Gasversorgung : Gas aus Spanien: Die Lösung für Alles?

Eine Gasleitung aus Stahl. Eine neue Pipeline könnte 30 Milliarden Kubikmeter Gas von Spanien nach Europa liefern.

Der Bau einer Offshore-Pipeline wird geprüft. Die Leitung hätte, wenn sie genehmigt wird, eine Kapazität von bis zu 30 Mrd. Kubikmetern pro Jahr.

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Beim Versuch, Europa unabhängiger vom russischen Gas zu machen, rückt Spanien immer mehr in den Fokus. Wie die spanische Tageszeitung "El Pais" berichtet, prüft die Europäische Kommission derzeit den Bau einer Offshore-Pipeline zwischen Spanien und Italien.

Laut dem Brüsseler RepowerEU-Plan könnte die Gaspipeline von Barcelona durch das Mittelmeer ins norditalienische Livorno führen. Die EU-Kommission kalkuliert, die 700 Kilometer lange Gasleitung, die zwischen 2,5 und 3 Milliarden Euro kosten dürfte, in ein bis zwei Jahren fertigstellen zu können.

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Der italienische Gaskonzern Snam hat bereits mit der spanischen Enagas vereinbart, den Bau einer Offshore-Pipeline zwischen den beiden Ländern zu prüfen, da sich Europa bemüht, seinen Energieversorgungsmix auf diesem Weg zu diversifizieren und sich vom russischen Gas zu lösen. Die Pipeline hätte, wenn sie genehmigt wird, eine Kapazität von bis zu 30 Mrd. Kubikmetern pro Jahr.

Gleichzeitig wird über den Weiterbau der MidCat-Pipeline durch das Pyrenäen-Gebirge nachgedacht, um Gas von Spanien nach Südfrankreich transportieren zu können. Eigentlich sollte die 200 Kilometer lange Gasverbindung zwischen Nordspanien und Südfrankreich schon vor Jahren fertiggestellt werden. Doch 2018 wurde der Bau gestoppt, weil in Madrid, Paris sowie in Brüssel Zweifel an der Wirtschaftlichkeit aufkamen. Vor dem Hintergrund des russischen Kriegs gegen die Ukraine könnte das Projekt jetzt wieder aufgenommen werden.

Nach dem alten Projekt sollten bis zu 8 Mrd. Kubikmeter Erdgas pro Jahr durch MidCat geschickt werden. Zusammen mit zwei kleineren Fernleitungen, die bereits zwischen Spanien und Frankreich existieren, könnten somit jährlich mindestens 15 zusätzliche Mrd. Kubikmeter Gas nach Zentraleuropa fließen.

Die Spanier sind bereit. Bedingung: Brüssel müsse die Baukosten von schätzungsweise 3 Mrd. Euro übernehmen. Vor allem Deutschland, größter EU-Empfänger russischen Gases, unterstützt die Wiederaufnahme des MidCat-Plans.

Spanien ist energietechnisch durch das Pyrenäengebirge relativ isoliert vom restlichen Europa und bezieht sein Gas vor allem über zwei Offshore-Pipelines aus dem nordafrikanischen Algerien sowie per Schiff Flüssiggas aus Ländern wie den USA, Katar, Nigeria, Trinidad und Tobago. So verfügt Spanien auch über insgesamt sechs Regasifizierungsanlagen. Das sind rund 42 Prozent sämtlicher Speicherkapazitäten für verflüssigtes Erdgas in der EU.

Aus Algerien erhält Spanien über die MedGaz Offshore-Pipeline jährlich rund 10 Mrd. Kubikmeter Gas, das von Algeriens rohstoffreicher Wüste durchs Mittelmeer bis zum südspanischen Küstenort Almería und von dort ins nördliche Barcelona transportiert wird. Eine zweite Pipeline namens Maghreb-Europe führt von Algerien über Marokko durch die Meerenge von Gibraltar nach Südspanien und verfügt über eine Kapazität von rund 12 Mrd. Kubikmeter jährlich.

"Spanien wird eine wichtige Rolle in der Versorgung Europas spielen. Dafür müssen wir an der Vernetzung zwischen der Iberischen Halbinsel und dem Rest Europas arbeiten", kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits im März auf einem Besuch in Madrid an, bei dem sie mit dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez über die Gaskrise beraten hatte.

Kann Spanien Gas liefern?

