Die Wirtschaft kennt keine Landesgrenzen und denkt in anderen Räumen. Diesbezüglich war bei uns schon lange das Bewusstsein da, dass wir die Kooperationen zwischen Kärnten und der Steiermark ausbauen müssen. Initial war sicherlich der Ausbau der Koralmbahn als wesentliches Infrastrukturprojekt, um den Wirtschaftsraum Südösterreich auch räumlich zu erschließen. Darüber hinaus haben wir bereits viele Cluster-Kooperationen, vom Green-Tech-Cluster bis Silicon Alps, weswegen ich immer von der „Technologie-Achse-Süd“ spreche. Wir haben erkannt, dass wir über Kooperationen in vielen Bereichen, wie in der Bildung oder in der Infrastrukturplanung, wesentlich mehr bewegen können.

Josef Herk, Präsident der WK Steiermark
Josef Herk, Präsident der WK Steiermark. - © Josef Herk

Mandl: Wir sind mit dem gemeinsamen Wirtschaftsraum erstmals in der Lage, eine kritische Masse zu bilden, um europaweit und weltweit sichtbar zu sein. Durch die gemeinsame Entwicklung von Infrastrukturen, wie Bahnstrecken, Forschungseinrichtungen, Flughäfen etc. und die Ansiedelung von Weltmarktführern in der Region haben wir die Chance, Strukturen effizienter zu machen und z.B. die „letzte Meile“ ökologisch zu gestalten. Wir haben mit dem LCA-Süd in Villach und der CCG in Graz zwei zentrale Logistikhubs, die uns mit der Eisenbahn an die wichtigen Häfen Koper und Triest anbinden und somit das Tor zu den Weltmärkten eröffnen. Triest ist heute schon der größte Zugs-Verschub-Hafen Europas, der im Vergleich zu den Häfen Nordeuropas den Weg nach Asien um rund eine Woche verkürzt. Sich hier als zentraler Technologie-Standort aber auch als Lebensraum zu positionieren, birgt großes Potenzial.

Jürgen Mandl, Präsident der WK Kärnten
Jürgen Mandl, Präsident der WK Kärnten. - © Helge Bauer

Die Spezialisierung auf Hightech-Branchen birgt die große Chance, aus Steiermark und Kärnten eine Art europäisches Silicon Valley zu machen. Wie wichtig ist daher auch die weitere Stärkung der Forschung?

Herk: Das Silicon-Alps-Lab mit seinen Standorten in Kärnten und der Steiermark ist ja bereits europaweit ganz vorne dabei. Ein wichtiger Punkt ist auch die Kooperation auf Landesebene mit dem Joanneum Research mit finanzieller Beteiligung beider Bundesländer. Das hat viele Türen und Tore geöffnet, vor allem auch im Ausbildungsbereich und in der betrieblichen Forschungskooperation. Durch die Koralmbahn verbinden sich auch die Ausbildungs- und Forschungsräume, was großes Potenzial für die Vernetzung der Universitäten und Hochschulen bringt. Und uns muss klar sein: Exzellenz ist der neue Durchschnitt. Nur wenn der Forschungsbereich entsprechend ausgestattet ist, bekommen wir die besten Professoren und die engagiertesten Studierenden. Die ganze Wertschöpfungskette hängt schließlich von topqualifizierten Fachkräften und Forschern ab.

Mandl: Die Steiermark ist ein traditioneller Universitätsstandort mit sehr starken technischen Einrichtungen. In Kärnten sind wir eher geisteswissenschaftlich orientiert. Für Kärnten ist es daher sehr von Bedeutung, mit überregionalen Forschungskooperationen an dieses Know-how anzuknüpfen und den Zugang zur Forschung zu bekommen. Daher war es sehr sinnvoll, dass sich das Land Kärnten beim Joanneum Research beteiligt hat und auch einen Standort des Fraunhofer Instituts nach Kärnten zu holen. Die angewandte Forschung und die Umsetzung im betrieblichen Alltag halte ich für ganz wesentlich, um auch vom Prototyp in die Serienreife zu kommen. Und hier müssen wir unbedingt in die Breite kommen. Sämtliche Bildungs- Forschungsstandorte zielen darauf ab, uns einen internationalen Wettbewerbsvorteil zu beschaffen. Nicht nur um innovative Produkte zu entwickeln, sondern auch, um die klügsten Köpfe weltweit anzuziehen.

