VW, BMW, Mercedes-Konkurrent : So will BYD 2025 Europa erobern

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Der Atto 3 soll neben dem Dolphin bereits 2025 im ungarischen Szeged von BYD produziert werden.

- © Adobe Stock

Spätestens als BYD Hauptsponsor der Europameisterschaft 2024 wurde, musste jedem klar sein: Der chinesische Marktführer will Europa im Sturm erobern. Dass Volkswagen ausgerechnet bei der Heim-EM überboten wurde, zeigt, wie hart die Bandagen in der Industrie schon angezogen sind.

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Doch noch hat BYD nicht den erhofften Erfolg in Europa. Im vergangenen Jahr setzte der Autobauer knapp 50.000 Autos in der EU, Großbritannien und den EFTA-Märkten ab. Damit wurden die Verkäufe gegenüber dem Vorjahr zwar verdreifacht, beim Absatz in Europa rangiert BYD jedoch weit abgeschlagen auf Platz 31. Auf Europas Straßen sind Autos von BYD fast nicht vertreten. Doch das soll sich nun ändern. 

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BYD statt Benziner: Warum der chinesische Elektroauto-Riese längst Weltmarktführer bei E-Autos ist

Die Zukunft ist das Elektroauto. Daran ändert auch das Wackeln des Verbrenner-Aus für 2035 wenig. Insbesondere die deutschen Hersteller setzen aber noch immer auf den Verbrenner. Bei VW und Mercedes besitzen über 90 Prozent aller verkauften Autos einen Verbrennungsmotor. Bei BMW liegt der Anteil bei 83 Prozent. Beste Voraussetzungen also für BYD. Bei E-Autos ist der chinesische Hersteller ein Riese: 2024 wurden insgesamt 4,2 Millionen Autos produziert, davon etwa 1,7 Millionen reine Elektroautos (BEV) und 2,5 Millionen Plug-in-Hybride (PHEV). Damit hat das Unternehmen selbst Tesla überholt und ist mittlerweile der größte E-Autoverkäufer der Welt. Zur besseren Einordnung: BYD hat 2024 mehr E-Autos verkauft, als alle großen deutschen Hersteller zusammen. Volkswagen verkaufte knapp 745.000 Stück, BMW 425.000, Mercedes-Benz 205.000, Audi 164.000 und Porsche rund 39.000 E-Autos - Gemeinsam knapp 1,6 Millionen Autos.

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Strafzölle, geringe Markenbekanntheit und eine - in Europa - überschaubare Modellauswahl machen es dem chinesischen Autobauer dennoch schwer, sich am europäischen Markt zu etablieren. BYD reagiert mit massiven Investitionen, das nötige Kleingeld hat der Konzern vom chinesischen Heimatmarkt, doch kann das Kalkül gelingen?

BYD-Produktion von Elektroautos im Werk in Shenzhen, China
BYD produzierte 2024 insgesamt 4,2 Millionen Autos - mit 1,7 Millionen E-Autos soviel wie kein anderer Hersteller. - © BYD

BYD baut vor: Wie der E-Auto-Gigant mit Werken in Ungarn und der Türkei Europas Markt aufmischt

In Europa stehen zwei riesige Baustellen – eine in Ungarn, eine in der Türkei. Dort, wo heute noch Baukräne den Himmel durchschneiden und Arbeiter Beton gießen, sollen schon bald Zehntausende Elektroautos vom Band rollen. Es sind die künftigen Brückenköpfe von BYD, der sich anschickt, den europäischen Markt zu erobern. BYD versucht schon seit geraumer Zeit in Europa einen Fuß in die Tür zu bekommen. Einfach ist das nicht. Die EU geht mit Strafzöllen gegen den chinesischen Marktführer vor. Insgesamt 27 Prozent muss ein Importeur bezahlen, will er ein Auto von BYD aus China ordern - damit sollen unfaire Wettbewerbspraktiken wie etwa Subventionen ausgeglichen werden. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Produktion vor Ort hieß die Devise und kein chinesischer Autohersteller investierte so viel in Europa wie BYD. 

