Managementtipp : Nachhaltigkeit und Klimawandel: Auf Kurs?

Biogasanlage Sujet
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Das Bewusstsein über die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Klimawandel hat sich in den letzten Jahren getrieben durch neue Regulatorik, sich ändernde Kundenanforderungen aber auch Erwartungen von Investoren und Banken deutlich verändert. Fast jedes Unternehmen hat verstanden: An Nachhaltigkeit führt heute kein Weg mehr vorbei. Längst reicht es aber nicht mehr, sich dem Thema aus einer reinen Risikoperspektive zu nähern. Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit auch im internationalen Umfeld fokussieren sich vor allem auf Chancen und Möglichkeiten zur bewussten Positionierung, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen.

Ein Beispiel für ein solches Vorreiterunternehmen ist Orsted, ein dänisches Energieunternehmen, das im Jahr 2022 zum vierten Mal in Folge durch Corporate Knights zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt ernannt wurde. Vor zehn Jahren noch galt das Unternehmen als einer der CO2-intensivsten Stromerzeuger Europas, heute ist Orsted der weltweit führende Anbieter von Offshore-Windenergien und setzt umfassende Nachhaltigkeitsmaßnahmen von Abfallmanagement bis Emissionsreduktion erfolgreich um. Dieses ist nur eines von vielen Unternehmen, das zeigt, dass eine gezielte Integration von Nachhaltigkeit in die Strategie und das Geschäftsmodell ein wesentlicher Differenzierungsfaktor sein kann, der auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten zum Erfolg führt.

"Längst reicht es nicht mehr, sich Nachhaltigkeit aus einer reinen Risikoperspektive zu nähern."
Christina Wendt, Managerin EY und Verantwortliche Bereich Innovative Strategien und Geschäftsmodelle, EYCarbon

- © Stefan Seelig

Doch wie schneiden österreichische Unternehmen ab? Das dritte Jahr in Folge hat EY im Rahmen einer Umfrage mehr als 600 mittelständische österreichische Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen zum Status-quo in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit befragt. Gerade in Sachen Umsetzung zeigt sich an der einen oder anderen Stelle noch Aufholbedarf – vielfach wird das Thema Nachhaltigkeit noch nicht ganzheitlich in die Unternehmensstrategie sowie das Ziel- und Anreizsystem- integriert, auch die organisatorische Verankerung ist oftmals noch ein ungeklärtes Thema. Auf der anderen Seite lassen die Ergebnisse in Summe aber Hoffnung zu, dass in Österreich ein Umdenken stattfindet. Nachhaltigkeit und Klimawandel erlangen nicht nur immer mehr den Stellenwert, den ihnen Klimaforscher schon jahrelang zuschreiben, Österreichs Mittelstand sieht auch die vielversprechenden Möglichkeiten zur Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells, die sich daraus ergeben.

Mehr als drei von fünf Mittelständlern in Österreich verfügen bereits über eine eigene schriftlich niedergelegte Nachhaltigkeits- oder Klimastrategie oder planen in den kommenden zwei Jahren eine solche Strategie zu verfassen. Dies ist ein Anstieg von über zehn Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr und zeigt deutlich, dass Unternehmen wissen, dass die strategische Auseinandersetzung mit diesen Themen notwendig ist, um Schlussfolgerungen aus der Abwägung einer Chancen- und Risiken-Perspektive für das eigene Geschäftsmodell abzuleiten.

Eine weitere Beobachtung ist, dass bei den befragten Unternehmen die Chancen- gegenüber der Risikoperspektive überwiegt. Fast jeder zweite befragte Mittelständler sieht die Auswirkungen des Klimawandels auf das eigene Geschäftsmodell als Chance. Der Anteil der Unternehmen, die den Auswirkungen positiv gegenüberstehen, ist damit zum zweiten Mal in Folge deutlich gestiegen. Während etwas mehr als ein Drittel keine Auswirkungen vermutet, ist der Anteil an Unternehmen, die vorwiegend Risiken sehen, mit 18 Prozent vergleichsweise gering.

"Unternehmen müssen eine Nachhaltigkeitsstrategie formulieren, Ziele herunterbrechen und in Folge auch priorisieren."
Martin Unger, Leiter Strategieberatung EY-Parthenon und EYCarbon-Lead Österreich

- © EY

Neben technologischen Innovationen, die nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen ermöglichen, kommt vor allem auch dem Thema Geschäftsmodellinnovationen eine große Bedeutung zu: 17 Prozent der Befragten führen die „Änderung / Ökologisierung des Geschäftsmodells“ als wesentliche Maßnahme zur Bekämpfung des Klimawandels an. National gibt es dafür schon einige nationale Erfolgsbeispiele, die etablierte Unternehmen und Produkte durch nachhaltigere Alternativen in Bedrängnis bringen. Beispielhaft kann hier Kreisel Electric genannt werden, ein oberösterreichisches Jungunternehmen, das im Dezember letzten Jahres von John Deere gekauft wurde und im Bereich der Hochleistungsbatterietechnik neue Maßstäbe setzt.

Ungeachtet der Tatsache, ob Unternehmen bereits etablierte Maßnahmen aus einer Risiko- oder einer Chancenperspektive ergreifen – in jedem Fall tragen sie eine große Verantwortung, wenn wir Österreichs Klimaneutralitätsziele erreichen wollen. Bis zum Jahr 2040 hat sich Österreich das Ziel gesetzt, noch vor dem Klimaneutralitätsziel der EU im Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Für viele Unternehmen heißt das, dass sie die bis jetzt getroffenen Anstrengungen weiter intensivieren müssen. Zwar ist mehr als jedes dritte mittelständische Unternehmen der Meinung, ihre eigenen Klimaneutralitätsziele noch vor 2040 zu erreichen, ein ebenso großer Teil gibt aber an, noch keinen Maßnahmenplan zur Erreichung eines solchen Ziels zu haben oder zu planen.

Insgesamt zeigt sich eine Diskrepanz zwischen einem generellen Bedeutungsgewinn von Nachhaltigkeit und Klimawandel und einer tatsächlichen zielgerichteten Umsetzung. Trotz der verstärkten Integration der beiden Themen in die Unternehmensstrategien besteht Nachholbedarf in der Ableitung konkreter Ziele. Unternehmen stehen dabei vor folgender Herausforderung: Sie dürfen nicht nur eine Nachhaltigkeitsstrategie formulieren, sondern sie müssen diese in Ziele und Maßnahmen herunterbrechen und in Folge auch priorisieren, um jene Maßnahmen umzusetzen, die den größten Hebel auf die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit haben. Österreichs Unternehmen steht noch einiges bevor, doch die ersten Schritte sind gesetzt. Jetzt gilt es, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen.

DIE AUTOREN

Martin Unger leitet bei EY-Parthenon die Strategieberatung und ist EYCarbon-Lead in Österreich.

Christina Wendt ist Managerin bei EY und verantwortet im Rahmen von EYCarbon den Bereich Innovative Strategien und Geschäftsmodelle

ZUM UNTERNEHMEN

EYCarbon ist die Nachhaltigkeitsinitiative von EY Österreich und vereint über 50 Expert:innen aus Bereichen wie Strategie, Lieferketten, Transaktionen, Finanzierung, Steuern und Prüfung unter einem Dach. Mehr unter www.eycarbon.at