Krieg in der Ukraine : Russland möchte wegen Haushaltsdefizit Industrie zur Kasse bitten

Kreml Russland Gold

Sinkende Einnahmen aus Öl und Gas und hohe Kriegsausgaben: Russland verzeichnete im Januar ein Defizit von 25 Mrd. Dollar.

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Trotz hoher Rüstungsausgaben und einbrechender Energieerlöse will die russische Regierung ihr Haushaltsdefizit niedrig halten - möglicherweise auch mit höheren Steuern. Das Haushaltsdefizit werde in diesem Jahr nicht mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen, sagte Finanzminister Anton Siluanow in einem am Freitag ausgestrahlten Interview des Senders Rossija 24.

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Siluanow reagierte damit auf das hohe Defizit von fast 25 Milliarden Dollar allein im Januar, das zum Teil auf sinkende Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft zurückzuführen ist. Analysten rechnen deshalb für das Gesamtjahr mit einem Haushaltsdefizit von bis zu 5,5 Billionen Rubel (69,4 Milliarden Euro). Das wären 3,8 Prozent des BIP - fast doppelt so viel wie geplant.

"Freiwillige" Steuer geplant

Schon jetzt verkauft Russland täglich Devisen im Wert von 8,9 Milliarden Rubel (gut 112 Millionen Euro), um das Defizit zu decken. Die Regierung denkt auch über eine einmalige freiwillige" Steuer für Großunternehmen nach. Diese könnte laut Siluanow rund 300 Milliarden Rubel in die Staatskasse spülen. Es gebe aktive Gespräche mit der Wirtschaft, wie diese "Hilfe" geleistet werden könne.

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"Es werden spezielle Änderungen der Steuergesetzgebung vorbereitet", sagte Siluanow. Er ließ offen, welche Branchen betroffen sein werden, schloss aber kleine Unternehmen und den Öl- und Gassektor aus. "Ich bin sicher, dass wir bald das optimale Instrument finden werden, mit dem sich die Unternehmen an der Finanzierung staatlicher Programme beteiligen können", sagte Siluanow.

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Die Zentralbank warnte kürzlich davor, dass ein hohes Defizit die Inflation anheizen könnte. Sie wäre dann gezwungen, die Zinsen zu erhöhen, was wiederum die Konjunktur belasten könnte. Ein unerwartet großes Haushaltsdefizit könnte zudem eine Kombination aus höheren Devisenverkäufen, Ausgabenkürzungen, höherer Kreditaufnahme oder Steuererhöhungen erforderlich machen.

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Russischer Staat lieh sich Geld bei heimischen Geldgebern

Der russische Staat hat im vergangenen Jahr wegen der hohen Kosten für den Krieg in der Ukraine rote Zahlen geschrieben. Das Defizit belief sich auf 3,3 Billionen Rubel (rund 44 Milliarden Euro), wie Finanzminister Anton Siluanow mitteilte. Das entspreche 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Vor Beginn des Krieges am 24. Februar hatte die Regierung einen Überschuss von einem Prozent der Wirtschaftsleistung angepeilt. Noch im September vergangenen Jahres hatte Präsident Wladimir Putin einen Überschuss von fast einer halben Billion Rubel prognostiziert.

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Die Regierung sah sich in den vergangenen Monaten gezwungen, den mit Milliarden gefüllten Staatsfonds anzuzapfen und in Auktionen neue Kredite bei inländischen Geldgebern aufzunehmen. Hintergrund ist, dass mehr Mittel in den Verteidigungshaushalt umgeschichtet werden. Siluanow räumte kürzlich ein, dass die westliche Preisobergrenze für russisches Öl das Haushaltsdefizit bis 2023 erhöhen könnte. "Ist ein größeres Haushaltsdefizit möglich? Es ist möglich, wenn die Einnahmen niedriger sind als geplant", sagte der Minister vor Reportern. "Was sind die Risiken im nächsten Jahr? Preisrisiken und Einschränkungen."

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Die russische Wirtschaft hat sich angesichts der massiven Sanktionen des Westens wegen des Krieges gegen die Ukraine vergleichsweise gut gehalten. Nach der Herbstprognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) dürfte das BIP 2022 um 3,4 Prozent schrumpfen und könnte 2023 um weitere 2,3 Prozent zurückgehen. Die russische Zentralbank warnte zuletzt vor erhöhten wirtschaftlichen Risiken durch den Krieg. "Der Arbeitskräftemangel nimmt in vielen Branchen aufgrund der Auswirkungen der Teilmobilmachung zu", erklärten die Währungshüter. Diese hat dazu geführt, dass seit September Hunderttausende Russen entweder zum Militär eingezogen wurden oder das Land verlassen haben. Damit stehen sie dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung.

