Internationales Geldsystem : Die Zukunft des Geldes

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Wirtschaftsnachrichten: Im Oktober 2020 kündigte der Internationale Währungsfonds (IWF) das bevorstehende Aufkommen eines neuen "Bretton Woods Moments" im internationalen Geldsystem an.

- © Getty Images/iStockphoto

Kristalina Georgieva, die Direktorin des IWF, kündigte in einer Presseaussendung am 15. Oktober 2020 einen neuen Bretton Woods Moment für das internationale Währungssystem an. Was eigentlich auf den Titelseiten jeder Tageszeitung stehen hätte müssen, wurde zu einer medialen Randnotiz, dabei geht es hier um eine völlige Neuordnung unseres Geld- und Wirtschaftssystems.

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Kristalina Georgieva ist seit Oktober 2019 geschäftsführende Direktorin des IWF.
Kristalina Georgieva ist seit Oktober 2019 geschäftsführende Direktorin des IWF. - © GRANT ELLIS

Als das Weltwirtschaftssystem beschlossen wurde

Erinnern wir uns kurz, was das Bretton Woods System eigentlich ist. Bereits während des Zweiten Weltkriegs starteten zwischen Großbritannien und den USA erste Verhandlungen über eine wirtschaftliche und währungspolitische Nachkriegsordnung. Es ging um die Stützung des britischen Pfund durch den US-Dollar. An den Gesprächen waren viele der namhaftesten Ökonomen der damaligen Zeit beteiligt, wie z.B. John Maynard Keynes und Harry Dexter White.

1944 kam es schließlich auf der so genannten Bretton-Woods-Konferenz im Mount Washington Hotel im kleinen Örtchen Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire zur Unterzeichnung eines Abkommens, das die internationale Währungsordnung nach dem Weltkrieg neu regeln sollte. 44 Staaten waren Erstunterzeichner.

Bretton Woods, USA - September 20, 2017: famous Mount Washington Hotel in Jefferson in the mount washington area.
Im Mount Washington Hotel in Bretton Woods (USA) wurde 1944 das Bretton-Woods-Abkommen unterzeichnet. - © Getty Images

Im Wesentlichen ging es darum, dass alle Währungen an den US-Dollar gekoppelt und somit konvertierbar werden und der US-Doller durch einen Goldstandard wertgesichert wurde. Damit wollte man fixe Währungskurse, stabile Preise und ein möglichst stabiles Weltwirtschaftssystem schaffen, was zunächst auch gelang. Als Folge von Bretton Woods wurden internationale Institutionen wie die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds geschaffen. Mit anderen Worten, das Bretton-Woods-Abkommen ist die Basis für unser heutiges Weltwirtschaftssystem. Wirtschaftskrisen wie in den 1930er-Jahren wollte man damit verhindern. In den 1950er und 1960er Jahren führte das neue Währungssystem zu einem Wirtschaftswunder. Doch es gab Systemmängel. Es waren z.B. keine Deckungsvorschriften für den Geldumlauf vorgesehen. Das führte zu einer expansiven Geldpolitik der Vertragsstaaten. Zahlungsbilanzdefizite und Inflation waren die Folge. Der festgelegte Gold-Dollar-Standard mit einem Preis von 35 US-Dollar pro Feinunze war von der US-Notenbank nur mehr schwer zu halten.

Die Nachfrage nach US-Dollar-Währungsreserven konnte weltweit nicht mehr bedient werden. Das System belastete die US-amerikanische Wirtschaft, sodass der damalige US-Präsident Richard Nixon am 15. August 1971 die fixe Goldbindung des US-Dollars aufhob, was zum so genannten „Nixon-Schock“ führte. Fortan konnte die USA Geld drucken, ohne auf eine Wertbesicherung durch Gold Rücksicht zu nehmen. Das heutige Fiat-Geldsystem war die Folge.

