Chinesische Autohersteller in Europa : Bosch-Chef Stefan Hartung und die Elektromobilität: "Gegenseitige Abhängigkeit ist so schlecht auch wieder nicht"

Bosch-Chef Stefan Hartung

Bosch-Chef Stefan Hartung

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Die chinesischen Autohersteller werden nach Einschätzung des weltweit größten Zulieferers Bosch in den kommenden Jahren ihre Produktion in Europa weiter ausbauen. Wer aus China importieren wolle, müsse auch Werke im Zielmarkt bauen, um erfolgreich zu sein, sagte Bosch-Chef Stefan Hartung am Donnerstag. "Wir werden die ersten Projekte chinesischer OEM in den nächsten Jahren in Europa sehen." Als Automobilzulieferer und Industrieanlagenbauer werde Bosch diese Entwicklung begleiten.

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Bekannt ist bereits der Aufbau einer Produktion von BYD aus China in Ungarn. Leapmotor hat sich zur Nutzung eines Werks im polnischen Tichy mit der Opel-Mutter Stellantis zusammengetan. Und in einer ehemaligen Nissan-Fabrik in Barcelona will Chery in einem Joint Venture mit dem spanischen Hersteller EV Motors zukünftig Autos bauen.

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- © Industriemagazin

1,4 Milliarden Fahrzeuge auf der Erde

Mit Blick auf die Kritik, dass die deutsche Automobilindustrie zu stark von China abhängig sei, sagte Hartung, dass China auch ein wichtiger Absatzmarkt für Deutschland und Europa sei. "Gegenseitige Abhängigkeit ist so schlecht auch wieder nicht", sagte der Bosch-Chef. "Einseitige Abhängigkeit wäre nicht so günstig." Das Gegensteuern dürfe aber nicht zur Abschottung einer Volkswirtschaft führen, so der Bosch-Chef. In Indien, das schon heute der drittgrößte Automarkt der Welt ist, sieht Bosch großes Potenzial. Hier sei ein starkes Wachstum zu erwarten, auch bei Autos in höheren Preissegmenten als den dort verbreiteten Kleinwagen, sagte der Vorsitzende des Unternehmensbereichs Mobility, Markus Heyn. "Wie in China nehmen die Marktanteile der indischen OEM zu." Auf die Wünsche der Kunden dort könnten sie sich offenbar am besten einstellen.

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Ab dem Jahr 2035 sollen keine Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden dürfen - so plant es zumindest die EU. Ausnahmen sind nur für Fahrzeuge vorgesehen, die mit E-Fuels betrieben werden. Inzwischen wird jedoch zunehmend bezweifelt, dass ein so früher Ausstieg überhaupt zu schaffen ist. Mercedes-Chef Ola Källenius stellte kürzlich das Ende des Verbrennungsmotors in Frage und auch bei Bosch plant man noch lange mit der Technologie: „Wir müssen weiterhin Verbrennertechnologie bereitstellen, sonst wird die Welt damit nicht zurechtkommen“, betonte Bosch-Chef Stefan Hartung vor einem Monat im Gespräch mit dem Portal The Pioneer und nimmt damit auch andere Unternehmen in die Pflicht.

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Wir brauchen 35 Jahre, um weltweit alle Autos zu elektrifizieren.
Bosch-Chef Stefan Hartung

Globaler Übergang zu Elektroautos: Warum es 35 Jahre dauern könnte

Der weltweite Umstieg auf das Elektroauto werde einige Zeit in Anspruch nehmen, betont der 58-Jährige: „Wir brauchen 35 Jahre, um weltweit alle Autos zu elektrifizieren.“ Außerhalb Europas könne man die Kunden nicht zwingen, auf den Verbrennungsmotor zu verzichten, auch wenn es in der EU deutlich schneller gehe. Oft sei ein Abschied von Diesel und Benziner mangels Alternativen gar nicht möglich, so Hartung. Auch Verbrennungsmotoren werden noch viele Jahrzehnte auf den Straßen unterwegs sein, erwartet der Bosch-Chef. Schätzungen gehen von einem weltweiten Bestand von rund 1,4 Milliarden Fahrzeugen aus. „Wenn wir jetzt sofort alles, was wir im Moment an Produktion haben, umstellen würden, also über 90 Millionen Fahrzeuge pro Jahr ab jetzt voll elektrisch bauen würden, bräuchten wir etwa 16 Jahre, um die gesamte Fahrzeugflotte auszutauschen“, erklärt Hartung.

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Stefan Hartung ist seit dem 1. Januar 2022 Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH. Er ist zugleich Gesellschafter der Robert Bosch Industrietreuhand KG. Sein Verantwortungsbereich umfasst Unternehmensstrategie, Unternehmenskommunikation und Regierungsbeziehungen sowie Technologieentwicklung. Darüber hinaus trägt er die Verantwortung für den Zentralbereich Forschung und Vorausentwicklung, für das Zentrale Qualitätsmanagement sowie für den Zentralbereich Fertigungstechnik. Außerdem ist er zuständig für die Bosch Healthcare Solutions GmbH und die Bosch-Aktivitäten in China.

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Stefan Hartung wurde am 13. Januar 1966 in Dortmund geboren, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er studierte Maschinenbau mit der Fachrichtung Fertigungstechnik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, wo er 1993 auch promovierte. Seit 2004 arbeitet er bei der Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH, München. Zuvor war er bei der Fraunhofer-Gesellschaft und bei der Unternehmensberatung McKinsey & Company in Düsseldorf tätig.