Bosch, Continental, Schaeffler und Co. : Zuliefer-Krise spitzt sich zu: Warum China deutsche Hersteller zum Handeln zwingt
Inhalt
- Deutsche Zulieferer in China: Wer sich nicht anpasst, verliert den Anschluss
- Vom Taktgeber zum Mitläufer: Deutsche Hersteller verlieren in China an Boden
- Deutsche Zulieferer unter Zugzwang: Nur wer in China präsent ist, bleibt relevant
- Bosch trotzt dem Trend: Wachstum im härtesten Automarkt der Welt
- Continental auf Wachstumskurs: Mit Softwareplattformen zum Erfolg in China
- Vom Getriebe zur Plattform: Wie ZF den Anschluss in China sucht
- Schaeffler wächst in China – und holt mit Vitesco zum Technologiesprung aus
- Zwischen Verbrenner-Erbe und Zukunftsdruck: Mahle und Brose im China-Stresstest
- Zulieferer im Wandel: Wer in China bestehen will, muss vor Ort liefern
Autozulieferer unter Druck: Bosch, Continental und Schaeffler setzen in China auf Lokalisierung, Elektromobilität und Softwarekompetenz – ein Wettlauf gegen Zeit und Wettbewerb.
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Zwei Drittel der deutschen Autozulieferer rechnen damit, dass in den kommenden zwei Jahren Wettbewerber vom Markt verschwinden. Investitionsdruck, geopolitische Turbulenzen und der rasante Aufstieg chinesischer Konkurrenten machen den Traditionsbetrieben zu schaffen – 51 Prozent bescheinigen der neuen Konkurrenz aus Fernost bereits „einen uneinholbaren Vorsprung bei Schlüsseltechnologien“. Das geht aus einer aktuellen Baker-Tilly-Umfrage unter 100 Branchenentscheidern hervor.
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Auch bei der Gesamteinschätzung der Branche herrscht Pessimismus: 79 Prozent der Topmanager stufen die Lage als „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“ ein. Völlig anders die Sicht auf das eigene Haus: 78 Prozent attestieren dem eigenen Unternehmen eine „eher“ oder „sehr gute“ Verfassung. Für Jannik Bayat, Automotive-Experte bei Baker Tilly, ist dieser Widerspruch bezeichnend: „Die Wahrnehmung klafft drastisch auseinander – die Firmen erkennen die Risiken zwar, nehmen sie im eigenen Betrieb aber nicht entschlossen genug in Angriff.“
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Deutsche Zulieferer in China: Wer sich nicht anpasst, verliert den Anschluss
Das Zeitfenster für deutsche Zulieferer in China schließt sich rapide. Der Marktanteil deutscher Automarken ist in der Volksrepublik seit 2018 von über 22 Prozent auf zuletzt knapp 18 Prozent geschrumpft. Die Folge: Auch den Zulieferern bricht die Nachfrage weg. Um das Loch zu stopfen, buhlen sie nun verstärkt um Aufträge chinesischer Hersteller – doch die Spielregeln sind andere. Chinas Autobauer ticken im Modus „China Speed“: Entwicklungsentscheidungen binnen weniger Tage, Projektlaufzeiten von 12 statt 36 Monaten und Preisvorgaben, die oft 30 Prozent unter westlichem Niveau liegen.
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Wer als deutscher Zulieferer im Reich der Mitte überleben will, muss sich diesem Tempo, den aggressiven Kostenstrukturen und der digital-getriebenen Arbeitsweise anpassen – oder riskieren, mitsamt den schrumpfenden deutschen OEMs vom chinesischen Markt verdrängt zu werden. Ein genauerer Blick zeigt jedoch: Einige große deutsche Anbieter haben genau das geschafft – mit starker lokaler Präsenz, eigenen Entwicklungszentren und der Fähigkeit, ihre Technologien an chinesische Plattformlogik und NEV-Anforderungen anzupassen. Vor allem die großen Tier-1-Zulieferer zeigen, dass deutsche Industriekompetenz auch im härtesten Automobilmarkt der Welt weiterhin gefragt sein kann. Ganz so schlecht steht es also nicht um die deutsche Zuliefererindustrie – jedenfalls nicht für jene, die sich konsequent anpassen.
