Leiterplattenhersteller : AT&S: "Über die magische Halbjahres-Milliarde gesprungen"

AT&S: Umsatzplus von 53 Prozent auf über eine Milliarde Euro

AT&S: Umsatzplus von 53 Prozent auf über eine Milliarde Euro

- © AT&S

Der börsennotierte steirische Leiterplattenhersteller AT&S hat in einem Geschäftshalbjahr erstmals mehr als eine Milliarde Umsatz gemacht. Das Unternehmen berichtete Donnerstagfrüh von einem Umsatz- und Ergebnisrekord, erwartet im weiteren Verlauf des Geschäftsjahres allerdings eine Eintrübung. Im ersten Halbjahr 2022/23 kletterte der Umsatz um 53 Prozent auf 1,07 Mrd. Euro (21/22: 698 Mio. Euro). Im Gesamtjahr würden die geplanten 2,2 Mrd. Euro aber nicht erreicht werden.

Der Jahresumsatz werde "im mittleren einstelligen Prozentbereich unter der bisherigen Erwartung von 2,2 Mrd. Euro" liegen, teilte AT&S mit. Die bereinigte operative Umsatzrendite (EBITDA-Marge) soll aber unverändert 27 bis 30 Prozent erreichen. Zum Halbjahr schnellte dieser Wert um 139 Prozent auf 335 Mio. Euro nach oben und lag bei 29,5 Prozent.

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Das Halbjahres-Konzernergebnis stieg von 18 Mio. Euro um 444 Prozent auf 224 Mio. Euro. Der Gewinn je Aktie (EPS) kletterte von 0,36 Euro auf 5,52 Euro. "Generell sind wir davon überzeugt, dass die großen Trends in Bezug auf Digitalisierung und Elektrifizierung weiter in Takt sind", so AT&S-Vorstandschef Andreas Gerstenmayer. Er spricht aber auch von "Volatilitäten und kurzen Sichtweiten", die man "entsprechend managen" wolle.

Der Mitarbeiterstand hat sich im Vergleich zur vorigen Halbjahresperiode um 22 Prozent gesteigert. Inklusive Leihpersonal lag er bei durchschnittlich 15.600 Menschen.

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AT&S-CEO Andreas Gerstenmayer - © AT&S

So blickt das Unternehmen in die Zukunft

Im Geschäftsjahr 2022/23 wird sich AT&S, abhängig von der Marktentwicklung, weiter auf den Produktionsanlauf der neuen Kapazitäten im Werk III in Chongqing konzentrieren, die Investitionsvorhaben in Kulim und den Ausbau des Standorts Leoben weiter vorantreiben sowie Technologie-Upgrades an anderen Standorten durchführen. Angesichts des äußerst volatilen Umfelds werden die laufenden Investitionsprojekte kurzzyklisch überprüft und bei Bedarf den jeweils aktuellen Gegebenheiten angepasst.

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Für die Segmente von AT&S gestalten sich die Erwartungen derzeit wie folgt: Trotz aktueller Nachfrageschwankungen bieten die Marktgegebenheiten bei IC-Substraten mittelfristig weiterhin erhebliche Wachstumsmöglichkeiten. Im Bereich der mobilen Endgeräte bleiben der Mobilfunkstandard 5G wie auch das Geschäft mit Modulleiterplatten ein positiver Treiber. Bei Automotive sollte sich die Halbleiterknappheit weiter entspannen und der Wachstumstrend aufgrund des weiterhin steigenden Elektronikanteils je Fahrzeug somit verstärken. Bei Industrial und Medical erwartet AT&S für das laufende Geschäftsjahr eine positive Entwicklung.

Im Rahmen der strategischen Projekte plant das Management für das Geschäftsjahr 2022/23 – in Abhängigkeit vom Marktumfeld und den Projektfortschritten – Investitionen in Höhe von bis zu 1 Mrd. Euro. Für Basisinvestitionen werden rund 150 Mio. Euro veranschlagt. Aus dem Investitionsbudget für das Geschäftsjahr 2021/22 haben sich geplante Investitionen in Höhe von 100 Mio. Euro in das Geschäftsjahr 2022/23 verschoben. In Summe ergibt sich daraus derzeit ein geplantes Investitionsvolumen in Höhe von bis zu 1.250 Mio. Euro.