Im ungarischen Szeged wird künftig der Dolphin und der Atto 3 produziert. Beide Modelle zählen zur Kompaktklasse und richten sich an ein breites Publikum. Welche Modelle in der Türkei produziert werden sollen, ist bislang noch nicht bekannt.

Bereits 2025 soll die europäische Produktion auf 150.000 Autos hochfahren. In der zweiten Phase soll die Zahl verdoppelt werden - bis Ende 2026 strebt man eine Produktionskapazität von knapp 500.000 Autos an. Doch der chinesische Autobauer will noch mehr: Das erklärte BYDs Vizepräsidentin Stella Li in einem Interview mit der deutschen Automobilwoche. Demnach plant das Unternehmen eine dritte Montageanlage - wo ist noch nicht bekannt. Auch die Übernahme eines bestehenden Werkes ist möglich, so war BYD an dem Ford-Werk in Saarlouis interessiert, der Verkauf scheiterte letztendlich jedoch. Der schwächelnde Volkswagen-Konzern wäre ein geeigneter Kandidat für Werksübernahmen im Herzen Europas - BYD schließt ein entsprechendes Kaufangebot nicht aus. 

Die Europäische Union nimmt nun ihrerseits - einem Bericht der Financial Times zufolge - das BYD-Werk in Ungarn unter die Lupe. Dabei gehe es um die Frage, ob BYD in Ungarn direkt von illegalen chinesischen Subventionen profitiert habe. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, könnte die EU BYD zwingen, sich von Vermögenswerten zu trennen, die Kapazität zu reduzieren oder die Subventionen zurückzuzahlen. Auch eine Strafe ist denkbar. Bis es zu Sanktionen kommt, wird es wohl noch lange dauern. Gleichzeitig führt die EU-Kommission Verhandlungen mit China, um das bestehende Zollregime durch Mindestpreise zu ersetzen. Im Gegenzug würden sich Chinas führende E-Auto-Hersteller dazu verpflichten, verstärkt in Europa zu investieren und Technologietransfers zu leisten. 

Unabhängig davon, ob ein dritter Standort realisiert wird, oder ob die Strafzölle durch Mindestpreise ersetzt werden, klar ist: Mitte 2025 startet BYD die Produktion in Ungarn, ab 2026 die Fertigung in der Türkei. Der chinesische Marktführer wird eine Bandbreite an verschiedenen Modellen aus lokaler Fertigung anbieten - ohne dass diese von etwaigen Zöllen betroffen wären. Der europäische Automarkt wird sich dauerhaft verändern. 

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Chinesische E-Auto-Importe in Bremerhaven
Momentan wird der Großteil der BYD-Autos noch importiert, wie hier am Bremerhaven - doch das wird sich schon bald ändern. - © Lars Penning / dpa / picturedesk.com

Vom City-Stromer bis zum Luxus-SUV: So will BYD mit breiter Modellpalette Europas Autofirmen herausfordern

BYD geht mit einer Mischung aus neuen und altbewährten Modelle an den Start, um den europäischen Markt kräftig aufzumischen. In der Einstiegsklasse bringt BYD mit dem Seagull das meistverkaufte Auto in China auch nach Europa - noch in diesem Jahr. Angepasst werden allerdings sowohl der Namen als auch der Preis: Während in China knapp 70.000 Yuan (9.000 Euro) ausreichen, wird der Preis in Europa bei rund 20.000 Euro liegen. Statt unter dem Namen Seagull soll das Modell künftig als Dolphin Surf angeboten werden und damit die Modellreihe des bereits erhältlichen Dolphin erweitern. Er soll gegen Konkurrenten wie Hyundai Inster, den geplanten Nachfolger des Dacia Spring und den 2026 startenden Renault Twingo antreten. Im ersten Halbjahr 2025 soll der SUV Atto 2 folgen, der Vorverkauf startet im April (ab 30.000 Euro). Bereits das Basismodell kommt mit Wärmepumpe, elektrisch verstellbaren Kunstledersitzen, Panoramadach und großem sowie drehbaren Bildschirm. Der elektrische Kompakt-SUV trifft auf starke Konkurrenten wie den Peugeot e-2008, Citroen e-C3 Aircross oder Kia EV3. 