Vom Taktgeber zum Mitläufer: Deutsche Hersteller verlieren in China an Boden
Mit knapp 30 Millionen verkauften Fahrzeugen war China 2024 nicht nur der weltgrößte Automarkt, sondern beinahe dreimal so groß wie die USA oder die EU mit jeweils rund 11 Millionen abgesetzten Autos pro Jahr. Jahrzehntelang war die Volksrepublik der Goldesel deutscher Hersteller – und damit auch ihrer Zulieferer.
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Doch der Elektroboom hat das Machtgefüge verschoben: Volkswagen, BMW und Mercedes sind in China vom Taktgeber zum Mitläufer geworden – und mit ihnen zahlreiche deutsche Tier-1-Lieferanten. 2021 führte VW Chinas Autobranche noch mit 14,4 Prozent Marktanteil an – im vergangenen Jahr liegt BYD bei 16,2 Prozent VW nur noch bei 12,1 Prozent. BMW sackte von 3,8 auf 3,0 Prozent ab, Mercedes von 3,9 auf 2,7 Prozent. Geraten die deutschen Autobauer ins Schleudern, rutscht die gesamte Zulieferpyramide hinterher - denn im Schnitt beliefern gerade einmal 18 Prozent der Zulieferer auch chinesische Autobauer.
2025 setzt sich der Trend fort. Während der Autoabsatz in China im ersten Quartal um 12,5 Prozent wuchs – angetrieben von BYD, Geely & Co. – meldete VW einen Rückgang der Verkäufe um 7 Prozent, Mercedes um 10 Prozent und BMW um 17 Prozent. Porsche stürzte sogar um 42 Prozent ab.
Deutsche Zulieferer unter Zugzwang: Nur wer in China präsent ist, bleibt relevant
Auf der Auto Shanghai suchten die deutschen OEMs nach dem Gegenschlag – und kündigten einen Strategiewechsel an: „In China, für China“ (VW) oder „local for local“ (BMW). Hinter diesen Marketingformeln steckt ein tiefgreifender Umbau der Lieferketten: Antriebsstränge, Leistungselektronik, Batteriemodule, Displays – alle Komponenten sollen künftig in China entwickelt, beschafft und montiert werden, um Entwicklungszeiten zu halbieren und Kosten zu senken. Für deutsche Zulieferer bedeutet das: Nur wer schnell eigene Produktionslinien, F&E-Kapazitäten und wettbewerbsfähige Preisstrukturen vor Ort etabliert, bleibt im Spiel. Wer zögert, verliert – und macht Platz für lokale Anbieter.
Anders als Automobilhersteller, die mit neuen Modellen um Marktanteile kämpfen, könnten deutsche Zulieferer grundsätzlich vom Aufstieg chinesischer Marken profitieren – unabhängig davon, wer am Ende das Fahrzeug baut. Ob dieser Erfolg tatsächlich eintritt, hängt jedoch maßgeblich von zwei Faktoren ab: der lokalen Präsenz in China und der Kompatibilität der eigenen Komponenten mit den Anforderungen der elektrifizierten, softwaredefinierten Mobilität. Manche Zulieferer sind hier bereits gut positioniert – andere kämpfen noch mit dem Anschluss.
Bosch trotzt dem Trend: Wachstum im härtesten Automarkt der Welt
Während viele westliche Autozulieferer in China Marktanteile verlieren, gelingt Bosch das Kunststück, im schwierigsten Marktumfeld der Branche zuzulegen. 2024 stieg der Umsatz des Geschäftsbereichs Bosch Mobility in der Volksrepublik um rund vier Prozent – auf umgerechnet knapp 15 Milliarden Euro. Der Grund: Bosch liefert, was Chinas NEV-Industrie verlangt – elektrifizierte Antriebssysteme, softwaredefinierte Fahrzeugarchitekturen bei maximaler Lokalisierung.