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Längst haben sich digitale Zahlungsmethoden durchgesetzt. Doch gesetzlich sind immer noch Münzen und gedruckte Geldscheine offizielles Zahlungsmittel. Bald könnte auch digitales Geld diesen Rechtsstatus bekommen. - © Getty Images/iStockphoto

Fiat money rules the world

Unter Fiatgeld versteht man ein Tauschmitte ohne inneren Wert. D.h. es gibt keine Wertabsicherung mit einem realen Wertgegenstand wie z.B. Gold. Theoretisch erlaubt ein solches Währungssystem die Geldschöpfung in beliebiger Höhe. Begrenzung findet nur über regulatorische Maßnahmen über den Gesetzesweg statt. Die Zentralbanken haben sich in den letzten Jahrzehnten dieses Mechanismus bedient, um umfangreiche Staatsausgaben durch Gelddrucken zu finanzieren. Dadurch ist eine enorme Ausweitung der Staatsschulden in vielen Ländern entstanden. Heute sind viele Staaten der Welt weit über ihrem BIP verschuldet. Die höchste weltweite Staatsverschuldung weist Japan mit einem Verschuldungsgrad von 236,3 Prozent des BIP aus, gefolgt von Griechenland mit 168,9 Prozent. Durch den Wegfall des Goldstandards musste man sich natürlich regulatorische Grenzen überlegen, um die Folgen unbegrenzten Gelddruckens (vor allem Inflation) handhaben zu können.

Für Vertreter der Österreichischen Schule der Ökonomie ist Defizit-Spending, das heißt, die Finanzierung von öffentlichen Ausgaben durch Schuldenmachen bzw. Gelddrucken, die Hauptursache vieler wirtschaftlicher Verwerfungen. Langezeit galt der so genannte Rogoff-Koeffizient als Richtline, wie weit sich ein Staat verschulden kann, ohne einen Zahlungsausfall zu riskieren. Bis ca. 90 Prozent des BIP wäre demnach eine Staatsverschuldung verkraftbar. Benannt nach dem US-amerikanischen Ökonom Kenneth S. Rogoff wurde sein Modell zu einer weltweiten Doktrin. Staaten, die in die Nähe dieser Richtschnur kamen, versuchten mit Austeritätspolitik ihre Ausgaben zu begrenzen. Aus der Griechenland- und Eurokrise von 2010 ist uns noch bestens bekannt, was so eine Sparpolitik für ein Land bedeuten kann. Massive Kürzungen im Sozialsystem, bei öffentlichen Leistungen, Krankenkassen etc. bis hin zu hoher Arbeitslosigkeit. Daran leiden manche EU-Mitgliedsländer bis heute.

Mittlerweile wurde der Rogoff-Koeffizient widerlegt, da sich zahlreiche westliche Industriestaaten weit über 90 Prozent des BIPs verschulden konnten, ohne dass die prognostizierten Folgen eintraten. Ökonomen wie die Nobelpreisträger Josef Stieglitz und Paul Krugman forderten daher eine Abkehr jeglicher Austeritätspolitik und die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut durch eine aktive Ausweitung der staatlichen Ausgaben. Die Stunde der Modern Monetary Theory (MMT) war gekommen.

Mythos Geldknappheit

Anfang der 2010er Jahre erkannte linke Ökonomen, dass die Ausweitung der Staatsschulden und die Erhöhung der Geldmenge nicht mehr nach den bisher üblichen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten ablief. Sie schlussfolgerten, dass ein Staat sich theoretisch in beliebiger Höhe selbst verschulden könne, solange es sich um Zentralbankengeld handelt. Und ab hier wird es kompliziert, denn genau genommen muss zwischen Privatgeld, das von den Geschäftsbanken geschöpft wird und dem staatlichen Zentralbankengeld unterschieden werden.

Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, wie wir weltweit buchhalterisch Schulden und Guthaben verbuchen. Wichtige Vertreter der MMT sind u.a. die US-amerikanische Ökonomin Stephanie Kelton und James K. Galbraith sowie der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Dirk Ehnts, der auch die deutsche Bundesregierung beraten hat. Sie alle plädieren für die Einführung eines Zentralbankengeldsystems, um die wirtschaftlichen und sozialen Probleme lösen zu können. Die MMT ist nicht ohne Kritik, aber sie beeinflusst aktuell maßgeblich die Handlungsweise der Europäischen Zentralbank und der US-amerikanischen Federal Reserve.

