Sanktionen : Was bedeutet das Kohle-Embargo gegen Russland?

European Council President Charles Michel gestures as he speaks during a debate on the conclusions of the European Council meeting regarding Russian invasion of Ukraine during a plenary session at the European Parliament in Strasbourg, eastern France, on April 6, 2022. - EU leaders on April 6, 2022 said the bloc will soon have to sanction all of Russia's hydrocarbon exports as they blamed Moscow for "war crimes" discovered in Ukraine, especially in the town of Bucha. (Photo by Frederick FLORIN / AFP)

EU-Ratspräsident Charles Michel: Embargospirale. Zuerst Kohle, dann Öl, dann Gas.

- © AFP

Die EU hat sich neben anderen neuen Sanktionen auch auf ein Verbot von Kohleimporten aus Russland geeinigt. Von allen fossilen Energieträgern, die Europa aus Russland importiert, hat Kohle den geringsten Anteil. Während mehr als ein Drittel des in der EU verbrauchten Erdöls und 41 Prozent des Erdgases aus Russland stammen, ist es bei Kohle nur ein Fünftel. Allerdings muss zwischen Kohle für Stromgewinnung und Kohle für Metallurgie, etwa Stahlwerke, unterschieden werden. Bei letzterer ist die Abhängigkeit höher.

Österreich hat voriges Jahr mengenmäßig 28 Prozent seiner Steinkohleimporte aus Russland bezogen, gemessen am Einfuhrwert war es ein Fünftel. Insgesamt führte Österreich 2021 Kohle im Importwert von 519,2 Mio. Euro ein, fast die Hälfte davon (43 Prozent) stammten aus Polen (225,3 Mio. Euro), bei Russland waren es wertmäßig 20 Prozent.

Nach einem Verbot von russischer Kohle könnnte allerdings in nicht allzu großer Ferne auch eines von Erdöl kommen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drohte jedenfalls auch ein Öl-Embargo gegen Russland an. Mit Blick auf das am Dienstag von der Kommission vorgeschlagene Importverbot auf russische Kohle sagte von der Leyen vor dem EU-Parlament: "Diese Sanktionen werden nicht unsere letzten Sanktionen sein." Sie fügte hinzu: "Jetzt müssen wir uns Öl anschauen und die Einnahmen, die Russland aus fossilen Brennstoffen bezieht."

EU-Ratspräsident Charles Michel geht noch weiter und hält auch einen Importstopp von russischem Gas für unumgänglich, um den Angriffskrieg Moskaus gegen die Ukraine zu beenden. "Ich denke, dass auch Maßnahmen bei Öl und selbst Gas früher oder später nötig werden", sagte Michel am Mittwoch vor dem Europäischen Parlament.

Ursula von der Leyen
Von der Leyen: "Diese Sanktionen werden nicht die letzten sein." - © AFP

Kohleverbraucher voestalpine sieht Embargo entspannt

In Österreich wird Kohle vor allem für industrielle Prozesse genutzt. Zur Stromerzeugung nutzt das Land Kohle seit zwei Jahren gar nicht mehr. Das letzte Kohlekraftwerk in Mellach bei Graz hat Mitte April 2020 den Betrieb eingestellt. Damit endete laut dem Eigentümer Verbund die Ära der Kohlestromversorgung in Österreich. Bereits vorher waren alle anderen Kohlekraftwerksblöcke wie etwa in Dürnrohr, Voitsberg, Zeltweg oder St. Andrä stillgelegt worden. Die EVN hat im August 2019 in Dürnrohr in der Gemeinde Zwentendorf die Stromproduktion aus Kohle beendet, der Verbund hatte seinen Teil des dortigen Kohlekraftwerks Ende April 2015 stillgelegt.

Die Industrie nutzt Kohle allerdings weiterhin, insbesondere der Stahlsektor. Die voestalpine ist hier einer der größten Abnehmer von Kohle. Der Konzern gibt aber an, ohne russische Lieferungen auskommen zu können.

Die für die Hochöfen nötige metallurgischen Kohle komme bisher zu einem Teil aus Russland. Aber in den vergangenen Wochen seien bereits "Maßnahmen getroffen worden, um zusätzliche Kohlemengen zu beschaffen", teilte das Unternehmen mit. Die Versorgung werde auf bestehende und neue Lieferanten umgeleitet, außerdem reichten vorhandene Lagerstände für mehrere Monate.

In der Branche geht die Sorge um, dass nun alle Importeure ihren Bezug von Russland weg zu anderen Förderländern umleiten. Das werde nicht nur den Einkauf erschweren, sondern auch zu womöglich stark steigenden Preisen führen und damit die Stahlindustrie zusätzlich belasten. Russland hat nach Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) 2020 etwa 57 Mio. Tonnen "thermische Kohle", also Kohle für Kraftwerke, sowie 6 Mio. Tonnen metallurgische Kohle, die etwa für Hochöfen verwendet wird, nach Europa exportiert.