Mit dem Sealion 7 hat BYD Ende vergangenen Jahres ein Elektroauto der höheren Preisklasse (ab 56.000 Euro) auf den Markt gebracht. Der "Seelöwe" kommt in drei Varianten (Comfort, Design und Excellence) und soll vor allem dem Tesla Y Konkurrenz machen. Auch im Premiumsegment hat BYD einiges vor: Der neue Denza wurde erst Anfang April auf der Brera Design Week in Mailand vorgestellt. Gemeinsam mit Yangwang sollen die beiden Modelle das Luxussegment in Europa aufmischen. Denza startet den Verkauf bereits 2025 und soll ironischerweise vor allem deutschen Premiumherstellern wie Mercedes das Leben schwer machen. Denza wurde 2010 als Joint Venture zwischen BYD und Mercedes-Benz gegründet und ist seit 2024 vollständig im Besitz des chinesischen Autobauers. Yangwang ist auf Sportwagen und größere SUVs spezialisiert, womit vor allem Land Rover und - einmal mehr - Mercedes herausgefordert wird.

Eigentlich hatte BYD in Europa vor, nur Elektroautos zu verkaufen. Wegen der zuletzt schwachen Nachfrage nach rein elektrischen Modellen plant der Konzern nun aber, für jedes neue Modell auch eine Plug-in-Hybrid-Version nachzureichen.

Mit einem breiten Modellportfolio will der Konzern alle Preissegmente abdecken – vom günstigen Stadtflitzer bis hin zum Luxus-SUV. Doch wie steht es um die Qualität der Fahrzeuge, die noch immer mit Vorurteilen zu kämpfen haben? 

Der ADAC hat hierzu eine klare Meinung: „Die chinesischen Autohersteller geben Strom. Die aktuellen Elektroautos chinesischer Herkunft können in puncto Antrieb, Konnektivität und Qualität problemlos mit den Angeboten der etablierten Anbieter mithalten“, so das Fazit des Automobilclubs beim Test des Atto 3. Mit den neuen Modellen besetzt BYD auch den massentauglichen Markt der Kleinwagen und kompakten Mittelklasse – ein Markt, der wegen geringerer Rendite von den Platzhirschen seit der Covid-Pandemie ziemlich vernachlässigt wurde. 

Letztlich wird der Erfolg von BYD in Europa jedoch vor allem vom Preis bestimmt - und hier hat das Unternehmen eine Reihe von Wettbewerbsvorteilen, die nur schwer auszugleichen sind. 

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Vom Handy-Akku zum E-Auto-Giganten: Wie BYD mit eigener Batterietechnik und Lieferkette die Konkurrenz abhängt

Als Wang Chuanfu 1995 seine Firma "Build Your Dreams" - kurz BYD - gründete, konnte das Unternehmen kaum weiter vom Automobilsektor entfernt sein. Damals wurden am Firmensitz in Shenzhen keine Autos, sondern Batterien für Handys hergestellt. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich das Unternehmen zu einem der größten Batterieproduzenten der Welt. 2003 stieg BYD mit der Übernahme von Auto Quinchuan schließlich in die Automobilbranche ein.

Anhand der Firmengeschichte lässt sich die wohl größte Stärke BYDs besser verstehen: Die überlegene Batterietechnologie. Heute beliefert BYD nahezu alle Konkurrenten mit Batterien für deren Elektro-Modelle. Tesla, BMW, Mercedes, Audi, Toyota und Ford sind alle auf die Batterien des direkten Konkurrenten angewiesen. Dabei ist die Batterie die mit Abstand teuerste Einzelkomponente eines Elektroautos und macht - je nach Modell - zwischen 30 und 40 Prozent der Gesamtkosten aus. 

