Gamesa in der Krise : Siemens Energy: Milliarden-Verlust durch Windenergie-Geschäft

Möglicher Verkauf von Siemens Energy: Für Österreich eine zwiespältige Botschaft*
*Wirtschaftsminister Robert Habeck bei einer Fabrikstour im Siemens-Werk Gamesa in Cuxhaven Ende Jänner; mit Gamesa-Manager Jochen Eickholt

Gamesa, das Siemens-Sorgenkind

- © Hauke-Christian Dittrich / dpa / picturedesk.com

Der Energiekonzern Siemens Energy hat im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres so viel Verlust gemacht wie noch nie seit der Abspaltung von Siemens. Wie der Münchner Konzern am Montag mitteilte, führten große Probleme bei der Windkrafttochter Siemens Gamesa und negative Steuereffekte zu einem Fehlbetrag von gut 2,9 Milliarden Euro. Insgesamt rechnet der Energiekonzern nach einer neuen Prognose nun mit einem Rekordverlust von 4,5 Milliarden Euro in dem noch bis Ende September laufenden Geschäftsjahr.

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Bereits im Juni waren die neuen Probleme beim Sorgenkind Gamesa bekannt geworden. Seinerzeit bezifferte Energy die Kosten auf mindestens eine Milliarde Euro und kassierte die Prognose. Die jetzt bekannt gewordenen Details treffen den Konzern hart: Wegen der Qualitätsprobleme bei Windkraftanlagen an Land rechnet Energy mit Kosten in Höhe von 1,6 Milliarden Euro für die notwendigen Reparaturen. Sie wurden im abgelaufenen Quartal verbucht, der Großteil wird aber erst in den nächsten beiden Geschäftsjahren anfallen.

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Weitere Belastungen kommen hinzu

Im Offshore-Bereich rechnet der Konzern mit weiteren Belastungen in Höhe von 0,6 Milliarden Euro. Diese resultieren aus unrentablen Aufträgen und Schwierigkeiten beim Hochfahren der Produktion. Diese Belastungen bei Gamesa werden auf Konzernebene durch einen negativen Steuereffekt von weiteren 0,7 Milliarden Euro ergänzt.

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Die Ergebnisse zeigten "die Herausforderungen beim Turnaround von Siemens Gamesa", sagte Konzernchef Christian Bruch. Die Leistung der übrigen Geschäftsbereiche gebe ihm "Vertrauen in die Fähigkeit unseres Unternehmens, Geschäfte wieder wirtschaftlich erfolgreich aufzustellen".

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Deutlich besser lief es jenseits von Gamesa bei Energy. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum konnten auch die drei anderen Divisionen Gas Services, Grid Technologies und Transformation of Industry ihre Ergebnisse verbessern. Auftragseingang und Umsatz stiegen auch auf Konzernebene.

Christian Bruch, Siemens Energy

- © Siemens Energy

Ist der Konzernchef angezählt?

Siemens Energy war im Jahr 2020 aus dem Siemens-Konzern ausgegliedert und an die Börse gebracht worden. Seitdem hat der Konzern noch kein Geschäftsjahr und nur einzelne Quartale mit Gewinn abgeschlossen. Immer wieder waren es die Probleme mit Gamesa, die für Gewinnwarnungen sorgten und die Zahlen tief in die Verlustzone drückten.

Um das Sorgenkind besser in den Griff zu bekommen, hat Energy die Windkraft-Tochter, an der lange Zeit nur eine Mehrheitsbeteiligung gehalten wurde, inzwischen komplett übernommen. Die Zukunft von Konzernchef Bruch dürfte auch davon abhängen, ob und wie schnell die Probleme nun gelöst werden.

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Christian Bruch, Chef von Siemens Energy, und Jochen Eickholt, Chef des Windgeschäfts, hätten trotz der anhaltenden Schwierigkeiten noch das Vertrauen des Aufsichtsrats, so der Tenor. Sie seien die richtigen Leute, um die Probleme zu lösen, hieß es. Die jüngste Gewinnwarnung, so hieß es, solle aber die letzte gewesen sein.

Eine Arbeitsgruppe des Managements und ein Sonderausschuss des Aufsichtsrats sollen dem deutschen Energiekonzern nun dabei helfen, die anhaltenden Probleme in der Windkraftsparte in den Griff zu bekommen. Der Sonderausschuss ist Ende Juli zu seiner ersten Sitzung zusammengekommen. Dies verlautete aus Aufsichtsratskreisen.

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Aufgabe des Gremiums ist es den Angaben zufolge, die Aufarbeitung der Qualitätsprobleme bei Windkraftanlagen zu überwachen. Wegen dieser Probleme hatte Siemens Energy Ende Juni seine Prognose zurücknehmen müssen. Grund dafür waren Qualitätsprobleme bei Windkraftanlagen, die nach Angaben von Siemens Energy zu einer erhöhten Ausfallrate der Anlagen führen könnten. Mit mehr als einer Milliarde Euro wurden die Kosten damals beziffert.

Voith-Chef im Sonderausschuss

Nach Angaben aus Aufsichtsratskreisen treten die Probleme bei Anlagen der Baureihen X4 und X5 auf. Von der X5 wurden demnach bisher rund 800 produziert, 100 davon sind bereits ausgeliefert. Bei der X4, die noch vor der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Siemens Gamesa vom spanischen Windanlagenbauer Gamesa entwickelt wurde, seien es mehr Anlagen, aber die erwartete Ausfallquote sei geringer, hieß es.

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Wie hoch die Kosten am Ende tatsächlich sein werden, sei schwer abzuschätzen. Es gehe auch um die Frage, ob die Probleme nur ein Produktionsproblem oder ein Konstruktionsproblem seien. Letzteres würde größere Schwierigkeiten bereiten.

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Vorsitzender des Sonderausschusses soll der ehemalige Voith-Chef Hubert Lienhard werden. Das hatte zuvor die "WirtschaftsWoche" berichtet. Dem neuen Gremium sollen nach Angaben aus Aufsichtsratskreisen auch die Siemens-Vorstände Matthias Rebellius, Randy Zwirn und Laurence Mulliez angehören. Alle vier gehören bereits dem Aufsichtsrat von Siemens Energy an. Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl der Mitglieder sei die technische Expertise gewesen, hieß es.