Angriffe im Roten Meer : So wirken sich die Houthi-Angriffe auf Österreich aus

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Die Angriffe von jemenitischen Houthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer haben massive Auswirkungen auf den Handel über den Suez-Kanal - und damit auch auf Österreich.

- © APA/dpa/Stefan Puchner

Der 1869 eröffnete Suezkanal spielt eine wichtige Rolle im Welthandel. Er ermöglicht eine schnelle Verbindung zwischen dem Nordatlantik, dem Mittelmeer, dem Roten Meer und dem Indischen Ozean. Aus diesem Grund kann es erhebliche Auswirkungen auf den internationalen Handel haben, wenn der Schiffsverkehr durch den Suezkanal unterbrochen wird. Im Fall von Konflikten - wie aktuell durch die Houthi-Rebellen - sehen sich Reedereien, die den Kanal nutzen, mit erheblichen Verspätungen konfrontiert.

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Die Schifffahrt durch den Suezkanal ist durch die Angriffe der vom Iran unterstützten Houthi-Milizen im Jemen auf Schiffe im Roten Meer beeinträchtigt. Der Suezkanal ist der schnellste Seeweg zwischen Asien und Europa und hat einen Anteil von zwölf Prozent am Weltcontainerverkehr. Es ist die schnellste Seeroute zwischen Asien und Europa. Sie wird zunehmend gemieden und durch die Umfahrung Afrikas ersetzt, was deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt. Die Störung kommt zur Unzeit für die europäische Wirtschaft, die ohnehin am Rande einer Rezession steht.

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Drohen demnächst erste Lieferengpässe?

Der Handel über den Suezkanal wird durch die Angriffe der jemenitischen Houthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer massiv beeinträchtigt. Das Handelsvolumen durch den Kanal sei in den vergangenen zwei Monaten um 42 Prozent gesunken. Das teilte ein UN-Vertreter am Donnerstag mit. "Wir sind sehr beunruhigt über die Angriffe gegen den Schiffsverkehr im Roten Meer", sagte Jan Hoffmann von der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz. Die Zahl der Containerschiffe, die wöchentlich den Suezkanal passieren, sei im Vergleich zum Vorjahr um 67 Prozent zurückgegangen. Der Öltransit sei um 18 Prozent zurückgegangen.

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Das Rote Meer und der Suezkanal sind zentrale Handelswege für den Welthandel. Rund 20.000 Schiffe passieren normalerweise pro Jahr den Suezkanal. Viele große Reedereien haben beschlossen, diese Route wegen der Angriffe der Huthi-Rebellen auf Schiffe in der Region zu meiden. Wenn Containerschiffe nun auf dem Weg von Asien nach Europa die Südspitze Afrikas umfahren müssen, dauert die Reise bis zu einer Woche länger, zudem verursacht der Umweg zusätzliche Treibstoffkosten in Höhe von mehreren hunderttausend Euro. Seit Mitte November haben die vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen im Jemen im Roten Meer und im Golf von Aden zahlreiche Schiffe angegriffen, denen sie Verbindungen zu Israel vorwerfen. Die Miliz sieht sich als Teil der gegen Israel gerichteten selbsternannten "Achse des Widerstands", der auch die radikalislamische Hamas angehört. Als Reaktion auf die Angriffe greifen die USA und Großbritannien seit Januar Huthi-Stellungen im Jemen an.

