Energie : Verbund-Chef Strugl: "Entwarnung zu geben wäre verfrüht"

Oesterreichs-Energie-Präsident Michael Strugl.

Verbund-Chef Michael Strugl: Verdoppelung des Strombedarfs bis 2040

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Verbund-Chef Michael Strugl erwartet auch für 2023 hohe Strompreise. "Entwarnung zu geben wäre verfrüht, das kommende Jahr wird auch preislich noch sehr herausfordernd. Der Strombedarf wird trotz aller Effizienzmaßnahmen massiv steigen. Durch die Dekarbonisierung dringt Strom auch in Sektoren wie Mobilität und Raumwärme vor", so Strugl. Das die Strompreise im kurzfristigen Stromhandel zuletzt nachgegeben hätten, sei eine Momentaufnahme und der geringeren Nachfrage geschuldet.

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Im Interview mit dem "Standard" rechnete er vor: "Wenn die Annahmen einigermaßen richtig sind, werden wir im Jahr 2030 ungefähr 100 Terawattstunden (TWh) brauchen, im Jahr 2040 etwa 140 TWh oder 140 Milliarden Kilowattstunden, das ist eine Verdoppelung gegenüber den 70 TWh heute."

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Erst kürzlich hatte Strugl erklärt, er wolle den börsennotierten Energiekonzern breiter aufstellen und mehr Strom aus Wind und Sonne erzeugen. Der Verbund erzeugt derzeit rund 90 Prozent seines Stroms aus Wasserkraft, in Zukunft sollen 20 bis 25 Prozent durch Windräder und große Photovoltaikanlagen (PV) produziert werden.

Die Wasserkraftwerke des Verbunds leiden weiter unter der Jahrhundertdürre diesen Sommer. "Diese niedrige Wasserführung hält immer noch an", sagte Verbund-Chef Michael Strugl. Das börsennotierte Unternehmen, das zu 51 Prozent der Republik Österreich und zu 30 Prozent den Landesenergieversorgern von Wien, Niederösterreich und Tirol gehört, will sich breiter aufstellen und mehr Strom aus Wind und Sonne erzeugen.

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Der vergangene Sommer sei für die gesamte europäische Strombranche herausfordernd gewesen, nicht nur wegen des hohen Gaspreises, sagte Strugl. In Frankreich hätten die Atomkraftwerke nicht ausreichend gekühlt werden können, der Kohletransport etwa am Rhein war eingeschränkt und die Wasserspeicherkraftwerke in Norwegen nicht im üblichen Ausmaß gefüllt.

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Der Verbund erzeugt derzeit rund 90 Prozent seines Stroms auf Wasserkraft, in Zukunft sollen 20 bis 25 Prozent durch Windräder und große Photovoltaikanlagen (PV) erzeugt werden. Die große Trockenheit habe den Verbund wirtschaftlich getroffen, die Diversifizierung des Erzeugungsportfolios sei enorm wichtig, so Strugl.

Man sei ständig damit konfrontiert, dass Projekte blockiert oder verzögert werden, kritisierte Strugl. Einzelne Bundesländer seien "sehr zurückhaltend". Positiv hervor hob Strugl das Burgenland, wo der Verbund gemeinsam mit der Burgenland Energie eine Anlage baut, um aus Ökostrom grünen Wasserstoff zu erzeugen.

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Zur insgesamt 2 bis 4 Mrd. Euro schweren Gewinnabschöpfung der Bundesregierung sagte Strugl, dass diese allein dem Verbundwahrscheinlich 1,8 Mrd. Euro kosten werde. Daneben liefere man an den Bund 600 Mio. Euro an Dividende und 750 Mio. Euro an Steuern. Wenn man 1,8 Mrd. Euro aus dem Unternehmen herausnehme, fehle das natürlich, so Strugl.

Man schaue sich gerade an, ob es Projekte gibt, die man verschieben müsse oder gar nicht machen könne. Durch die hohen Strompreise und den zusätzlichen Erlösen wäre es - ohne Gewinnabschöpfung - beispielsweise möglich gewesen, das Speicherkraftwerk Limberg III in Kaprun früher ans Netz zu bringen.

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Strugl betonte, dass die sehr hohen Strompreise erst wieder sinken werden, wenn in ganz Europa massiv in Erneuerbare Energien investiert wird. Derzeit würden die Terminmärkte im Großhandel signalisieren, dass die Preise auch 2024 und 2025 noch hoch, nämlich bei ungefähr 200 Euro pro Megawattstunde, sein werden. Dass Gas eines Tages wieder so billig sein werde wie vor dem Ukraine-Krieg, schloss der Verbund-Chef aus.

Energiewende = Netzwende

„Die Energiewende ist auch eine Netzwende“, betonte Michael Strugl, Präsident von Oesterreichs Energie in seinem Eröffnungs-Statement beim Trendforum der Interessenvertretung der E-Wirtschaft Mitte November. Er bezifferte das notwendige Investment für den Netzausbau mit 30 Milliarden Euro bis 2040. Zusätzlich zum Investment forderte Strugl einen gesamthaften Plan, der neben dem Ausbau erneuerbarer Energie auch den Ausbau von Netzen und Speichern vorsieht. Dieser Plan müsse jedenfalls eine zukunftsorientierte Regulatorik, rasche Verfahren und eine Steigerung der öffentlichen Akzeptanz beinhalten. „Eines ist klar: Wenn wir diesen Netzausbau nicht ganz energisch vorantreiben wird die Energiewende nicht funktionieren“, so Michael Strugl.