Spanien hat, was vielen europäischen Ländern derzeit schmerzlich fehlt: Flüssiggas-Terminals und die dazugehörigen Speicher. Und zwar gleich sechs davon, das entspricht etwa 25 Prozent der gesamten europäischen Kapazitäten in diesem Bereich. Zudem strömt durch zwei Pipelines Erdgas aus Algerien in Nordafrika in das gut ausgebaute spanische Netz. Schade nur, dass es kaum Pipelines nach Norden gibt und Spanien zusammen mit Portugal bei Energie wie eine Insel ist.

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Das soll sich nun unter dem Eindruck des Kriegs in der Ukraine schleunigst ändern, und zwar durch den Bau neuer Pipelines. Durch sie würde für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre noch Erdgas, langfristig dann aber grüner Wasserstoff fließen. "Diese Gasleitungen werden schon jetzt als Wasserstoffleitungen angepriesen, denn fossile Infrastruktur ist kaum noch durchsetzbar", sagt der Energieexperte Ángel Saz vom Thinktank Esade in Madrid. "Dass es sich langfristig um Leitungen für Wasserstoff handelt, ist ja auch keine Lüge", fügt er hinzu. Grüner Wasserstoff wäre vor allem für die energieintensiven Industrien Deutschlands von großer Bedeutung.

"Wenn neue Pipelines, dann nur noch Wasserstoffpipelines", sagt ein Vertreter der Gasindustrie. Das spanische Wort für Gaspipelines, "Gasoducto", mag er fast nicht mehr in den Mund nehmen. Zudem könnten die schon bestehenden Gasleitungen "ohne größeren Aufwand" auf Wasserstoff umgestellt werden. Seinen Namen und den seines großen Unternehmens möchte der Sprecher lieber nicht genannt haben. Alles sei gerade im Fluss, noch nichts beschlossen und es gehe um politische Entscheidungen und viel Geld, begründet er seine Vorsicht.

Denn die Kommission will im Rahmen von "REPowerEU" bis zu 300 Mrd. Euro mobilisieren. Davon sind 72 Mrd. Euro als Zuschüsse und 225 Mrd. Euro an Darlehen vorgesehen. Ein Teil, und zwar bis zu 10 Mrd. Euro, soll in die Finanzierung fehlender Gas- und Flüssiggas-Verbindungen investiert werden, unter anderem von Spanien Richtung Norden. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hat gerade erst wieder bekräftigt, dass der Ausbau von Brüssel finanziert werden müsse, weil die Pipelines ja den Nordeuropäern, vor allem Deutschland, aus der Patsche helfen sollen.

Bisher gibt es gerade einmal zwei kleinere Pipelines über die Pyrenäen nach Frankreich. Sie haben zusammen eine Jahreskapazität von nur 7 Mrd. Kubikmetern. Zur Einordnung: Das ist weniger als Österreichs Jahresverbrauch von etwa 8,5 Mrd. Kubikmetern. Die EU importierte bis zum Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine jährlich rund 150 Mrd. Kubikmeter Gas aus Russland.

Auch Deutschland macht sich für den Weiterbau der Gaspipeline MidCat stark. Der deutsche Botschafter in Madrid, Wolfgang Dold, antwortete schon Ende März auf die Frage der Zeitung "La Vanguardia", ob Deutschland dieses Projekt unterstütze: "Ja, absolut." Deutschland stehe darüber mit Spanien und Frankreich in Gesprächen.

Die zweite Pipeline würde von Barcelona durchs Mittelmeer bis in die Hafenstadt Livorno in der italienischen Region Toskana verlaufen. Dieses Projekt befindet sich nach Angaben von Energieexperten aber noch in einer sehr frühen Phase. Die guten Gasverbindungen von Italien Richtung Norden machten diesen Strang jedoch interessant. Zudem würde damit die Blockade Frankreichs umgangen, das selbst wegen seiner Ausrichtung auf Atomenergie gar nicht so sehr an Gas interessiert sei, gibt Saz zu Bedenken.

Etwas Geduld werde aber gebraucht. Der Bau der beiden Pipelines werde im günstigsten Fall zwei bis drei Jahre dauern, sagen Experten. Vorher muss das Genehmigungsverfahren durchlaufen werden. Und es könnte in Spanien und Frankreich noch erheblichen Widerstand von Umweltschützern geben. "Ich denke, es wird großen Widerstand geben", sagt Saz. Aber vielleicht werde man die Menschen ja überzeugen, dass Wasserstoffleitungen nicht nur gut fürs Klima sind, sondern auch schlecht für Russlands Präsidenten Wladimir Putin, weil sie Demokratien von solchen Diktaturen unabhängig mache.