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Bosch beliefert in China eine breite Palette an Automobilherstellern – von internationalen Joint-Venture-Marken bis hin zu rein chinesischen NEV-Pionieren. Zu den wichtigsten Kunden zählen BYD, Geely, SAIC, Chery, Great Wall und Nio, die ihre Plattformarchitekturen teils mit Bosch-Technologie aufrüsten. Auch bei den Joint Ventures internationaler Hersteller – darunter Volkswagen (VW China, FAW-VW, SAIC-VW), Mercedes-Benz (Beijing Benz) und Toyota – zählt Bosch zu den Kernzulieferern für Antrieb, Fahrerassistenz und Softwareintegration.
Je nach OEM liefert Bosch elektrische Antriebssysteme, zentrale Steuergeräte, Kamerasysteme, Radar-Module, Bremssysteme, E-Achsen, Inverter sowie Softwarelösungen für das vernetzte Fahrzeug – stets angepasst an die Plattformstrategie des Kunden. In Suzhou läuft seit 2024 eine neue Fertigungslinie für E-Achsen, das Softwarezentrum in Shanghai wurde erweitert. Und mit Xiaomi kam im vergangenen Jahr ein rein chinesischer E-Autohersteller als neuer Großkunde hinzu. Bosch entwickelt vor Ort zentrale Steuergeräte, OTA-Funktionen und cloudbasierte Fahrzeugdienste – Komponenten, die chinesische OEMs dringend benötigen, aber angesichts des Entwicklungsdrucks zunehmend an spezialisierte Zulieferer auslagern.
Dass Bosch in China über 60 Gesellschaften betreibt und rund 56.000 Mitarbeitende beschäftigt, macht den Unterschied: Die „local-for-local“-Strategie ist hier keine Floskel, sondern gelebte Realität. Wer Wertschöpfung, Entwicklung und Produktion lokal beherrscht – und gleichzeitig auf Hochtechnologie setzt –, kann selbst im härtesten Automobilmarkt der Welt wachsen.
Continental auf Wachstumskurs: Mit Softwareplattformen zum Erfolg in China
Neben Bosch kann auch Continental 2024 in China zulegen. Das Automotive-Geschäft erreichte rund 14 Prozent Anteil am weltweiten Konzernumsatz, bis 2030 erwartet das Unternehmen ein jährliches Wachstum von knapp unter fünf Prozent in der Volksrepublik.
Continental wächst in China vor allem deshalb, weil das Unternehmen genau die Produkte anbietet, die der Markt verlangt – digitale Fahrzeugplattformen, softwarefähige Steuergeräte, Curved-Displays, ADAS-Komponenten und zentrale Recheneinheiten, vor Ort entwickelt und produziert. Die Technologien bilden die Grundlage sogenannter digitaler Fahrzeugplattformen, die als softwaredefinierte, hochvernetzte Architektur alle zentralen Steuerungs- und Kommunikationsfunktionen im Fahrzeug bündeln – von Assistenzsystemen über Infotainment bis hin zu vernetzten Services. Zu den wichtigsten Kunden zählen BYD, Nio, XPeng, Geely und Great Wall, ebenso wie VW, BMW Brilliance und Daimler JV.
Mit über 20 Werken und elf F&E-Zentren, darunter ein neues Software- und KI-Kompetenzzentrum in Shanghai, hat Continental die Strukturen geschaffen, um schnell auf lokale Anforderungen zu reagieren. In Chongqing arbeitet das Team zudem mit Horizon Robotics an skalierbaren ADAS-Plattformen – etwa „Luna“ und „Astra“, die im Gemeinschaftsunternehmen Horizon Continental Technology entstehen.
Nicht auf der IAA in München, sondern auf der Auto Shanghai kündigte Continental die Umbenennung und Abspaltung seines Automotive-Geschäfts in Aumovio an. Der Börsengang ist für September 2025 geplant, die Abspaltung wurde im Frühjahr vom Aufsichtsrat und der Hauptversammlung bestätigt. Aumovio soll künftig als eigenständiges Technologieunternehmen die Geschäftsbereiche elektronische Systeme, Fahrzeugvernetzung und softwaredefinierte Architekturen übernehmen.