Der Mensch wird in Zukunft das wichtigste Kapital für eine Wirtschaftsregion. Welche Voraussetzungen muss man schaffen, damit Humankapital angezogen werden kann?

Herk: Wir haben das Glück, dort arbeiten zu können, wo andere Urlaub machen. Was das für ein Asset ist, ist uns manchmal selbst gar nicht bewusst. Doch unser wunderbares Lebensumfeld, mit der attraktiven Kombination aus Wirtschafts- Natur- und Kulturraum, ist etwas Einzigartiges und das müssen wir selbstbewusst nach außen kommunizieren. Es ist ja ein unglaublich attraktives Umfeld, beispielsweise in Graz zu studieren und innerhalb einer Stunde mit der Koralmbahn dann am Wörthersee zu sein, wo man sich entspannen kann. Das Thema „Arbeit und Vereinbarkeit mit Familie“ ist besonders wichtig. Hier haben wir noch deutliche Defizite. Wir sind mit Teilzeitbeschäftigung ohnehin europaweit an der Spitze. Das können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten.

Mandl: Es ist genau das! Es ist erstmalig sichtbar, welche Vorteile die Kooperation unserer beider Bundesländer als Arbeits- und Lebensraum bietet. Wir haben die Unternehmen, wir haben die Arbeitsplätze, wir haben die Entwicklungs- und Forschungsmöglichkeiten, aber wir haben auch leistbaren und attraktiven Lebensraum. Dank Digitalisierung kann man bei uns aus idyllischen Landdörfern auf den Weltmärkten agieren. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir den Breitbandausbau in allen Regionen vorantreiben. Weiters leben wir in einem Umfeld, wo man am Abend außer Haus gehen und sich sicher fühlen kann. Wer beruflich auf der ganzen Welt unterwegs ist, weiß wovon ich spreche. Wenn sie heute als Expat in Lateinamerika oder Asien stationiert sind, dann ist Sicherheit ein Thema, vor allem, wenn man Familie hat. Zudem haben wir soziale Sicherheit und eine Region der kurzen Wege. Man ist schnell in Wien, Salzburg oder Venedig.

Wie wichtig ist die Schaffung von neuer Infrastruktur, um im harten Wettbewerb der Regionen bestehen zu können?

Herk: Man betrachtet so manch infrastrukturelle Entwicklung von einem Hinterzimmer eines Wiener Ministeriums aus, wo man leicht mit der U-Bahn von A nach B kommt. Dass wir aber in unserer Region andere Voraussetzungen brauchen, dringt zu den Köpfen in der Bundespolitik nicht immer durch. Ich habe Sorge, dass in der öffentlichen Wahrnehmung etwas kippt. Dass man nur mehr auf das Verhindern von Infrastrukturbauten aus ist. Ich halte fest: Es hat in der Steiermark und in Kärnten noch nie so viel Wald gegeben wie jetzt. Und mit unseren führenden Forschungs- und Produktionsbetrieben leisten wir weltweit einen viel größeren Beitrag für Klimaschutz und Co. als mit der Verhinderung von wichtigen Infrastrukturen.

Mandl: Es ist natürlich Hardcore-Verdrängungswettbewerb zwischen den Wirtschaftsregionen. Alle ringen um Fachkräfte und kluge Köpfe. Das Gesamtkonzept, das eine Region anbieten kann, ist daher ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Der bereits angesprochene Breitbandausbau, aber auch die Schaffung von internationalen Schulen, Kultureinrichtungen sowie der weitere Ausbau der Verkehrswege ist zentral. Ohne entsprechendes Angebot ist eine internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr zu haben. Gewisse infrastrukturelle Voraussetzungen werden daher als Region lebenswichtig sein. Wir werden gewisse Straßenprojekte ebenso benötigen, wie den weiteren Bahn- und Öffi-Ausbau.