Herr Machtlinger, beginnen wir mit einer Frage, die derzeit fast alle CEOs umtreibt: Ist Ihr Unternehmen autark genug, um auch ohne russisches Erdgas weiterproduzieren zu können?
Robert Machtlinger: Autark sind wir nicht, aber wir könnten das fehlende Gas ersetzen. Das liegt auch daran, dass wir nicht übermäßig energieintensiv sind. Um es an den aktuellen Zahlen festzumachen: Bei 500 Millionen Euro Umsatz hatten wir einen Gesamtenergieverbrauch von 77 GW/h. Davon ist ungefähr die Hälfte elektrische Energie, die wir für CNC-Anlagen, die Beleuchtung, die IT und so weiter brauchen. Die andere Hälfte ist Prozesswärme. Rund 16 GW/h dieser Wärme gewinnen wir aus Geothermie, noch einmal die gleiche Menge aus Gas.
Und dieses Gas könnten Sie ersetzen?
Machtlinger: Ja, wir könnten auf Ölbrenneranlagen zurückgreifen. Wir müssten unserer Anlagen etwas umrüsten und investieren, aber es wäre möglich. Wir haben das durchgerechnet, wir hätten dann einen Ölbedarf von rund 7.700 Liter Öl pro Tag. Das sind Mengen, die am Markt auch zu beschaffen sind. Natürlich ist das kein Szenario, das wir uns wünschen, denn es entspricht ganz und gar nicht unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Letztlich bleibt aber auch hier die Frage offen, wie der Energielenkungsprozess im Notfall funktioniert und ob wir durch diesen nicht gezwungen werden würden, unseren Betrieb trotz eines Gas Backup Systems einzustellen.
Womit Sie sich wohl als ein Gegner eines Gas-Embargos positionieren. Weil Gas für die Industrie schlicht und einfach unverzichtbar ist?
Machtlinger: Ich formuliere es drastisch: ein Gas-Embargo wäre ein Schuss ins Knie. Ich weiß nicht, ob ein Embargo den Krieg auch nur um einen Tag verkürzen würde, ich weiß aber, dass es einen immensen wirtschaftlichen Schaden für Europa anrichten würde. Dass Gas für die Industrie langfristig unverzichtbar wäre, das meine ich allerdings nicht. Im Gegenteil. Es wird nicht von heute auf morgen gehen, ich bin aber absolut sicher, dass ein Ausstieg aus fossiler Energie natürlich möglich ist und damit auch ein Ende der Abhängigkeit von Russland oder anderen Ländern.
Woher nehmen Sie diese Zuversicht?
Machtlinger: Aus der Geschichte. Der Mensch hat es bislang immer geschafft, sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Wir brauchen da gar nicht weit zurückgehen. Denken Sie an den sauren Regen und die toten Flüsse in den siebziger und achtziger Jahren, an die immense Luftverschmutzung damals. Das war katastrophal. Ich kann mich noch gut daran erinnern, weil mich das als Jugendlichen sehr betroffen gemacht hat. Heute sind unsere Gewässer, die Luft, die Wälder im Wesentlichen wieder in Ordnung – dank technischer Weiterentwicklungen wie zum Beispiel Klär- und Filteranlagen. Warum sollte technischer Fortschritt nicht auch beim Kampf gegen Klimawandel funktionieren? Wie gesagt: Es wird nicht von heute auf morgen gehen, aber es wird gehen. Ich bin davon überzeugt, weil ich als Techniker einfach an den Fortschritt glaube.