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Nach der guten Entwicklung im ersten Halbjahr erwartet AT&S in der zweiten Jahreshälfte eine Eintrübung im Marktumfeld und erwartet nun für das Geschäftsjahr 2022/23 einen Umsatz im mittleren einstelligen Prozentbereich unter der bisherigen Erwartung von 2,2 Mrd. Euro. Unter Berücksichtigung der Effekte aus dem Anlauf der neuen Produktionskapazitäten in Kulim, Leoben und Chongqing wird die bereinigte EBITDA- Marge unverändert voraussichtlich zwischen 27 und 30 % liegen.

Malaysia ist schon heute eine wichtige Drehscheibe für die Chip-Lieferkette.
CEO Andreas Gerstenmayer

Weitere Investitionen in Malaysia

Kehrt AT&S China in Zukunft den Rücken? Zwar hält das Unternehmen am Werk in Chongqing fest, wird aber in Zukunft stärker in das neue Werk in Malaysia investieren. Der neue Campus in Kulim, etwa 350 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kuala Lumpur, wird nach Fertigstellung zur Produktion von IC-Substraten genutzt. Insgesamt umfasst das Projekt eine geplante Gesamtinvestition von 1,7 Milliarden Euro über die kommenden Jahre. Der Bau des neuen AT&S Campus startete am 30. Oktober 2021, der kommerzielle Betrieb soll 2024 anlaufen.

„Malaysia ist schon heute eine wichtige Drehscheibe für die Chip-Lieferkette. Wir sind überzeugt, dass Malaysia seine Position als Technologieland weiter stärken und die Stellung in der Region als High-Tech-Produktionsstandort in Asien ausbauen kann“, so Gerstenmayer.

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In der Region werden nicht nur tausende neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern Malaysia wird sich auch als Hotspot für ein völlig neues, einzigartiges Technologiesegment profilieren. „AT&S bringt die neueste Generation von High-End-Technologien nach Malaysia und wird einen völlig neuen Technologiesektor in einem der zukünftigen globalen Mikroelektronik-Hotspots etablieren. Am neuen Standort werden neben der Herstellung von Hightech-Produkten auch umfangreiche F&E-Aktivitäten betrieben“, sagt AT&S COO Ingolf Schröder.

AT&S folgt damit der Strategie von zahlreichen Unternehmen der Chipindustrie. Auch Infineon, Deutschlands führender Chiphersteller, wird in Kulim eine neue Fabrik für zwei Milliarden Euro errichten - mittlerweile das dritte Werk des Konzerns in Malaysia. Im zweiten Halbjahr 2024 sollen die ersten Chips das Werk verlassen.

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Das Land gilt als sicherer Standort in geopolitisch angespannten Zeiten und macht die Unternehmen unabhängig von China. Nicht erst durch das Export-Verbot der USA - es dürfen keine Hightech-Chips mehr nach China exportiert werden - weichen zahlreiche Unternehmen auf andere asiatische Staaten aus. In den Konzernen wächst zunehmend die Angst, in China des eigenen Know-Hows beraubt zu werden. Malaysia ist dabei das bevorzugte Land um günstig in Asien zu produzieren.

Ingolf Schroeder AT&S
COO Ingolf Schröder - © AT&S

Das im Bau befindliche Werk in Kulim, Malaysia

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Suche nach neuem Werk an über 200 Standorten

Vor der Entscheidung, nach Malaysia zu expandierten, ließ Gerstenmayer über 200 Standorte weltweit prüfen - auch in Europa. „Europa leidet unter einem eklatanten Mangel an qualifiziertem Personal“, so der AT&S-Chef gegenüber dem Handelsblatt. „Das betrifft nicht nur Ingenieure, sondern ist schon bei den Arbeitern spürbar.“ In Kulim sollen 6000 neue Stellen geschaffen werden.

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Malaysia gilt als frei von geopolitischen Spannungen. Taiwan, das weltweit jeden zweien Chip produziert, wird von China als abtrünnige Provinz betrachtete. Und es ist das erklärte Ziel des chinesischen Präsidenten Xi, China wieder "zu vereinigen". Auch Südkorea - Heimat von Samsung und SK Hynix - gilt aufgrund der Nachbarschaft mit Nordkorea als Standort mit Risikopotential.

Malaysia lieferte im letzten Jahr Chips im Wert von rund 100 Milliarden Dollar ins Ausland. Ein Plus von 25 Prozent gegenüber den Vorjahren. Im Jahr 2020 beschäftigte die Branche rund 575.000 Mitarbeiter in dem Land.

Das neue AT&S -Werk in Kulim, Malaysia.