Doch die vertikale Integration der Wertschöpfung geht bei BYD viel weiter: Neben den Batterien fertigt das Unternehmen auch Elektromotoren, Fahrzeugelektronik, Chassis, Ladegeräte und die meisten Fahrwerkskomponenten selbst. Sogar die Innenausstattung und der Autolack werden im eigenen Fertigungssystem produziert. 2023 stieg BYD im Bergbau ein, als sich das Unternehmen über seine Tochtergesellschaft Exploracao Mineral do Brasil Bergbaurechte im lithiumreichen Jequitinhonha-Tal in Brasilien sicherte. Selbst in der Logistik baut das Unternehmen derzeit vier weitere Frachtschriffe - vier sind bereits fertiggestellt - die jeweils zwischen 7.000 und 9.000 Autos transportieren können. So hat BYD nahezu die gesamte Lieferkette der Automobilherstellung integriert, die Folge: kein anderer Hersteller sichert sich einen derart großen Anteil an der Wertschöpfung von elektrischen Fahrzeugen. Die Unabhängigkeit von Lieferketten erhöht auch die Resilienz gegenüber Engpässen, als während der Covid-Krise die europäischen Autobauer strauchelten und die Produktion hinunterfuhren, produzierte BYD weiter wie eh und je. 

Mit der vertikalen Integration des chinesischen Marktführers kann kein Mitbewerber mithalten, nicht mal ansatzweise. BYD zieht an den deutschen Autoherstellern vorbei, auch wenn diese sich mit immer größeren Budgets für Forschung und Entwicklung zu wehren versuchen. Neben der enormen Wertschöpfung hat BYD aber noch ein weiteres Ass im Ärmel: Hilfe von einem übermächtigen Partner.

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BYD und die Volksrepublik China: Eine übermächtige Allianz?

Kaum ein anderer Autohersteller ist so eng mit der politischen und wirtschaftlichen Agenda seines Heimatlandes verflochten wie BYD. Der chinesische Staat fördert gezielt den Aufstieg nationaler Technologiekonzerne, und BYD profitiert davon in nahezu allen Bereichen: Subventionen beim Fahrzeugverkauf, staatlich geförderte Forschung, bevorzugte Kreditvergabe und politische Rückendeckung bei internationalen Expansionen. Laut einer Analyse des IfW Kiel hat BYD im Jahr 2020 umgerechnet rund 220 Millionen Euro direkt vom Staat erhalten, 2022 waren es bereits 2,1 Milliarden Euro. Auch von den Kaufprämien für Elektroautos in China profitiert BYD deutlich stärker als alle anderen Hersteller. BYD erhielt im Jahr 2022 umgerechnet 1,6 Milliarden Euro. Zweitgrößter Empfänger ist Tesla mit 0,4 Milliarden Euro, gefolgt von GAC mit rund 0,3 Milliarden Euro. „Die Zahlen erfassen das wahre Ausmaß und den Umfang der Subventionen für grüne Technologien in China jedoch nur unzureichend“, erklärt Dirk Dohse, Forschungsdirektor am IfW Kiel und Mitautor der Studie. So profitiert  BYD nicht nur direkt, sondern auch indirekt – etwa durch Subventionen in der Batterieherstellung, sowie durch staatliche Kaufanreize für E-Autos, die die Nachfrage deutlich ankurbeln. Die Volksrepublik sieht in BYD ein strategisches Werkzeug, um globale Märkte zu durchdringen und technologische Überlegenheit gegenüber westlicher Industrienationen zu erreichen. Für Europa bedeutet das: Man hat es nicht nur mit einem Konzern zu tun, sondern mit der wirtschaftlichen Schlagkraft eines ganzen Staates im Hintergrund. 

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BYD wird ein Teil der europäischen Autoindustrie - ob wir wollen oder nicht

Die Frage ist nicht mehr, ob BYD Europa erobert – sondern nur noch, wann. Während sich viele europäische Hersteller in Diskussionen um Technologieoffenheit und Produktionskosten verlieren, zeigt der chinesische Branchenprimus, was Tempo, Effizienz und Skalierung wirklich bedeuten. Was heute noch belächelt wird, könnte morgen schon der neue Industriestandard sein. Für Volkswagen, BMW und Mercedes beginnt damit das vielleicht härteste Jahrzehnt ihrer Geschichte.

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BYD erwägt Produktion in Deutschland – und bekommt Probleme mit dem Werk in Ungarn