Chemische Industrie : BASF-Chef: Standort Europa wird immer weniger attraktiv

Die Labormitarbeiter testen die Benetzungseigenschaften eines Siliziumwafers, nach der Bearbeitung mit Planapur®, einem Poliermittel, das Nanopartikel enthält. Mit ihm werden Wafer bei ihrer Herstellung mehrfach glatt geschliffen. Damit ihre Oberfläche dabei keine Kratzer bekommt, müssen die Schleifpartikel extrem fein und klein sein. Als einer der Marktführer in Asien und Europa verfügt BASF über ein großes Know-how im Bereitstellen von Prozesschemikalien und Lösungen für die Halbleiterindustrie.

EU-Regulierungen und hohe Energiekosten: Europa für chemische Industrie laut BASF-Chef nicht mehr attraktiv

- © BASF SE

BASF-Chef Martin Brudermüller sieht China trotz der zunehmenden geopolitischen Spannungen weiter als Wachstumsmarkt für den Chemiekonzern. Es gebe dort aber "rote Linien", die sich am hiesigen Wertesystem und den Unternehmensgrundsätzen orientierten, sagte er dem "Handelsblatt". "Sind diese überschritten, dann geht es dort nicht weiter." In China baut der Chemieriese gegenwärtig für bis zu 10 Mrd. Euro einen neuen Verbundstandort in der südchinesischen Provinz Guangdong.

Europa verliere als Standort kontinuierlich an Attraktivität, betonte Brudermüller, nicht nur gegenüber China, sondern auch im Vergleich mit den USA und dem Mittleren Osten. "Es ist eine Illusion zu hoffen, mit Staatsgeld durch die Energiekrise zu kommen und dann in den alten Strukturen weiterzumachen."

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BASF hatte nach einem Verlust in Deutschland und einem Ergebniseinbruch im dritten Quartal vor kurzem ein neues Sparprogramm angekündigt, das auch Stellenstreichungen vorsieht. Europa und insbesondere Deutschland sollen angesichts der sich verschlechternden Rahmenbedingungen in der Region im Fokus des Sparprogramms stehen. Mehr als die Hälfte der Kosteneinsparungen will BASF am Standort Ludwigshafen erzielen.

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Brudermüller geht davon aus, dass sich die Chemieindustrie in Europa auf Energiekosten einstellen muss, die langfristig gut dreimal so hoch sein werden wie in den USA. Hinzu komme eine "überbordende Regulierung" im Rahmen des Green Deals der EU. "Europa verliert in vieler Hinsicht an Wettbewerbsfähigkeit. Bereits seit einer Dekade gibt es nur noch schwaches Wachstum. Jetzt geht es noch weiter bergab."

Über das bereits verkündete interne Sparprogramm von 500 Millionen Euro hinaus wolle BASF daher prüfen, welche Produkte künftig in Europa noch produziert werden könnten. "Hier stellt sich die Frage, ob vor allem Basisprodukte langfristig noch in Europa und Deutschland wettbewerbsfähig hergestellt werden können", sagte er der Zeitung.

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BASF-Österreich Chef Harald Pflanzl sagte dem Kurier, Investitionen in China seinen "alternativlos". Er verteidigte die Milliardeninvestitionen in China und warnte dabei vor der drohenden Deindustrialisierung Europas. Demnach würden 96% aller produzierenden Betriebe in der EU ihre Vormaterialien aus der chemischen Industrie erhalten: Die hohen Gaspreise seien aber gerade für die chemische Industrie in Europa eine Bedrohung.

BASF-Chef Martin Brudermüller

- © BASF

Streicht BASF nach Verlusten Stellen?

Der Chemiekonzern will nach einem Gewinneinbruch im dritten Quartal rasch die Kosten drücken. BASF müsse "die Kostenstrukturen so schnell wie möglich und auch dauerhaft anpassen", bekräftigte BASF-Chef Martin Brudermüller am Mittwoch. Grund seien die sich verschlechternde Ergebnisentwicklung in Europa und Deutschland und die steigenden Energiepreise. "Wir müssen als Unternehmen jetzt handeln", betonte er.

BASF hatte das Sparprogramm bereits Mitte Oktober zusammen mit vorläufigen Zahlen für das dritte Quartal veröffentlicht. Es soll nach seiner Umsetzung Einsparungen von jährlich rund 500 Millionen Euro bringen.

