Weltwirtschaft : Schwache Konjunktur: Chinas Exporte eingebrochen

Blaues Frachtschiff an Anlagestelle in chinesischem Hafen

Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW): "Die Handelsstatistiken zeigen, dass China zunehmend Importe aus Industriestaaten durch eigene Produktion ersetzt."

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Die weltweite Nachfrageschwäche hat einen unerwartet starken Einbruch der Exporte Chinas zur Folge. Im Mai sanken die Ausfuhren in US-Dollar gerechnet um 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie die Zollverwaltung am Mittwoch in Peking mitteilte. Besonders stark war der Rückgang im Vergleich zum Vormonat, als noch ein Plus von 8,5 Prozent verzeichnet worden war. Der schwächere Außenhandel weckt neue Sorgen um die erhoffte konjunkturelle Erholung der Wirtschaft.

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Lediglich die chinesischen Exporte nach Russland legten kräftig zu. Das Land ist wegen seines Krieges gegen die Ukraine mit internationalen Wirtschaftssanktionen belegt. Die Ausfuhren in das Nachbarland haben sich im Mai mit einem Plus von 114,3 Prozent sogar mehr als verdoppelt. Die Importe aus Russland stiegen um 10,1 Prozent. China steht seit der Invasion fest hinter dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und hat dessen Angriff bisher nicht verurteilt.

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Die aktuellen Handelszahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die chinesische Wirtschaft steht auf weiterhin wackeligen Füßen.
Jens Hildebrandt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer (AHK) in Peking

Trübe Wachstumsaussichten

Die Importe Chinas sind im Mai den zweiten Monat in Folge gesunken, ein Zeichen für die anhaltende Schwäche des Binnenmarktes. Das Minus von 4,5 Prozent fiel zwar geringer aus als von Experten erwartet. Es ist jedoch bemerkenswert, weil die Vergleichsbasis vor einem Jahr niedrig war. Damals hatte der "Corona Lockdown" in Schanghai den größten Hafen Chinas weitgehend lahmlegen lassen.

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Die Schwäche der chinesischen Exportmaschinerie trübt die Wachstumsaussichten für die chinesische Wirtschaft ein. Diese war nach dem Ende der strikten Nullzinspolitik im Dezember zunächst vergleichsweise gut ins Jahr gestartet. Die Regierung in Peking erwartet für das Gesamtjahr ein Wachstum von "rund fünf Prozent". Im ersten Quartal war ein Plus von 4,5 Prozent erreicht worden.

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"Die aktuellen Handelszahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die chinesische Wirtschaft steht auf weiterhin wackeligen Füßen", sagte Jens Hildebrandt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer (AHK) in Peking. "Auch die Geschäftserwartungen der Unternehmen vor Ort sind zunehmend zurückhaltend", berichtete er. "Eine mittelfristige Erholung lässt sich angesichts dieser Entwicklung noch weniger absehen als zuvor."

"Die aktuellen Handelszahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die chinesische Wirtschaft steht auf weiterhin wackeligen Füßen", sagt Jens Hildebrandt

- © Stefanie Thiedig/Deutsche Handelskammer Peking

Einkaufsmanagerindex sinkt

Bereits im April, als ein Importrückgang von 7,9 Prozent verzeichnet wurde, wuchsen die Sorgen um den Binnenmarkt. Im Mai fielen dann auch noch die wichtigsten Frühindikatoren für die Konjunktur schlechter aus als erwartet. Der offizielle Einkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe fiel den zweiten Monat in Folge. Er sank von 49,2 auf 48,8 Punkte. Ein Wert unter der Marke von 50 Punkten ist ein Zeichen für eine Schrumpfung der industriellen Aktivität.

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Vor allem die schwache Dynamik auf den Weltmärkten gilt als Grund für den starken Rückgang der chinesischen Exporte. Hohe Inflation, gestiegene Zinsen und überhöhte Energiepreise infolge des Krieges in der Ukraine belasten zudem die Nachfrage nach Produkten "Made in China". Seit Jahresbeginn ist der Außenhandel um 2,8 Prozent zurückgegangen - zuletzt im Mai sogar um 6,2 Prozent, wie der Zoll mitteilte.

Nachfrage nach Produkten aus China sinkt

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Exporte in die EU sinken

Auch im China-Geschäft mussten die europäischen Exporteure Einbußen hinnehmen. Die chinesischen Importe aus Deutschland beispielsweise sanken um 3,8 Prozent. Die chinesischen Exporte nach Deutschland sogar um 8,3 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigte sich im Handel mit der Europäischen Union: Chinas Exporte in die EU sanken um 7 Prozent, während die Importe nur um 0,9 Prozent zurückgingen.

Noch stärker brach der chinesische Handel mit den USA ein. Die Exporte in die größte Volkswirtschaft sanken um 18,2 Prozent, die Importe aus den USA um 9,9 Prozent.

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Die Handelszahlen seien "weitere enttäuschende Daten, die Sorgen über das Wachstum wecken und Erwartungen auf mehr Unterstützung durch die Politik verstärken werden", sagte Khoon Goh von der Australia and New Zealand Banking Group der Finanzagentur Bloomberg. Einige Beobachter erwarten, dass die Zentralbank die Mindestreservesätze für Banken senken könnte, um die Wirtschaft zu stützen. Andere argumentieren, dass sogar Zinssenkungen bald notwendig sein könnten.

Welthandel tritt auf der Stelle

Nach einer Schwächephase im Winterhalbjahr tritt der Welthandel derzeit auf der Stelle. Das geht aus dem IfW-Barometer hervor. Der Welthandel dürfte im Mai preis- und saisonbereinigt um 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken sein, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) in seinem monatlichen Konjunkturbarometer mitteilte. Sowohl der Welthandel insgesamt als auch der Handel der großen Volkswirtschaften entwickelten sich mehr oder weniger seitwärts.

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"Die große Erholung nach dem globalen Dämpfer im vergangenen Winterhalbjahr lässt also nach wie vor auf sich warten", sagte IfW-Fachmann Vincent Stamer. "Um die großen Preisschwankungen bereinigt laufen die deutschen Exporte nun schon seit zweieinhalb Jahren seitwärts."

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Für Deutschland zeigt der Kieler Handelsindikator einen Anstieg der Exporte um 1,5 Prozent und einen Rückgang der Importe um 0,7 Prozent. Für den deutschen Export wird der Handel mit China zunehmend zur Belastung. "Der Exportwert deutscher Waren nach China ist im Zeitraum von Jänner bis April im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4 Prozent gefallen, trotz jüngst starker Handelszahlen", erklärte das IfW.

Nach Angaben der chinesischen Statistikbehörde seien die Ausfuhren anderer Nationen ins Reich der Mitte zum Teil noch deutlich stärker zurückgegangen. So sanken die Exporte Japans nach China um mehr als 18 Prozent, die Ausfuhren Großbritanniens um rund 17 Prozent.

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"Die Handelsstatistiken zeigen, dass China zunehmend Importe aus Industriestaaten durch eigene Produktion ersetzt", erläuterte Stamer. Dies sei ein negativer Impuls für den Welthandel. "Ein Lichtblick für den globalen Warenaustausch bildet die leichte positive Tendenz des globalen Containerhandels seit Beginn des Jahres, sowie die einhergehende Auflösung der Schiffsstaus." Weltweit stünden nur noch 6,8 Prozent aller verschifften Güter im Stau, was dem Durchschnitt der Jahre vor der Corona-Pandemie entspreche.

IfW-Fachmann Vincent Stamer
IfW-Fachmann Vincent Stamer - © Twitter