Anton Siluanov Russland Finanzminister
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Teufelskreis aus Haushaltsloch und Rubelstärke

Experten sehen Russland mit seinem Haushaltsdefizit in einem wirtschaftlichen Teufelskreis. Denn der Versuch, das Haushaltsloch durch den Verkauf von Devisenreserven zu stopfen, könnte letztlich den Rubel in die Höhe treiben. Das wiederum dürfte die für den Kreml angesichts der Sanktionen des Westens so wichtigen Exporteinnahmen weiter schmälern, argumentieren Analysten.

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So besteht nach Einschätzung von Wassili Karpunin, Experte bei BCS Express, die Gefahr, dass Russlands Einnahmen aus dem Energieexport im Februar und März noch weiter sinken werden, wenn am 5. Februar die nächste Stufe der von den G7-Staaten beschlossenen Preisobergrenze für Ölprodukte in Kraft tritt. Bereits im vergangenen Sommer gab es Turbulenzen an den Märkten, die Russland am Rande des Staatsbankrotts sahen.

Nach Schätzungen des Ökonomen Jewgeni Suworow von der CentroCreditBank könnte die Einnahmelücke im russischen Haushalt zwei- bis dreimal so groß sein wie die 54,5 Milliarden Rubel, die im Januar fehlten. "Dies erfordert einen Anstieg der Devisenverkäufe", schrieben auch die Analysten der Rosbank jüngst in einer Einschätzung. Durch eine Wechselkursdynamik, also eine Stärkung des Rubels, könnte sich die Öl- und Gaseinnahmen noch weiter verschlechtern.

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Die Regierung in Moskau versucht, die Wirtschaft angesichts der immer schärferen Sanktionen des Westens gegen russische Energieverkäufe zu stabilisieren. Russland ist zur Finanzierung seiner Ausgaben in hohem Maße auf Exportsteuern aus dem Verkauf von Kohlenwasserstoffen angewiesen. Diese sind wegen des Krieges in der Ukraine exorbitant hoch.

Die Regierung plant daher, in den nächsten rund zwei Wochen chinesische Yuan im Wert von 54,5 Milliarden Rubel (760 Millionen Euro) aus dem Nationalen Wohlfahrtsfonds zu verkaufen, um die sinkenden Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport auszugleichen. Analysten gehen jedoch davon aus, dass die Devisenverkäufe den Wert des russischen Rubels nur noch weiter in die Höhe treiben werden. Damit würden die Rubel-Einnahmen Russlands weiter sinken. Denn die Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport basieren größtenteils auf globalen sogenannten Referenzpreisen, die in Dollar festgelegt werden.

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Dieser Prozess könnte zu schwächeren Exporteinnahmen führen, was weitere Devisenverkäufe erforderlich machen und den Rubel noch stärker machen könnte. Dies wiederum würde das Haushaltsloch weiter vergrößern. Die russische Währung hat seit der Ankündigung des Plans von Ministerium und Zentralbank gegenüber dem Dollar um mehr als vier Prozent zugelegt und notierte am Freitag bei rund 68 zum Dollar.

Der russische Haushalt für dieses Jahr geht von einem Preis für die russische Rohölsorte Ural von rund 70,10 Dollar pro Barrel aus, obwohl dieses Öl derzeit nur mit rund 58 Dollar pro Barrel gehandelt wird. Nach Reuters-Berechnungen lag er zuletzt bei rund 50 Dollar pro Barrel - in Rubel gerechnet - und damit auf einem Zweijahrestief. "Wenn die relativ niedrigen Preise für Ural lange anhalten und der Rubel eher stark bleibt, wird sich das Haushaltsloch aufblähen", sagte Anton Tabach, Chefökonom von RA Expert. Nach Schätzungen des staatlichen Finanzinstituts Sberbank müsste die Regierung bei einem Durchschnittspreis des Uraler Öls von 55 Dollar pro Barrel und einem Rubelkurs von 67 zum Dollar jeden Monat 1,5 Milliarden Dollar - oder 100 Milliarden Rubel - an Devisen verkaufen, um die Lücke zu schließen.

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