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BASF hatten die Gaskrise und die Beteiligung an dem Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea im dritten Quartal hohe Abschreibungen eingebrockt. Der Nachsteuergewinn fiel auf 909 Mio. Euro von 1,25 Milliarden vor Jahresfrist wegen Wertberichtigungen von rund 740 Mio. Euro. Der bereinigte operative Gewinn (Ebit) von BASF brach um fast 28 Prozent auf 1,3 Mrd. Euro ein.

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Der Umsatz stieg dagegen um zwölf Prozent auf 21,9 Mrd. Euro. BASF bekräftigte trotz sich verschlechternder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Prognose für dieses Jahr, die Vorstandschef Brudermüller Ende Juli angehoben hatte. Demnach rechnet der Konzern weiter mit einem Umsatz von 86 bis 89 Mrd. Euro und einem bereinigten operativen Ergebnis von 6,8 bis 7,2 Mrd. Euro.

Gewerkschaften planen Widerstand gegen Sparprogramm

Die Chemie-Gewerkschaft IG BCE hat Gegenwehr bei den geplanten Kosteneinsparungen des Branchenriesen BASF angekündigt. "Tiefe Einschnitte an den heimischen Standorten anzukündigen, während Politik und Sozialpartner einen milliardenschweren Abwehrschirm aufspannen, ist nicht nur maximal instinkt- und respektlos, sondern wird auch auf unseren entschiedenen Widerstand treffen", sagte der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag.

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Man unternehme gerade massive Anstrengungen, um die Folgen der Gaskrise auf die energieintensive Industrie zu minimieren, sagte der Gewerkschaftschef, der als Co-Vorsitzender einer Expertenkommission für Gas und Wärme an den Vorschlägen für eine Gaspreisbremse mitgewirkt hatte.

Es brauche jetzt Sicherheit für Beschäftigte, Perspektiven für Standorte und nicht nur Management zulasten Dritter, so Vassiliadis, der auch im Aufsichtsrat der BASF sitzt. "Der Vorstand wollte die in wenigen Tagen stattfindende Aufsichtsratssitzung offenbar nicht abwarten, um sich zu erklären. Jetzt werden wir sie nutzen, um unsere Position mit Nachdruck klarzumachen."

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Der deutsche Chemiekonzern, der in der Gaskrise unter Druck steht, will die Kosten deutlich drücken. Ein Sparprogramm, das von 2023 bis 2024 umgesetzt wird, soll die jährlichen Kosten außerhalb der Produktion um 500 Mio. Euro senken, hatte BASF am Mittwoch mitgeteilt. Mehr als die Hälfte der Einsparungen sollen am Standort Ludwigshafen realisiert werden. Sowohl Unternehmens-, Service- und Forschungsbereiche als auch die Konzernzentrale sollen gestrafft werden, hieß es. Dabei schließe man Stellenstreichungen nicht aus.

Millionen-Förderung für BASF

Deutschland darf den Chemie-Konzern BASF mit 134 Mio. Euro unterstützen. Die EU-Wettbewerbshüter haben grünes Licht für eine millionenschwere Förderung gegeben. Unterstützt werden soll die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff, etwa für den Verkehr. Sogenannter Grüner Wasserstoff ist CO2-frei, weil er mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt wird.

Mit der Maßnahme könne Deutschland BASF dabei unterstützen, "zur Ökologisierung der Chemie-Wertschöpfungskette und des Verkehrssektors beizutragen", erklärte die für Wettbewerb zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager. Dies helfe auch, um weniger abhängig von Öl-, Gas- und Kohleimporten zu werden.

Die Förderung wird als Zuschuss gewährt und soll am Standort Ludwigshafen den Bau und die Installation eines großen Elektrolyseurs unterstützen, hieß es weiter. Damit sollen ab 2025 rund 5000 Tonnen erneuerbarer Wasserstoff und 40 000 Tonnen Sauerstoff pro Jahr produziert werden.

Hauptziel der Maßnahme sei, Wasserstoff, der mit fossiler Energie hergestellt wurde, bei BASF zu ersetzen, um die Treibhausgasemissionen des Konzerns zu verringern. Darüber hinaus erzeugter Wasserstoff aus erneuerbaren Energien solle etwa für Lkw oder Busse genutzt werden.

Deutschland habe das Vorhaben der BASF im Rahmen eines offenen Verfahrens ausgewählt, um Teil eines IPCEI (Important Projects of Common European Interest) zu für Wasserstofftechnologien und -systeme zu werden, hieß es in der Mitteilung. IPCEI ist ein transnationales Vorhaben von europäischem Interesse, mit dem ein Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit geleistet werden soll.

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