CEO Philipp von Hirschheydt erwartet durch die Unabhängigkeit mehr Innovationskraft, Tempo und Flexibilität: „Als eigenständiges Unternehmen gewinnen wir deutlich mehr Gestaltungskraft und Geschwindigkeit. Unser Anspruch ist es, unsere Position in den Zukunftsfeldern und Wachstumsmärkten der Mobilität weiter auszubauen. Gerade in China wird diese Strategie deutlich. Hier setzen wir unter anderem auf unsere starke lokale Präsenz, indem wir vor Ort für den chinesischen Markt produzieren und entwickeln.“
Während Bosch vor allem mit Elektrifizierung und hochintegrierten Antriebssystemen punktet, steht Continental für das zweite große Erfolgsmodell westlicher Zulieferer in China: modulare Softwareplattformen, digitale Nutzererlebnisse und technologische Nähe zu lokalen OEMs.
Vom Getriebe zur Plattform: Wie ZF den Anschluss in China sucht
Deutlich schwerer tut sich ZF-Friedrichshafen: Der Umsatz in China lag 2024 nur mehr bei 6,4 Milliarden Euro. Im Jahr davor waren es noch 8,1 Milliarden Euro, 2022 immerhin 7,7 Milliarden. Verantwortlich für den massiven Rückgang sind Sondereffekte wie die Auslagerung der Achsmontage an Foxconn sowie das sinkende Preisniveau im Volumengeschäft.
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ZF zählt zu den traditionell stark mechanisch geprägten Zulieferern – Getriebe, Lenkungen, Fahrwerkmodule und Achssysteme prägten über Jahrzehnte das Bild des Unternehmens. Um nicht den Anschluss am chinesischen Markt zu verlieren, stellt ZF sein Portfolio zunehmend auf Elektrifizierung, Fahrerassistenzsysteme und softwaredefinierte Architekturen um – besonders in China.
Mit der E-Achse aus dem neu eröffneten Werk in Shenyang, der Softwareintegration für softwaredefinierte Fahrzeuge und zentralen Steuergeräten wie „ZF ProAI“ versucht das Unternehmen, die nächste Generation von Plattformlösungen zu bedienen. ZF ist auch im Bereich ADAS aktiv – mit Radar-, Kamera- und Bremssystemen – und erhielt als erster ausländischer Zulieferer eine Level-4-Testlizenz für hochautomatisiertes Fahren in Shanghai.
Die Transformation trägt bereits erste Erfolge: kürzlich konnte sich ZF einen Großauftrag für eine Steer-by-Wire-Lenkung sichern – ein vollelektronisches Lenksystem ohne mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Rädern. Eingesetzt wird es ab 2025 im Flaggschiffmodell ET9 von Nio. Doch der Umbau vom Hardwarelieferanten zum Systemanbieter ist kostenintensiv, der Margendruck extrem. Als Folge ging auch die Zahl der Beschäftigten im Reich der Mitte deutlich zurück: von rund 17.000 Ende 2023 auf etwa 15.500 ein Jahr später.
Während Bosch und Continental stärker von ihrer Software- und Plattformkompetenz profitieren, muss ZF seine technologische Breite noch industriell skalieren. Die Lokalisierungsstrategie ist vorhanden, die F&E-Strukturen in China stark. ZF ist in China mit rund 50 Standorten operativ breit aufgestellt. Das Unternehmen investierte 2024 mit dem neuen E-Mobility-Campus in Shenyang gezielt in den lokalen Hochlauf elektrischer Antriebssysteme – entscheidend wird nun, ob ZF den Takt der NEV-OEMs mitgehen kann.
Schaeffler wächst in China – und holt mit Vitesco zum Technologiesprung aus
Auch Schaeffler wächst in China: 2024 legte der Umsatz in der Volksrepublik um 3,9 Prozent zu. Mit 13 Werken, zwei Forschungszentren in Anting und Changsha sowie rund 13.000 Mitarbeitenden ist der Zulieferer vor Ort tief verankert. Das Unternehmen treibt seine Transformation vom klassisch mechanischen Komponentenhersteller hin zum Anbieter smarter Antriebslösungen voran – mit Fokus auf E-Motoren, E-Achskomponenten und softwarefähigen Aktuatoren.