Nach Berechnungen von Project44 hat sich die Gesamttransitzeit von Asien zu den wichtigsten Häfen Europas und den USA durch die Umleitung der Containerschiffe um Afrika im Durchschnitt um etwa 10 Tage verlängert. Die Transitzeiten könnten sich noch weiter verlängern. Dies ist vor allem auf mögliche Anpassungen der Fahrpläne der Schiffe zurückzuführen. Auf einigen Routen ist sogar mit einer Verzögerung von bis zu zwei Wochen zu rechnen. In Rotterdam, Norfolk und Hamburg sind die durchschnittlichen Transitzeiten um etwa zehn Tage gestiegen, in Savannah und Antwerpen um etwa eine Woche. Da die Unternehmen aufgrund der Unvorhersehbarkeit nicht proaktiv gegensteuern konnten, werden sich die zusätzlichen Transitzeiten weltweit auf die Lagerbestände auswirken. Es ist daher mit ersten Lieferengpässen zu rechnen. Vor allem Branchen wie die Automobilindustrie, die nach dem Just-in-Time-Prinzip (JIT) arbeiten, werden die Auswirkungen stärker zu spüren bekommen: Fehlende Lagerbestände können zum Stillstand der Produktionslinien führen.

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Tesla beispielsweise hatte die Produktion im Werk bei Berlin zwischen dem 29. Januar und dem 11. Februar eingestellt. Grund waren die Angriffe der jemenitischen Houthi-Miliz auf Schiffe im Roten Meer. Durch die Verlängerung der Transportwege kam es zu Engpässen bei der Versorgung mit Bauteilen. "Aufgrund fehlender Bauteile sind wir daher im Zeitraum zwischen dem 29. Jänner und 11. Februar dazu gezwungen, die Fahrzeugfertigung in der Gigafactory Berlin-Brandenburg mit Ausnahme einiger weniger Teilbereiche ruhen zu lassen", hatte das Unternehmen mitgeteilt. Tesla produzierte aber nach eigenen Angaben dort weiter, wo es möglich war. In der Fabrik in Grünheide arbeiten nach Angaben des Unternehmens derzeit rund 12.500 Menschen.

Chronologie der Angriffe der Houthi-Rebellen auf Container-Schiffe im Roten Meer von Dezember 2023 bis Ende Januar 2024

- © Project44

Ein Großteil der durch den Konflikt indirekt betroffenen Container-Schiffe entscheidet sich laut Project44 für den Umweg um Afrika

- © Project44
Jeder Kostenschock erzeugt potenziell inflationären Druck. Das werden wir jetzt auch sehen.
Harald Oberhofer, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut

Auswirkungen auf die Verbraucherpreise?

Der Suezkanal im Roten Meer ist die wichtigste Route für den Import von Waren aus asiatischen Ländern wie China oder Bangladesch nach Europa. Die regelmäßigen Angriffe der Huthi-Rebellen auf Transportschiffe führen derzeit für die Spediteure zu Transportverzögerungen und höheren Kosten, da die Seeroute umgangen werden muss. Aus österreichischer bzw. europäischer Sicht sind vor allem elektronische Güter wie Monitore oder Komponenten für Mobiltelefone sowie Konsumgüter wie Bekleidung betroffen.

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Auf die Verbraucherpreise in Österreich wird sich die angespannte Lage im Roten Meer laut Wirtschaftsforschern nur geringfügig auswirken. Zwar werde mit moderaten Preissteigerungen bei Gütern wie Elektronikzubehör oder Textilien gerechnet, die über das Rote Meer nach Europa gelangen. "Jeder Kostenschock erzeugt potenziell inflationären Druck. Das werden wir jetzt auch sehen", meint Harald Oberhofer, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Denn die Spediteure würden aufgrund der gestiegenen Kosten ihre Vorleistungspreise erhöhen. Das werde sich letztlich auch auf die Produktpreise auswirken. Oberhofer geht aber davon aus, dass sich die Erhöhungen beim Warenwert nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich bewegen werden.

Dämpfend wirkt sich laut dem Experten die gebremste Konjunkturstimmung aus. "Eine Sache, die dem (den Preissteigerungen, Anm.) entgegenwirkt, ist der Umstand, dass in Europa die aktuelle Konjunkturlage alles andere als rosig ist. Das bedeutet, dass die Nachfrage nach diesen Produkten relativ niedrig ist und daher der Preisanstieg geringer ausfällt." Leichte Transportverzögerungen seien daher für die Industrie großteils verkraftbar, so der Experte.

