Chinesische Konjunktur belastet Siemens : Warum der Auftragseingang bei Siemens einbricht
Erste Bremsspuren der schwachen Konjunktur zeigen sich bei Siemens. Der Vorstandsvorsitzende des Münchner Technologiekonzerns, Roland Busch, sagte am Donnerstag, dies liege vor allem daran, dass sich die Wirtschaft in China nicht so schnell erhole wie erwartet. "Wir gehen daher von einer abgeflachten Entwicklung aus." Busch spricht von einer "Normalisierung der Nachfrage".
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Das bekommt vor allem die Automatisierungssparte Digital Industries zu spüren. Deren Auftragseingang brach im dritten Quartal (April bis Juni) um mehr als ein Drittel ein. Bis zum Geschäftsjahr 2023/24, das im Oktober beginnt, rechnet Finanzvorstand Ralf Thomas für das Flaggschiff Digital Industries mit einer "Verlangsamung der Wachstumsdynamik auf hohem Niveau". Der Trend zu mehr Automatisierung und Digitalisierung sei aber ungebrochen. Mit 109 Milliarden Euro Auftragsbestand sitze der Konzern auf einem Rekordniveau.
"Geht es Siemens nicht gut, geht es der deutschen Wirtschaft nicht gut"
Bei den Anlegern machte sich dennoch Ernüchterung breit. Um bis zu fünf Prozent auf 139,32 Euro fiel die Siemens-Aktie, die lange als Bollwerk gegen die schwächelnde Konjunktur galt und damit größter Verlierer im Dax war. "Geht es Siemens nicht gut, geht es der deutschen Wirtschaft nicht gut", sagte Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege bei RoboMarkets.
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Besonders im kurzzyklischen Geschäft, wo Aufträge schnell zu Umsätzen werden, hielten sich Kunden in China, aber auch in Europa zurück. Wegen der langen Lieferzeiten hätten sie viele Aufträge vorgezogen, die nun abgearbeitet würden. Stornierungen gebe es kaum, allerdings werden Lieferungen verschoben. Viel hänge nun davon ab, wann und wie die chinesische Regierung die Konjunktur ankurbeln werde. Von den von der US-Regierung angekündigten Investitionsverboten für Hochtechnologie in China sieht Busch Siemens nicht direkt betroffen. Er hofft aber, dass die Spannungen zwischen den beiden Wirtschaftsmächten nicht eskalieren.
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Der Chef des Schweizer Rivalen ABB, Björn Rosengren, hatte kürzlich gesagt, seine Kunden verlagerten Investitionen von China nach Indien. Ausländische Unternehmen zögen sich nicht aus China zurück, sondern diversifizierten stärker, sagte Busch.
Siemens Energy belastet Mutter-Konzern
Für das laufende Geschäftsjahr 2022/23 hat Siemens seine Umsatz- und Ergebnisprognose für Digital Industries gesenkt. Für den Gesamtkonzern hält er an seiner Prognose fest, den Umsatz auf vergleichbarer Basis um neun bis elf Prozent zu steigern und ein bereinigtes Ergebnis je Aktie in der Spanne von 9,60 bis 9,90 Euro zu erzielen. Ausdrücklich herausgerechnet hat der Finanzvorstand allerdings die Effekte aus der Beteiligung an Siemens Energy, die die operativen Zahlen erneut belastet haben.
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Die abgespaltene Energietechnik-Sparte hatte wegen zunehmender Probleme im Windkraftgeschäft im dritten Quartal einen Verlust von drei Milliarden Euro eingefahren. Großaktionär Siemens belastete das Ergebnis mit 647 Millionen Euro. Dadurch blieb der Konzernüberschuss mit 1,41 Milliarden Euro leicht hinter den Erwartungen der Analysten zurück. Vor einem Jahr hatte eine milliardenschwere Abschreibung auf die ehemalige Siemens-Tochter den Konzern sogar in die Verlustzone gedrückt. Vorstandschef Busch bezeichnete die roten Zahlen und die Qualitätsmängel als "schwere Enttäuschung". Siemens erwarte nun Klarheit über die Zukunft des Windgeschäfts - "und das möglichst schnell", fügte er hinzu.
Geht es Siemens nicht gut, geht es der deutschen Wirtschaft nicht gut.Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege bei RoboMarkets
Distanz zum Siemens Energy-Chef
Deutlich distanzierte er sich von Siemens-Energy-Chef Christian Bruch. Der Aufsichtsrat von Siemens Energy entscheidet, ob er noch der richtige Mann ist, sagte er. Busch gehört dem Gremium nicht an. Siemens werde seinen Restanteil von 25,1 Prozent auf jeden Fall weiter reduzieren. "Wir machen das schonend für die Siemens-Energy-Aktie", versprach Busch. Die Übertragung eines Teils der Aktien an den eigenen Pensionsfonds brachte Siemens diesmal immerhin einen Gewinn von 318 Millionen Euro. Der Rest steht noch mit zwei Milliarden Euro in den Büchern, umgerechnet zehn Euro pro Aktie. Das sind 3,75 Euro weniger als der Börsenwert.
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Im Kerngeschäft konnten die Gebäudetechniksparte Smart Infrastructure und die Zugsparte Mobility die Schwäche bei Digital Industries ausgleichen. Der Auftragseingang kletterte im dritten Quartal um 15 Prozent auf 24,2 Milliarden Euro, vor allem weil Siemens allein in der Zugtechnik Aufträge im Wert von 8,3 Milliarden Euro einsammelte. Der Umsatz stieg um zehn Prozent auf 18,9 Milliarden Euro, Analysten hatten allerdings mehr erwartet. Auch das Ergebnis des Industriellen Geschäfts blieb mit 2,8 (2,9) Mrd. Euro hinter dem Vorjahr und den Prognosen der Analysten zurück.