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Die Übernahme von Vitesco soll Schaefflers Position im Markt für Elektromobilität weiter stärken. Der Zusammenschluss wurde von Aufsichtsrat und Hauptversammlung bereits genehmigt, der rechtliche Abschluss ist für Ende 2025 geplant. Vitesco ergänzt das Portfolio mit Hochvoltkomponenten, Invertertechnologie und Batterie-Management-Systemen – Bausteine, die insbesondere im chinesischen Markt heiß begehrt sind.
Doch während Schaeffler zuletzt zulegen konnte, bleibt Vitesco in China unter Druck: 2024 stagnierte der Umsatz weitgehend auf Vorjahresniveau. Vitesco ist bislang mit wenigen Standorten vertreten – darunter ein Entwicklungszentrum und eine Fertigung in Tianjin sowie der regionale Hauptsitz in Shanghai. Im Vergleich zu Schaefflers breiter Präsenz fällt die lokale Verankerung deutlich schwächer aus. Das soll sich nun ändern: Mit der Übernahme kann Vitesco vom bestehenden Netzwerk und OEM-Zugang des Mutterkonzerns profitieren – und so stärker im chinesischen Plattformgeschäft Fuß fassen.
Beide Unternehmen konnten zuletzt Großaufträge in China gewinnen: So startete Schaeffler Anfang 2025 im Werk Xiangtan die Serienproduktion von Kugelgewindetrieben für elektromechanische Lenk- und Bremssysteme. Die hochpräzisen Antriebskomponenten gehen an mehrere chinesische Automobilhersteller, darunter Changan Automobile. Vitesco Technologies produziert seit Mitte 2024 im Werk Changchun erstmals Batterie-Management-Controller (BMC) in Großserie für einen führenden lokalen OEM. Offiziell bestätigt ist der Auftraggeber nicht – laut Branchenkreisen soll es sich jedoch um die FAW Group handeln. Die BMCs übernehmen zentrale Funktionen wie Zellüberwachung, Temperaturregelung und Datenkommunikation in NEV-Batteriesystemen.
Ob die Fusion in China zum gewünschten Marktvorteil führt, wird vor allem davon abhängen, wie rasch Vitesco seine Technologien bei chinesischen OEMs platzieren kann – und wie entschlossen Schaeffler seine Systemlösungen skaliert.
Zwischen Verbrenner-Erbe und Zukunftsdruck: Mahle und Brose im China-Stresstest
Doch nicht alle deutschen Zulieferer schaffen den Wandel in gleichem Tempo. Mahle und Brose stehen exemplarisch für die Schwierigkeiten etablierter Zulieferer im chinesischen Markt – der Strukturwandel verläuft langsamer als nötig, während der Druck von außen wächst. Mahle veröffentlicht zwar keine separaten Umsatzzahlen für China, doch in der Region Asien/Pazifik – zu der auch Märkte wie Japan, Indien und Südkorea zählen – verzeichnete Mahle 2024 einen Rückgang von rund 8 Prozent auf knapp 2,3 Milliarden Euro. Da Mahle in Indien ein Umsatzwachstum erzielte, dürfte der Rückgang in China noch deutlicher ausfallen als im regionalen Durchschnitt.
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In China fertigt Mahle traditionell Kolben, Zylinder, Ventiltechnik sowie Öl- und Luftfiltersysteme – Komponenten für klassische Verbrennungsmotoren. Parallel baut das Unternehmen sein Portfolio für Elektro- und Hybridfahrzeuge aus, darunter thermische Managementlösungen, HV-PTC-Heizer, elektronische Inverter, DC/DC-Wandler und EV-Kompressoren.
Mahle ist in China mit über 20 Fertigungsstandorten präsent – darunter Filterwerke in Tianjin sowie Werke für Motorenkomponenten in Changshu, Chengdu, Guangzhou und Chongqing. Ergänzt wird das Produktionsnetz durch ein zentrales Entwicklungszentrum in Shanghai und mehrere F&E-Einheiten. Insgesamt sind rund 7.800 Mitarbeitende für Mahle in China tätig.
