Energieversorgung : Gaslieferungen aus Russland nach Österreich – weitere Drosselungen

Ein großer Gastank nebst Industrieanlage
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Russland hat auch für heute Montag angekündigt, die Gaslieferungen zu drosseln, teilte das Klimaministerium mit. Gestern, Sonntag war nur etwa die Hälfte der ursprünglich angekündigten Menge nach Österreich gekommen. Trotzdem seien auch die heimischen Speicher befüllt worden. Der Speicherstand betrage nun 41,32 Prozent oder 39,46 Terawattstunden. Die aktuelle Gasversorgung sei laut OMV und E-Control für heute sichergestellt, genaue Zahlen gibt es am Abend.

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Betroffen sind die Lieferungen über Nordstream: "Trotz der reduzierten Gasflüsse über die Nordstream sind die Importe in Baumgarten in das Marktgebiet Ost stabil. Die Speicher werden heute wieder signifikant befüllt", heißt es bei der AGGM, dem heimischen Gasnetz-Management. Die Versorgung der Endkunden könne zur Gänze aus Importen gedeckt werden. Der Preis liege bei über 120 Euro je MWh.

Gasspeicher in Europa

Während Österreichs Gasspeicher also zu etwa 40 Prozent gefüllt sind, waren es in Deutschland zuletzt 56,3 Prozent und im EU-Schnitt 52,4 Prozent. Das geht aus den Zahlen der Interessenvereinigung der Speicherunternehmen AGSI von vor wenigen Tagen hervor. Tschechien kommt gar auf 70,5 Prozent, Ungarn hingegen nur auf 36,5 Prozent. Allerdings hat Österreich im EU-Vergleich relativ hohe Gasspeicher-Kapazitäten, die ungefähr dem Verbrauch eines ganzen Jahres entsprechen.

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Die Speicher des Nicht-EU-Mitglieds England sind zu 94 Prozent voll. Ganz anders sieht es in Schweden aus, mit gerade einmal 11,3 Prozent.

Laut dem Lagebericht der Austrian Grid Management AG (AGGM) letzte Woche ist die heimische Versorgung "uneingeschränkt gewährleistet". Die Preissituation auf den Märken ist "aktuell wieder volatiler und lag gestern bei 130 Euro/MWh". Zum Speicherstand schreibt die AGGM: "Die Speicher werden weiterhin, aber in geringerem Ausmaß als in der letzten Woche, befüllt."

Interessant ist die Zeittafel des Speicherfüllstandes im für Österreich relevanten "Netzverbund Verteilgebiet Ost": Im April 2021 lag der Füllstand bei knapp 30 Prozent des Möglichen und stieg dann bis zum Oktober 2021 auf fast 80 Prozent an. Seitdem ging es steil bergab, bis dann Mitte April eine Trendwende eintrat und die Speicherstände auf nunmehr rund 55 Prozent hochgefahren sind, geht aus den Zahlen der AGGM hervor.

Die OMV habe angekündigt, Gas am Spot-Markt beschaffen zu können, sollte dies notwendig sein. Der strategisch wichtige Gasspeicher Haidach in Salzburg ist nicht an das österreichische, sondern an das deutsche Gasnetz angeschlossen. Der monatliche Verbrauch um diese Jahreszeit beträgt knapp unter vier Terawattstunden, wobei davon rund zwei Drittel auf die heimische Industrie entfallen. Im Vorjahr hat Österreich etwa 96 TWh Gas verbraucht.

In Blickrichtung des Krieges in der Ukraine meinte Gewessler: "Gaslieferungen sind für Russland ein Werkzeug in der aktuellen Auseinandersetzung. Da dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben. Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet, bis hin zu einem vollständigen Lieferstopp aus Russland."

NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer sieht hingegen schon Grund zur Sorge. Sie will wissen: "Wie viel Gas wurde am freien Markt schon eingekauft? Woher soll das kommen?" Es brauche "endlich Antworten der Energieministerin und nicht vage Versprechungen für den Winter".

Ex-E-Control-Chef Walter Boltz meinte jüngst, dass die angeblichen technischen Probleme Russlands mit Nord Stream 1 wohl kein Zufall seien, sondern politisch motiviert - wo doch gerade der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron und der italienische Premierminister Mario mit einem Sonderzug in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen sind. Boltz erwartet, dass Russland weiterhin die Gaslieferungen drosseln wird - mit drastischen Preisauswirkungen.

Kohle als Alternative zu Gas?

Das stillgelegte Kohlekraftwerk Mellach in der Steiermark soll für den Notfall reaktiviert werden, um bei ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland die Energieversorgung zu sichern.

Bei Umweltschutzorganisationen sorgen die Pläne für Unbehagen, da bei Kohlestrom rund doppelt so viel CO2 in die Atmosphäre gepumpt wird wie bei Erdgas, was die Klimakrise anheizt.

Dass das Fernheizkraftwerk Mellach so umgerüstet werden soll, dass dort im Notfall wieder aus Kohle Strom und Wärme erzeugt werden könnte, sagte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) in der "ZiB 2 am Sonntag" nach einem "kleinen Krisenkabinett", bei dem sie mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) und Experten über die Sicherung der Energieversorgung beraten hat.

Mellach südlich von Graz war das letzte Kohlekraftwerk Österreichs. Im Frühjahr 2020 wurde dort zum letzten Mal aus Kohle Strom erzeugt. Nun soll es wieder umgerüstet werden, damit es im Notfall, wenn zu wenig Gas zur Verfügung steht, wieder Kohle verbrennen kann. Das habe die Bundesregierung mit dem Verbund-Konzern vereinbart, teilte das Bundeskanzleramt mit. Die Umrüstung werde Monate dauern, sagte Gewessler, der Verbund-Konzern arbeite mit Hochdruck daran.

Ziel sei es, die Abhängigkeit von Russland zu verringern um nicht erpressbar zu sein, sagte die Ministerin. "Das wird für Österreich Jahre dauern."

Kritik aus der Wirtschaftskammer, dass es noch keine Notfallpläne für den Fall eines Gaslieferstopps gebe, wies Gewessler zurück. Es gebe sehr wohl Kriterien für Energielenkungsmaßnahmen. Man könne aber die Listen der betroffenen Unternehmen nicht veröffentlichen. "Das sind börsenotierte Unternehmen. Ich kann jetzt hier im TV und in der Öffentlichkeit keine Namen dieser Unternehmen nennen, das würde unmittelbar zu Auswirkungen auf den Börsenkurs führen."

Für die Einführung der verschobenen CO2-Bepreisung im Oktober seien alle Voraussetzungen geschaffen worden, sagte die Ministerin. (apa/red)