Digitales Geld und Adam Smith

Der massive Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB in den letzten Jahren ist eine direkte Folge der MMT. Staatsfinanzierung durch gedrucktes Zentralbankengeld. Die von Kritikern befürchteten Folgen wie etwa steigende Inflation sind bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie ausgeblieben. Die MMT besagt, allerdings, dass das Angebot mit der steigenden Nachfrage mitwachsen muss. Die durch die steigende Geldmenge angetriebene Nachfrage soll eben genau zu den positiven Beschäftigungseffekten führen, die man sich durch die MMT erhofft. Inzwischen ist man noch einen Schritt weiter. Man hat erkannt, dass die zunehmende Digitalisierung unseres Finanz- und Währungssystems gänzlich neue ökonomische Gesetzmäßigkeiten erzeugt, die wir erst beginnen zu verstehen. Rund 95 Prozent der weltweiten Geldmenge ist nicht in gedruckter Form im Umlauf, sondern als Zahlen und Daten.

Das erzeugt eine äußerst einmalige Situation: Erstmals in der Geschichte hat sich unser Geld völlig von physischen Werten entkoppelt. Wir benutzen für den überwiegenden Großteil unserer Transaktionen weder Edelmetalle noch Bargeld, sondern digitale Zahlungsmethoden, wo rein technisch gesehen gar nichts mehr transferiert wird, sondern lediglich Zahlen (Bits und Bytes) in einem Computer eingegeben werden. Die Verrechnung findet nur mehr auf dem Papier in Form von Buchungssätzen statt. Die dadurch entstandene „Digitale Ökonomie“ eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten, wir operieren dieses neue Währungssystem aber noch mit unseren alten analogen Regeln, was gewisse Widersprüche erzeugt. Welche Regeln und Gesetzmäßigkeiten für ein digitales Geldsystem erforderlich werden, um Angebot und Nachfrage steuern zu können, wird von Wirtschaftswissenschaftlern weltweit aktuell untersucht.

Theoretisch ergibt sich dadurch etwas, das Karl Marx sehr freuen würde, nämlich die Entkoppelung von Preis und Lohn. In einem digitalen Geldsystem können nämlich für beides unterschiedliche Informationswerte festgelegt werden. Dadurch lässt sich auch ein Problem beheben, das bereits Adam Smith in seinem ökonomischen Standardwerk „Wohlstand der Nationen“ erkannt hat, nämlich dass die Ursache von Armut nicht unbedingt am Mangel an Gütern liegen muss, sondern an der Nichtverfügbarkeit von Geldmitteln. Adam Smith wies darauf hin, dass nicht nur die Distribution von Gütern, sondern auch von Geld entscheidend sei, damit eine Volkswirtschaft funktioniert. Aus seiner Perspektive des späten 18. Jahrhunderts blieben manche Staaten deshalb arm, nicht weil es ihnen an Gütern und Rohstoffen mangelt, sondern schlichtweg an Geld, um diese kaufen, verarbeiten und handeln zu können. In der digitalen Ökonomie kann Geld im Grunde im Bruchteil einer Sekunde geschöpft und weltweit dorthin transferiert werden, wo es gebraucht wird. Wir kennen diesen Vorgang im Wesentlichen bereits unter dem Begriff „Helikoptergeld“.

Wie viel Geld gibt es auf der Welt?

Bargeld ist gedruckte Freiheit. Es garantiert Anonymität, Sicherheit und viele weitere wichtige Bürgerrechte, die uns oft gar nicht so bewusst sind. Digitales Geld birgt die Gefahr, uns abhängiger zu machen und der Überwachung Tür und Tor zu öffnen. Wenn wir über die Zukunft des Geldes reden, müssen wir dabei auch über Rechte und demokratische Kontrolle sprechen.

Quelle: Visual Capitalist/Forbes Magazin

Der Digitale Euro als Geld der Zukunft?