Trotz dieser Strukturen steht Mahle in China unter erheblichem Druck: Die Nachfrage nach klassischen Verbrennerkomponenten bricht ein, der Konkurrenzdruck durch lokale Anbieter steigt, und der Wandel hin zu E-Mobilitätslösungen verläuft langsamer als geplant. Ein erstes positives Signal ist ein 200-Millionen-Euro-Auftrag für DC/DC-Wandler, der ab 2028 im Werk Changshu gefertigt werden soll – der OEM wurde bislang nicht genannt.
Auch bei Brose zeigt sich der massive Transformationsdruck – wenn auch mit anderem Produktschwerpunkt. Der Zulieferer ist in China mit zwölf Werken und rund 3.800 Mitarbeitenden präsent, doch das Produktportfolio bleibt stark auf klassische mechatronische Systeme und strukturelle Fahrzeugmodule ausgerichtet. Türsysteme, Sitzstrukturen, Antriebskomponenten für Tür- und Sitzverstellungen sowie Aktuatoren für Kofferraum- und Türantriebe – allesamt Bereiche, die in der E-Mobilität zunehmend unter Margen- und Innovationsdruck geraten.
Konkrete Umsatzzahlen für 2023 nennt das Unternehmen für den chinesischen Markt nicht; bekannt ist jedoch, dass der Umsatz 2022 bei rund 1,3 Milliarden Euro lag und 2024 auf etwa 1,2 Milliarden Euro sank. Zwar konnte Brose zuletzt neue Serienaufträge für elektrische Tür- und Sitzantriebe von chinesischen NEV-Herstellern gewinnen und investiert Millionen in den Ausbau seines Werks in Taicang zum größten Türsystem-Zentrum des Unternehmens in China. Doch die Marktbedingungen bleiben anspruchsvoll. Brose-CEO Stefan Krug verweist darauf, dass chinesische Automobilhersteller insbesondere im E-Fahrzeugsegment weltweit Marktanteile gewinnen – und dabei „verstärkt auf lokale Zulieferer“ setzen. „Das stellt uns besonders in China vor große Herausforderungen“, so Krug.
Zulieferer im Wandel: Wer in China bestehen will, muss vor Ort liefern
Die düstere Einschätzung vieler Zuliefer-Manager, wie sie in der Baker-Tilly-Umfrage zum Ausdruck kommt, ist nicht unbegründet – doch sie ist auch nicht das letzte Wort. Der chinesische Markt ist gnadenlos selektiv, aber keineswegs verschlossen. Bosch und Continental zeigen mit lokalisierter Entwicklung, tief verankerter Präsenz und digitaler Systemkompetenz, dass auch deutsche Anbieter in einem von Tempo, Kosten und Software getriebenen Umfeld erfolgreich bestehen können. ZF, Schaeffler oder Vitesco befinden sich im aktiven Umbau – mit ersten Erfolgen, aber auch deutlichem Handlungsdruck. Andere wie Mahle und Brose laufen Gefahr, mit einem zu stark auf klassische Komponenten ausgerichteten Portfolio den Anschluss zu verlieren.
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Der Weg ist klar: Wer sich technologisch öffnet, lokal entwickelt und die Anforderungen chinesischer NEV-OEMs antizipiert, hat trotz aller Widrigkeiten Chancen auf Wachstum.
Doch die Folgen dieser Entwicklung bleiben nicht auf China begrenzt. Wer in der Volksrepublik bestehen will, muss sich den lokalen Spielregeln anpassen – technologisch, strukturell und oft auch personell. Das bedeutet in vielen Fällen: Know-how, Fertigungskapazitäten und Entwicklungsbudgets wandern dorthin, wo die Kunden sitzen – nach Asien.
Der Druck zur Lokalisierung ist kein strategisches Wunschprogramm, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Für viele deutsche Zulieferer heißt das: Was in China investiert wird, fehlt zunehmend am Heimatstandort. Die Folge ist eine schleichende Erosion industrieller Substanz – weniger Investitionen in Forschung, sinkende Relevanz globaler Entwicklungszentren und langfristig der Verlust technologischer Führungsrollen.
China mag Wachstum versprechen – aber es fordert dafür seinen Preis.