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Inflationsexperte Sebastian Koch vom Institut für Höhere Studien (IHS) gibt ebenfalls Entwarnung: "Man muss erwarten, dass punktuell Preise nach oben gehen. (...) Es hat einen Effekt, der ist aber sehr klein", so Koch. Er wies darauf hin, dass die aktuelle Situation anders sei, als bei der Coronapandemie. Damals sei neben den Lieferketten auch die Produktion betroffen gewesen. Es handele sich hier um ein "reines Transportproblem", mit dem die Industrie aufgrund der Erfahrungen aus der Corona-Krise besser umgehen könne.

Eine Verknappung von Halbleitern wie während der Pandemie erwartet Koch beispielsweise nicht, da diese inzwischen überwiegend per Luftfracht transportiert würden. Ebenso erwartet er kaum Auswirkungen auf den Ölmarkt, da die Auswirkungen der geopolitischen Spannungen mittlerweile "längst eingepreist" seien. Die Förderkürzungen des Ölkartells OPEC beispielsweise hätten einen viel größeren Einfluss, zog er einen Vergleich.

"Schäden meist gering"

Derweil beruhigt der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, die Betroffenheit von Frachtschiffen: Viele der Huthi-Raketen seien bisher abgefangen worden oder hätten ihr Ziel verfehlt. Und selbst wenn ein Containerschiff getroffen würde, blieben die Schäden angesichts der Größe der Frachter und der kleinen Besatzungen meist gering. Dennoch: Maersk und andere Reedereien meiden die Straße von Bab al-Mandab weitgehend. Gleichzeitig warnte Maersk-Chef Vincent Clerc auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor monatelangen Behinderungen des Schiffsverkehrs. Die notwendigen Umwege hätten eine Unterbrechung der Lieferketten zur Folge, die mehrere Monate andauern könnte. "Hoffentlich kürzer, aber es könnte auch länger dauern, weil es so unvorhersehbar ist, wie sich diese Situation tatsächlich entwickelt."

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Über die Straße von Bab al-Mandab würden fast 20 Prozent des Welthandels abgewickelt. "Sie ist eine der wichtigsten Verkehrsadern des Welthandels und der globalen Lieferketten und derzeit verstopft", sagte Clerc. Bankmanager sind besorgt, dass die Krise zu Inflationsdruck führen könnte, was letztlich zu einer Verzögerung oder Aufhebung der Zinssenkungen führen könnte.

"Überraschenderweise scheinen die Unternehmen in Deutschland von den Zwischenfällen im Roten Meer bisher kaum betroffen zu sein", sagte Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank. Das Lieferzeitbarometer sei zwar deutlich gesunken, liege aber noch über der 50er-Marke, was signalisiere, dass sich die Lieferzeiten im Durchschnitt noch nicht verlängert hätten. "Dies ist bemerkenswert, da die meisten Handelsschiffe aufgrund der anhaltenden Angriffe der Huthi in der Meerenge von Bab el-Mandeb die längere Route um Südafrika herum wählen, wodurch sich ihre Fahrtzeit um mindestens sieben Tage verlängert", sagte de la Rubia. "Die Widerstandsfähigkeit der deutschen Hersteller kann auf ein verbessertes Management der Lieferketten zurückgeführt werden, insbesondere durch eine strategische Diversifizierung der Zulieferer."

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"Sollten das Rote Meer mehrere Monate lang für die Schifffahrt gesperrt und die Frachtkosten für die Schifffahrt etwa doppelt so hoch bleiben wie Mitte Dezember, könnte dies bis Ende 2024 zu einer Erhöhung der jährlichen Inflationsraten um 0,7 Prozentpunkte führen", schätzen die Analysten von Oxford Economics. Dies dürfte jedoch nicht ausreichen, um zu verhindern, dass die globale Inflation in diesem Jahr zu sinken beginnt. Auch dürfte es die großen Zentralbanken nicht davon abhalten, ab etwa Mitte des Jahres mit Zinssenkungen zu beginnen.