Die EZB, sowie auch andere Zentralbanken, haben bereits angekündigt, über die Einführung einer digitalen Währung zu beraten. Der geplante Digitale Euro soll ein Zentralbankengeld sein, dass nur über die EZB abgewickelt werden kann. Private Geschäftsbanken sollen ihn nicht benutzen können. Dafür braucht der Kunde zukünftig ein Konto direkt bei der Europäischen Zentralbank. Gezahlt werden kann mit einem digitalen Euro natürlich nur digital. Dieser soll das Euro-Bargeld nicht ersetzen, wie es von der EZB heißt, sondern ergänzen. Obwohl viele Details noch nicht bekannt sind, bedeutet das im Prinzip, dass es zukünftig zwei Währungen im Euroraum geben könnte, die miteinander über einen Wechselkurs konvertibel sind. Theoretisch bekäme die EU damit ein Mittle in die Hand, beispielsweise Sozialleistungen in digitalen Euros auszuschütten und das dafür nötige Geld einfach über die Zentralbank zu schöpfen. Kritiker warnen, dass damit die Überwachung der Bürgerinnen und Bürger Tür und Tor geöffnet wäre.

Das Sozialkreditsystem in China, wo digitale Zahlungsmethoden schon viel weiter fortgeschritten sind, dient dabei als negatives Beispiel. Tatsächlich könnte ein digitaler Euro die Bürgerinnen und Bürger noch gläsern machen, als sie ohnehin schon sind. Eine demokratische Kontrolle der EZB wird dadurch wohl notwendig werden. Der Schritt der Zentralbanken ist grundsätzlich verständlich. Durch das Aufkommen von Kryptowährungen wie Bitcoin sowie digitaler Zahlungssysteme, die im Wesentlichen von großen Tech-Unternehmen wie Apple, Mastercard, Paypal und Co. dominiert werden, drohte eine regelrechte Privatisierung des Geldes. Spätestens seit Facebook (jetzt Meta) angekündigt hatte, mit Libra eine erste eigene Digitalwährung einzuführen, sind die staatlichen Währungshüter alarmiert. Es geht um die Hoheit des Staates über das Geldmonopol.

Bretton-Woods 2.0

Wie also ein neues Geldsystem aussehen könnte, bleibt noch fraglich. Sicher scheint, dass wir wohl in den nächsten Jahren einen solchen Bretton-Woods-Moment erleben könnten, der zu einer Neuordnung der Finanz- und Währungssysteme führen wird. Fragt man nach den Gründen, warum dies notwendig werden wird, gibt der IWF jedenfalls in seiner Presseaussendung einige Antworten. Die Pandemie sei demnach eine wirtschaftliche Katastrophe gewesen, die die Weltwirtschaft schrumpfen ließ und bis Anfang 2022 einen weltweiten Produktionsverlust von rund elf Billionen US-Dollar verursacht hat.

Der Angebots-Nachfrage-Schock führte zu einem Kollaps der Lieferketten und dadurch zu einer Situation, in der die Geldpolitik der Zentralbanken plötzlich zum Problem wurde, weil die Realwirtschaft nicht mehr mitwuchs. Die nun steigende Inflation lässt sich kaum mehr durch die Geldpolitik einfangen, was die Staaten vor ein Dilemma stellt. Sie müssen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie einerseits durch staatliche Hilfsgelder abfangen, können sich aber nur mehr über die Zentralbanken verschulden. Andererseits sind auch massive Investitionen in den ökologischen Umbau der Wirtschaft notwendig.

Durch den Krieg in der Ukraine wird die Situation noch weiter verschärft werden. Laut dem IWF braucht es daher eine Neuordnung des Finanz- und Geldsystems, um den Herausforderungen der Zukunft, auch hinsichtlich des Klimawandels, gerecht zu werden. Laut IWF-Direktorin wird es um eine größere Schuldentransparenz und neue Regeln für die Abwicklung von Staatsschulden, einschließlich einer Beteiligung des Privatsektors gehen. Ziemlich sicher ist, dass unser Geld digitaler werden wird. Bargeld sichert uns als Bürgerinnen und Bürger aber viele Rechte. Es ist gedruckte Freiheit. Es wird entscheidend sein, diese auch auf ein digitales Geldsystem zu übertragen.