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voestalpine: Russische Kohle ersetzbar - © Voestalpine

Russland will auf andere Märkte ausweichen

Da Kohle ohnehin ein in Europa immer weniger gefragter Energieträger ist, hat Russland allerdings schon vor einiger Zeit begonnen, seine Exporte umzuleiten, um in Zukunft auf anderen Märkten mit Kohle Gewinne einfahren. Russland hat große Pläne für die Förderung und den Export von Kohle. Bis 2035 sollen die Kohleproduktion um 50 Prozent, die Ausfuhren sogar um 75 Prozent, von etwa 217 Mio. Tonnen 2019 auf 380 Mio. Tonnen, steigen. Das zeigt eine Analyse der Internationalen Energieagentur IEA aus dem Jahr 2021. Hauptfokus liegt dabei auf Kokskohle für die Metallurgische Industrie mit Blick auf Exporte nach Asien.

Die Ziele seien im Juni 2020 im Rahmen der Energiestrategie bis 2035 beschlossen worden. Kapazitätserweiterungen für mindestens 21,3 Mio. Tonnen pro Jahr wurden von der IEA in ihrem Kohlebericht 2021 als weit fortgeschritten eingestuft. Meist ging es dabei um die Produktion von Kokskohle für die Metallurgie. Für die Ausweitung der Exporte sind auch Investitionen in die Eisenbahn- und Hafeninfrastruktur angekündigt. Der Rückgang des Eises im Arktischen Ozean ermögliche es Russland, neue Projekte zur Rohstoffgewinnung in der Arktis zu entwickeln.

In der fernöstlichen arktischen Region Krasnojarsk beispielsweise erschließt das russische Unternehmen AEON das Kohlefeld Syradasajkoje auf der Taimyr-Halbinsel. Der Bau des neuen Jenissei-Hafens begann Anfang 2021 und soll innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen sein. Er wird die Ausfuhr von bis zu 7 Mio. Tonnen Kokskohle pro Jahr aus dem Syradasays-Kohlefeld nach Asien ermöglichen. Das Projekt umfasst einen Kohletagebau mit einer Förderkapazität von 5 Mio. Jahrestonnen in der ersten Phase und 10 Mio. Jahrestonnen in der zweiten Phase.

Um die Kohleexporte nach China und in andere Regionen Asiens zu steigern, baut Russland seine Exportkapazitäten in der Region Fernost aus. Für den Hafen von Vanino, Russlands zweitgrößten Kohlehafen am Pazifik, wurden mehrere Erweiterungsprojekte angekündigt. Kolmar verdoppelt die Kapazität auf 24 Mio. Jahrestonnen, A-Property plant den Bau eines neuen Terminals mit einer Kapazität von 30 Mio. Jahrestonnen bis 2024, und SUEK will die Kapazität seines Massengutterminals im gleichen Zeitraum um 16 auf 40 Mio. Jahrestonnen erweitern.

Russland investiert auch in neue Eisenbahnlinien in Richtung Osten. Insbesondere soll die Kapazität der wichtigsten Eisenbahnverbindungen, der Baikal-Amur-Magistrale (BAM) und des transsibirischen Eisenbahnnetzes, um 55 auf 180 Mio. Jahrestonnen steigen. Die Kosten dafür werden von der IEA mit etwa 9,8 Milliarden Dollar angegeben. Eine zweite Eisenbahnlinie auf einem 340 km langen Abschnitt der BAM ist bereits im Bau. Darüber hinaus genehmigte Russland im März 2021 eine Investition in Höhe von 9,6 Mrd. Dollar in eine neue 1.000 km lange Eisenbahnstrecke von der Republik Sacha nach China, wobei ein Zeitplan noch nicht bekannt gegeben wurde.

Download von www.picturedesk.com am 29.03.2022 (13:00). epa03515759 Russian President Vladimir Putin gives a news conference at the end of an EU-Russia summit in Brussels, Belgium, 21 December 2012. Putin criticized EU energy regulations on the separation of energy suppliers and pipeline owners as 'counterproductive.' He said he was 'puzzled' that the European Union wanted to apply new rules 'in retrospect' to previously agreed deals - such as Gazprom's planned South Stream pipeline. EPA/OLIVIER HOSLET - 20121221_PD0916 - Rechteinfo: Rights Managed (RM)
Waldimir Putin: China soll statt Europa russische Kohle kaufen - © OLIVIER HOSLET / EPA / picturedesk.com